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Aktuell Qualzucht

Fälle in Tübingen: Wenn Zuchttieren Merkmale zum Verhängnis werden

Mehrere Haustierarten leiden aufgrund von genetisch bedingten Merkmalen an Atemnot oder Arthrose. Woran das liegt und wie viele Fälle es in Tübingen gibt.

Die Knickohren der Scottish Fold Katze sehen zwar herzlich aus, führen aber zu Knorpelschäden.
Die Knickohren der Scottish Fold Katze sehen zwar herzig aus, führen aber zu Knorpelschäden. Foto: Christophe Gateau/dpa/dpa
Die Knickohren der Scottish Fold Katze sehen zwar herzig aus, führen aber zu Knorpelschäden.
Foto: Christophe Gateau/dpa/dpa

TÜBINGEN. Die kleine Schnauze des Cavalier King Charles Spaniel, kurze Dackelbeine oder die Knickohren der Scottish Fold Katze: Häufig suchen Menschen nach Haustieren mit den vermeintlich niedlichen Merkmalen und greifen dabei auf Hobbyzüchter oder Käufe aus dem Internet zurück. Dass diese zuchtbedingten Defekte mit großen Schmerzen für die Tiere verbunden sind, scheinen viele nicht zu wissen. In diesen Fällen sprechen Fachleute von Qualzucht. »Ein unterrepräsentiertes Thema«, meint die stellvertretende Landestierschutzbeauftragte Dr. Mariana Peer im Rahmen der Veranstaltung »Freie Schnauze - Erkenne Qualzucht« im Stadtteiltreff Waldhäuser-Ost am vergangenen Dienstag.

»Viele Leute züchten ohne Rücksicht auf die Gesundheit nach optischen Merkmalen«, berichtet Peer. Vor allem Hunde und Katzen sind häufig betroffen. Bei Möpsen oder dem Cavalier King Charles Spaniel hat sich der Schädel in den vergangenen Jahren immer weiter verkleinert. Was süß aussieht, ist für die Tiere mit verengten Luftröhren und kaum Freiraum für das Kleinhirn und die Augen verbunden. Die Hunde leiden dadurch an Atemnot und sind zum Teil extrem schmerzempfindlich - bei Möpsen besteht das Risiko, dass ihnen die Augäpfel rausfallen. Dabei ist das Züchten dieser Tiere eigentlich verboten, sobald eine Gefahr für genetisch bedingte Defekte bei den Nachkommen besteht. »Die Hobbyzüchter fliegen aber meistens unter dem Radar der Veterinärämter«, erzählt Peer.

Jährlich drei bis vier Fälle in Tübingen

Auf Nachfrage des GEA gibt das Tübinger Veterinäramt an, dass es im Landkreis jährlich zu drei bis vier bekannten Fällen von Qualzucht komme. Meist handle es sich um Scottish Fold Katzen, deren Ohren aufgrund von Knorpelschäden nach unten kippen. Bei der Kurzhaarkatze sind häufig nicht nur die Ohren, sondern auch die Gelenke an den Beinen betroffen, wodurch sie im hohen Alter oft an Arthrose leiden. Einen Großteil der Vorfälle finden die Veterinäre im Internet: Verkäufern wird dann die Zucht untersagt und die Tiere werden kastriert. Das gelte auch für die verkauften Welpen. »Den Züchtern wird ein Bußgeld erteilt und bei starken Schmerzen für die Tiere kann es auch zu einer Strafanzeige kommen«, erklärt eine Sprecherin des Veterinäramts.

Im Tübinger Tierheim gab es im letzten halben Jahr keine Tiere mit Merkmalen von Qualzucht, berichtet Zerbst Hieronymus, Leiter des Tierheims. »Erfahrungsgemäß versuchen Leute, die Tiere privat zu verkaufen, da sie beim Züchter hohe Summen gezahlt haben.« Sollte ein Haustier mit zuchtbedingten Schmerzen in das Heim kommen, wird es kastriert. »Dann bekommen Interessenten alles Wichtige erklärt, damit sie auf die Folgen vorbereitet sind. Bei vielen Tieren macht sich das nämlich erst im Alter bemerkbar«, so Hieronymus.

Tübinger Tierschutzverein-Vorsitzende Anne Kreim (links) und die stellvertretende Landestierschutzbeauftragte Dr. Mariana Peer.
Tübinger Tierschutzverein-Vorsitzende Anne Kreim (links) und die stellvertretende Landestierschutzbeauftragte Dr. Mariana Peer. Foto: Emanuel Chatzis
Tübinger Tierschutzverein-Vorsitzende Anne Kreim (links) und die stellvertretende Landestierschutzbeauftragte Dr. Mariana Peer.
Foto: Emanuel Chatzis

Was kann man also gegen Qualzucht tun? »Die Nachfrage bestimmt nun mal das Angebot«, sagt Mariana Peer. Käufer sollen sich bei der Haustierwahl gegen betroffene Tiere entscheiden oder sie aus dem Tierheim abholen. Wer einen Fall von Qualzucht entdeckt, soll sich beim Veterinäramt melden. »Dabei geht es aber nicht darum, diese Tiere abzuschaffen, sondern sie gesund zu halten«, so die Tierschutzbeauftragte. Bei Hunden wie der französischen Bulldogge gibt es schon erste Rückzüchtungen, die den Tieren eine freiere Atmung ermöglichen. Mariana Peer hofft, dass dies in Zukunft auch für weitere Tierarten gilt. (GEA)