MÖSSINGEN. Bass erstaunt zeigte sich die Klasse 5a der Friedrich-List-Gemeinschaftsschule Mössingen beim Besuch von Francis Ssentumbwe und seinen beiden Kindern Adrian (7) und Rachal (10) aus Uganda. Zeitweise hätte man sogar eine Stecknadel fallen hören können, so still war es im Klassenzimmer beim Bericht des weit gereisten Besuchs über die Unterschiede im Schulalltag. Beim diesjährigen Christkindlesmarkt-Markt hatte sich die Klasse 5a mit ihren Klassenlehrerinnen Bettina Rahn und Britta Schreiber darum bemüht, Spielsachen für die neu gegründete ugandische Schule Zinunula (zu deutsch: die Kümmerer) in Bukulula zu sammeln, am letzten Schultag schließlich konnten drei Päckchen übergeben werden.
Kollegin Ursula Heinemann, Mitbegründerin des Vereins Zinunula, die sich um finanzielle Unterstützung und den Aufbau der Schule engagiert, kam mit dem Besuch aus Uganda vorbei und animierte die Schülerinnen und Schüler, ihre Englischkenntnisse anzuwenden. Und prompt hagelte es viele Fragen, die einiges an Vokabular erforderten, sodass ein Schüler seinem Sitznachbar zuflüsterte: »Jetzt weiß ich, warum wir andauernd neue Wörter auf Englisch lernen müssen.«
152 Kinder in einer Klasse
Die deutschen Schüler trauten kaum ihren Ohren, als sie hörten, dass in Rachels Schulkasse 152 Kinder miteinander lernten. »Die armen Lehrer!«, rief eine Schülerin spontan, »Was machen die nur, wenn die nicht alle still sind?!« – Dies sei kein Problem, erklärten die beiden ugandischen Kinder: Wer nicht still sein könne, müsse zehn Minuten auf dem Boden knien, und zeigten sogleich, wie das aussehe; wenn dies nicht helfe, bekomme man schon mal ein paar Schläge, aber das käme sehr selten vor. Schnell war das Eis gebrochen und die Pause verbrachten die Schüler fußballspielend im Pausenhof mit Adrian und die Mädchen testeten ihre Englischkenntnisse, indem sie mit Rachel sprachen.
Immer noch beschämt
Noch bis zum Ende der Ferien bleibt Francis Ssentumbwe bei Ursula Heinemann in Kusterdingen, seine Kinder Rachel und Adrian bleiben noch bis Ende Januar, da die »großen Ferien« in Uganda von Anfang Dezember bis Ende Januar dauern. Der ugandische Lehrer lernte Heinemann über ihren gemeinsamen Beruf kennen: Ab 2008 startete die damalige Schulleiterin einer Tübinger Realschule die Partnerschaft mit einer Secundary School in Uganda an der Ssentumbwe Konrektor war. Nicht nur beruflich waren beide auf einer Wellenlänge, und so entwickelte sich schnell eine Freundschaft. Der heute 45-Jährige lebte beinahe neun Jahre in Deutschland und studierte internationales Bildungsmanagement auf Master in Ludwigsburg. In Deutschland lernte er auch einen anderen Umgang mit behinderten Kindern und Erwachsenen im Gegensatz zu seiner Heimat kennen. Diese Erfahrungen wollte er in Uganda unbedingt weitergeben.
Ein Kindheitserlebnis prägt ihn nämlich bis heute, wie er der Klasse 5a berichtete: »Als ich klein war, lebte ein behindertes Kind bei uns im Dorf, es konnte nicht laufen und sprechen und war in einem kleinen Stall mit Gittern untergebracht, abseits von der Familie. Als Kinder haben wir es auf unserem Heimweg von der Schule mit Steinen beworfen und hatten unseren Spaß, wenn das Kind schrie.« Jetzt, als erwachsener Mann, ist er beschämt über sein damaliges Verhalten, das aber immer noch für einige Ugander Normalität bedeute, da behinderte Menschen dort oftmals versteckt werden und keine menschenwürdige Behandlung, geschweige denn adäquate Förderung bekommen. »Das muss sich ändern!« – beschloss Ssentumbwe und setzte alles daran, eine Schule in seiner Heimatstadt zu bauen, die Behinderte mit Nichtbehinderten zusammenbrachte.
Seit Oktober 2020 kümmerte er sich in Bukulula um den Bau einer Schule, die der 2016 von Ursula Heinemann gegründete Verein Zinunula finanziell unterstützt.
Viele Bilder online
Mit zahlreichen Spenden und Unterstützung mittels Fördermittel des Bundesministeriums für Entwicklungszusammenarbeit (BMEZ) war es dann so weit. Die Eröffnung der integrativen Schule Zinunula fand im August 2023 statt und beinahe alles klappte wie am Schnürchen: Nach einem gehörigen tropischen Regenguss durchschnitt eine deutsche Delegation – auch Ursula Heinemann war dabei – das feierliche Band zur Eröffnung und seither floriert die Schule. Im September-Newsletter sind fröhliche Kinder auf zahlreichen Bildern zu sehen, den jeder auf zinunula.org abonnieren kann. (GEA)
AUF SPENDEN ANGEWIESEN
Finanzmittel kommen vom Bundesministerium für Entwicklungszusammenarbeit (BMEZ) sowie aus Spenden. Als Nächstes steht der Bau eines inklusiven Kindergartens an. »Der Verein muss mindestens 45.000 Euro Eigenmittel aufbringen, um Fördermittel für den Bau des Kindergartens zu erhalten«, so Ursula Heinemann, deren Bruder Professor Michael Heinemann ebenfalls Vorsitzender des Vereins ist. Auch für die Ausstattung benötigt der gemeinnützige Kusterdinger Verein noch finanzielle Mittel. (och)