Logo
Aktuell Ökologie

Flusspark Neckaraue: Tübingen bekommt ein Erholungsgebiet

Mit dem Flusspark Neckaraue bekommt Tübingen ein naturnahes Erholungsgebiet in der Stadt

Das Flussbett des Neckars soll hinter dem Tübinger Stauwehr vielgestaltig werden. Das ist jetzt schon zu erkennen. FOTOS: WALDER
Das Flussbett des Neckars soll hinter dem Tübinger Stauwehr vielgestaltig werden. Das ist jetzt schon zu erkennen. FOTOS: WALDERICH
Das Flussbett des Neckars soll hinter dem Tübinger Stauwehr vielgestaltig werden. Das ist jetzt schon zu erkennen. FOTOS: WALDERICH

TÜBINGEN. Aus der Perspektive der Fische betrachtet war der Neckar in Tübingen der Unistadt bisher ein eher bescheidenes Gewässer. Nach dem Tübinger Stauwehr floss er Richtung Kirchentellinsfurt eingezwängt in einem geraden Bett, gesäumt von zwei hohen Dämmen. Gezähmt durch Jahrhunderte lange Nutzung, bedrängt von menschlicher Besiedlung war der schwäbische Fluss schon zu Zeiten der Flößer ein wichtiger Transportweg geworden. Zumindest auf einem Stück von rund einem Kilometer wird der Neckar nun wieder befreit. Dietmar Enkel, Abteilungsleiter Umwelt des Regierungspräsidiums, kommt ins Schwärmen, wenn er das Vorhaben vorstellt. Von einem »wahren Leuchtturmprojekt« spricht Enkel, das sich Stadt und Land sieben Millionen Euro kosten lassen.

- Flussbett mit Kiesbänken

Der Bereich östlich des Stauwehrs lässt heute schon erahnen, wie der Neckar bis Ende des Jahres aussehen wird: Er hat dann Inseln und einen zweiten Arm bekommen, Kiesbänke, unterschiedliche Wassertiefen und Strömungsverhältnisse, eine natürliche Uferbefestigung, Schilf, Bäume und Wiesen am Rand. Eben alles, was einen natürlichen Fluss ausmacht. Der Neckar wird »entfesselt«, beschreibt es Norbert Menz vom zuständigen Umweltbüro. Dazu gehört auch, dass der Fluss immer wieder sein Bett verändert kann. Die Fische werden es dem Fluss danken. Viele Wasserbewohner sind auf unterschiedliche Wassertiefen und Temperaturen angewiesen, berichtet Udo Dubnitzki vom Landesfischereiverband.

Die Baumwurzeln werden für die Uferbefestigung wieder verwendet.
Die Baumwurzeln werden für die Uferbefestigung wieder verwendet. Foto: Irmgard Walderich
Die Baumwurzeln werden für die Uferbefestigung wieder verwendet.
Foto: Irmgard Walderich

- Natürliche Uferbefestigung

Um dem Neckar wieder ein Stück Freiheit zurückzugeben, sind derzeit mächtige Bauarbeiten im Gange. Die künstliche Uferbefestigungen wurden samt und sonders herausgenommen, Gehölze mussten gefällt werden, große Bäume wurden entweder geschützt oder aufwendig versetzt. Was dort alles bewegt wurde, lässt sich an den Bergen von Wurzeln und Steinen erahnen, die derzeit die Baustelle säumen. Alles, was dort liegt, wird wiederverwendet. Damit soll das Ufer künftig befestigt werden. Holzfächer aus Eichenstämmen sind geplant. Lebendes Weidenmaterial wird eingesetzt. Lebensräume für Fische, Aale und Krebse. Auch die bis zu sechs Tonnen schwere Steine wandern wieder ins Gewässer.

- Hirschkäfer und Eisvogel

Die Mitarbeiter des Tübinger Umweltplanungsbüro Menz haben zuvor das Gebiet ausführlich nach schützenswerten Bewohnern untersucht. Und sie wurden manchmal an den ungewöhnlichsten Stellen fündig. In den Palisaden eines ehemaligen Sandkastens wurden Hirschkäferlarven gefunden, berichtet Menz. Die alten Hölzer haben deshalb die Mitarbeiter vorsichtig am Rand zu einem sogenannten »Hirschkäfermeiler« aufgeschichtet. Nach dem Nest des Eisvogels suchten die Biologen allerdings lange. Der schöne schillernd bunte Vogel bejagt das Gewässer. Genistet hat er allerdings erst, als die Gasleitung gebaut wurde, erzählt Menz. Da hatte er eine Erdwand nach seinem Geschmack gefunden. Für die Feldermäuse wurden rund 40 Kästen als Ersatzquartier aufgehängt. Damit soll der kurzfristige Verlust an Bäumen im Zuge der Bauarbeiten ausgeglichen werden.

Dietmar Klopfer vom Regierungspräsidium Tübingen zeigt die künftige Ansicht.
Dietmar Klopfer vom Regierungspräsidium Tübingen zeigt die künftige Ansicht. Foto: Irmgard Walderich
Dietmar Klopfer vom Regierungspräsidium Tübingen zeigt die künftige Ansicht.
Foto: Irmgard Walderich

- Paradies für Tiere

Der entfesselte Neckar mit seinem Ufern soll künftig ein kleines Paradies für Fische, Wirbellose, Fledermäuse und Vögel werden. Damit das funktioniert, wurde auch der Landesfischereiverband mit einbezogen. Den Mann vom Verband hat das besonders gefreut. Er ist deshalb regelmäßig auf der Baustelle anzutreffen. Der Bitterling und die gemeine Entenmuschel könnten sich ansiedeln, hofft er. Dubnitzki freut sich aber auch über die kleinen Lebewesen, wie Fliegen- und Insektenlarven.

- Naturnaher Landschaftspark

Wohl fühlen sollen sich nicht nur Tiere, sondern auch die Menschen. Das Gebiet am Neckar ist als naturnaher Landschaftspark mit möglichst vielen Bäumen geplant. Es soll ein Naherholungsgebiet für die gesamte Stadt werden, sagt Andreas Vögele von der Fachabteilung Stadtplanung. Vor allem das Güterbahnhofsviertel könnte davon profitieren. Spätestens dann, wenn es den neuen Tunnel für Radfahrer unter den Bahngleisen hindurch gibt. Für die Besucher ist ein unversiegelter Spazierweg vorgesehen. Es wird ein naturnaher Spielplatz mit vorhandenen Materialien wie beispielsweise Baumwurzeln gebaut. Wege ans Wasser sind geplant, Trockenmauern und Wiesen mit unterschiedlichen Pflegestufen. Der Radverkehr wird künftig über die Gartenstraße geführt.

- Hochwasserschutz

An der rechten Flussseite schützt eine 935 Meter lange und 1 bis 1,2 Meter hohe Mauer das Gewerbegebiet an der Bismarckstraße vor Hochwasser. Rund die Hälfte davon ist schon gebaut. Bis Oktober soll sie vollständig fertig sein. Entlang der Mauer gibt es einen zwei Meter breiten Begleitweg der immer mal wieder mithilfe von Dammbalken die Mauer quert. Ein Hochwasserdamm zu bauen, hätte deutlich mehr Gelände verbraucht. Auch die Gartenstraße links soll künftig mit einer vergleichbaren Mauer vor Hochwasser geschützt werden. (GEA)