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Fünf-Meter-Gigant wacht jetzt im Schloss Hohentübingen

Der kolossale »Kouros von Samos« wurde vor 2500 Jahren aus Marmor gefertigt. Ein Gipsabguss des Originals steht jetzt in der Tübinger Universitätssammlung.

Koloss aus Gips: Die Statue eines Jünglings, von Archäologen in den 1980er Jahren auf der Insel Samos ausgruben. Die Nachbildung
Koloss aus Gips: Die Statue eines Jünglings, von Archäologen in den 1980er Jahren auf der Insel Samos ausgruben. Die Nachbildung steht seit Kurzem im Rittersaal auf Schloss Hohentübingen. Foto: Conzelmann
Koloss aus Gips: Die Statue eines Jünglings, von Archäologen in den 1980er Jahren auf der Insel Samos ausgruben. Die Nachbildung steht seit Kurzem im Rittersaal auf Schloss Hohentübingen.
Foto: Conzelmann

TÜBINGEN. Was für ein Anblick: Beim Eintritt in den Rittersaal trifft der Besucher auf eine riesige Jünglingsstatue (griechisch: kouros), für deren Original ein Museum in Griechenland extra umgebaut werden musste. Deutsche Ausgräber fanden den Koloss in den 1980er Jahren auf der Insel Samos. Er misst stolze 4,85 Meter. Der Tübinger Gipsabdruck wiegt 300 Kilogramm.

Das Original datieren Archäologen in die Zeit um 600 bis 580 vor Christus, also in die Frühzeit der griechischen Antike. Sie ordnen den Neuzugang folgendermaßen ein: »Die Bedeutung der Figur liegt nur zum Teil in ihren aufsehenerregenden Dimensionen.« Vor allem sei sie ein wichtiges Zeugnis für die visuelle Kultur des frühen Griechenlands und das Selbstverständnis seiner Eliten. Deshalb sei der Gipsabguss am Übergang zur ägyptischen Abteilung des Museums Alte Kulturen platziert und bilde zugleich das Entrée der Abguss-Sammlung.

»Die Bedeutung der Figur liegt nur zum Teil in ihren aufsehenerregenden Dimensionen«

Diese Sammlung, die das Institut für Klassische Archäologie seit Beginn des 19. Jahrhunderts in Tübingen aufbaute, zählt 370 Objekte. Zu sehen sind Abgüsse berühmter, zumeist lebensgroßer Statuen aus europäischen Museen sowie Reliefs und Architekturfragmenten aus der Antike bis in die römische Kaiserzeit.

Zu den ältesten Gipsen der Sammlung gehört ein Abguss der 1506 in Rom gefundenen Laokoon-Gruppe, deren Marmor-Original heute im Vatikan steht. Beeindruckende Abgüsse stellen auch der Apoll von Belvedere, die Diana von Versailles, der Diskuswerfer von Myron, der Herkules Farnese und die Nike von Samothrake dar.

Fünffach vergrößert: eine weitere riesenhafte Skulptur, die den Besucher im Schlosshof empfängt. Sie ist allerdings kein Gussabd
Fünffach vergrößert: eine weitere riesenhafte Skulptur, die den Besucher im Schlosshof empfängt. Sie ist allerdings kein Gussabdruck, sondern das Kunstwerk zeitgenössischer Bildhauer. Foto: Conzelmann
Fünffach vergrößert: eine weitere riesenhafte Skulptur, die den Besucher im Schlosshof empfängt. Sie ist allerdings kein Gussabdruck, sondern das Kunstwerk zeitgenössischer Bildhauer.
Foto: Conzelmann

Dem Besucher fällt beim Eintritt in den Schlosshof eine weitere Skulptur ins Auge, die riesenhaft erscheint: der Kopf des Kaisers Augustus aus weißem Carrara-Marmor. Mit einer Höhe von 1,73 Metern und einer Breite von 1,17 Metern hat er ein Gewicht von 5 Tonnen. Geschaffen wurde der Monumental-Schädel 1990 bis 1992 von den Steinhauern Michael Pfanner und Hartmut Schmid. Dabei handelt es sich um eine Kopie des Originals, allerdings in fünffacher Vergrößerung. Es sei »ein Paradebeispiel einer Antikenrezeption, die auf dem schmalen Grat zwischen Rekonstruktion und Täuschung« angesiedelt sei, heißt es in der Beschreibung der Museumsverwaltung.

Das Museum Alte Kulturen auf Schloss Hohentübingen hält übrigens einen Weltrekord-Eintrag im Guinness-Buch der Rekorde: Neben den 40.000 Jahre alten und somit ältesten figürlichen Kunstwerken des Menschen überhaupt, den ältesten Musikinstrumenten und Belegen für Religiosität, sind hier Ausgrabungen zum Welterbe Feuchtbodensiedlungen – den Pfahlbauten – und das älteste Riesenfass der Welt aus dem Jahr 1549 zu sehen. Zu besichtigen ist auch der berühmte »Tübinger Waffenläufer« und die 4.500 Jahre alte Opferkammer des Seschemnefer III. aus Gizeh. Damit sei sie »eine der herausragendsten und umfangreichsten Universitätssammlungen zur klassischen Archäologie«. (GEA)