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Exzellenzcluster an der Uni Tübingen: Wie geht es weiter?

Die Eberhard-Karls-Universität möchte »Exzellenzuniversität« bleiben. Doch auch nach der Bestätigung von sechs Forschungsprojekten als sogenannte »Exzellenzcluster« ist dies nicht sicher. Und wie profitieren eigentlich die Studierenden?

Die Bautätigkeiten für die Uni Tübingen - im Bild der Neubau für die Empirische Bildungsforschung neben dem Hörsaalgebäude Kupfe
Die Bautätigkeiten für die Uni Tübingen - im Bild der Neubau für die Empirische Bildungsforschung neben dem Hörsaalgebäude Kupferbau - dürften sich in den kommenden Jahren fortsetzen: Für die erwarteten 600 weiteren Wissenschaftler rechnet Kanzler Andreas Rothfuß mit weiteren 10.000 Quadratmetern Platzbedarf. Foto: Alexander Thomys
Die Bautätigkeiten für die Uni Tübingen - im Bild der Neubau für die Empirische Bildungsforschung neben dem Hörsaalgebäude Kupferbau - dürften sich in den kommenden Jahren fortsetzen: Für die erwarteten 600 weiteren Wissenschaftler rechnet Kanzler Andreas Rothfuß mit weiteren 10.000 Quadratmetern Platzbedarf.
Foto: Alexander Thomys

TÜBINGEN. Der Jubel bei der Verkündung der Entscheidung durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft und den Wissenschaftsrat war groß. Doch wie geht es mit den drei Forschungsprojekten weiter, die nicht als Exzellenzcluster ausgewählt wurden? Was wird überhaupt in Tübingen »exzellent« erforscht? Und gibt es spürbare Auswirkungen der Forschung auf den Alltag? Ein Überblick.

Wie funktioniert die Exzellenzstrategie der deutschen Forschung?

Um die Spitzenforschung in Deutschland zu halten und wettbewerbsfähig zu machen, wurde von Bund und Ländern 2016 die Exzellenzstrategie vereinbart. Jährlich stehen damit 539 Millionen Euro der Forschung zur Verfügung, dreiviertel der Mittel stellt der Bund, den Rest die Länder. Der Löwenanteil der Förderung kommt den Forschungsprojekten in den künftig 70 »Exzellenzclustern« zugute, ein kleinerer Teil geht an die »Exzellenzuniversitäten«. Dieser Titel wird nach einem eigenen Wettbewerb vergeben, aktuell hält die Uni Tübingen dieses Prädikat. Um Exzellenzuniversität zu werden, muss eine Uni mindestens zwei Exzellenzcluster aufweisen. Die Universität Konstanz verliert daher diesen Titel zum Jahreswechsel, wenn die erste, siebenjährige Förderperiode ausläuft.

Bleibt Tübingen »Exzellenzuniversität«?

Mit den sechs Exzellenzclustern ab 2026 kann sich die Uni Tübingen wieder für diesen Titel bewerben. Die Vorarbeiten hierzu laufen bereits. »Daran wird nun zügig weitergearbeitet«, kündigte Rektorin Karla Pollmann an. Von der ganzheitlichen Betrachtung der Universität im Rahmen dieser Bewerbung würden alle profitieren. »Wir sind als Ganzes mehr als nur die Summe unserer Teile«, machte Pollmann deutlich. Neben der Forschung würden auch die Lehre und die Studierenden von besseren Bedingungen profitieren. Und es gibt mehr Geld: Zwölf Millionen Euro jährlich.

Was wird in den Exzellenzclustern erforscht?

Im Projekt »Kontrolle von Mikroorganismen zur Bekämpfung von Infektionen« geht es um die Entwicklung neuer Behandlungsansätze gegen multiresistente Keime. Während es immer mehr Antibiotikaresistenzen gebe und die Furcht vor einem »postantibiotischen Zeitalter« wachse, wenn Medikamente ihre Wirkung verlieren, arbeite die Universität an neuen Präventionsansätzen und Antibiotika. »Die Pharmaindustrie hält sich hier zurück. Die forschenden Universitäten stemmen sich hier gegen die drohende medizinische Katastrophe«, betonte Pollmann. Um die Gesundheit geht es auch im Projekt »Individualisierung von Tumortherapien durch molekulare Bildgebung und funktionelle Identifizierung therapeutischer Zielstrukturen«. Bereits in der ersten Förderphase seien hier in der Krebstherapie große Fortschritte erreicht worden. »Wir haben hier eine Kette geschaffen von der hochwertigen Grundlagenforschung bis hin zu ersten klinischen Behandlungsmethoden«, erklärte Pollmann. Nun würden klinische Studien die Forschung ergänzen.

Ein Alleinstellungsmerkmal habe Tübingen mit dem Exzellenzcluster »Maschinelles Lernen: Neue Perspektiven für die Wissenschaft«. Interdisziplinär würde hier an neuen Forschungsansätzen gearbeitet. »Wir haben hier in Tübingen eine phantastische, nahezu unvergleichliche Infrastruktur«, lobte Professorin Pollmann. Durch die erneute Exzellenzcluster-Auszeichnung könne nun auch eine weitere Professur geschaffen werden, die sich mit den ethischen Folgen von Künstlicher Intelligenz auseinandersetzen soll.

Das neu ausgewählte Projekt »Human Origins« schaut hingegen auf fünf Millionen Jahre menschlicher Entwicklung. Während lange Zeit die Theorie verfolgt wurde, dass sich der Homo Sapiens, der moderne Mensch, nur selten mit anderen Menschenarten kreuzte, deuten neue Forschungen auf genau dies hin. »Wir stehen vor einem Paradigmenwechsel in der Erforschung der menschlichen Evolution«, kündigte Pollmann an. Mit dem Klimawandel - und wie sich Pflanzen auf die Veränderungen ihrer Umwelt einstellen, beschäftigen sich die Projekte »Terrestrische Geo-Biosphären: Wechselwirkungen in einer Welt im Wandel« und »Robustheit pflanzlicher Systeme von Molekülen bis zu Ökosystemen«. Angesichts des Klimawandels würden hier Zukunftsfragen der Menschheit behandelt, so Rektorin Pollmann: »Diese Forschung wird entscheidend dazu beitragen, Ökosysteme zu erhalten und die Landwirtschaft zu sichern.«

Und die gescheiterten Bewerbungen?

Drei Forschungsprojekte, welche die Uni Tübingen einreichen konnte, wurden nicht als Exzellenzcluster ausgewählt. Bei den beteiligten Wissenschaftlern war bei der Verkündung auch die ein oder andere Träne sichtbar. Die Sorgen sind offenbar groß - welche Rektorin Pollmann zu zerstreuen versuchte. »Auch sie haben hochwertige Arbeit geleistet, die nicht vergebens sein wird«, versprach die Professorin und kündigte an, für diese Projekte nach Fördertöpfen zu suchen und die Forschung zu unterstützen: »Es wird Möglichkeiten geben, wenn auch unter schwierigeren Bedingungen.« Überhaupt hätten »Kleinigkeiten zum Scheitern geführt«, die dazugehörigen Gutachten der Exzellenzkomission würden analysiert werden. »Diese Innovationskraft wird uns nicht verloren gehen«, versprach Pollmann und betonte, die gesamte Universität mit all ihren Bereichen wertzuschätzen. »Die Disziplinen, die heute am Rande stehen, können schon morgen mit ihren Fragen im Zentrum des gesellschaftlichen Diskurses stehen.«

Wie geht es nun an der Uni weiter?

Pro Exzellenzcluster dürften rund 100 neue wissenschaftliche Stellen entstehen. Damit steigt die Zahl der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler von aktuell 5.500 auf 6.100 spürbar an. All diesen Mitarbeitern wolle man »langfristige Perspektiven« bieten. Gebäude und Verwaltung müssen ebenfalls mitwachsen, hier dürfte in den kommenden Jahren also einiges entstehen, auch aktuelle Uni-Liegenschaften modernisiert werden. Und nicht zuletzt blickte Pollmann auch in die Vereinigten Staaten, wo die Wissenschaft unter US-Präsident Donald Trump zunehmend unter Druck gerät. »Dort gibt es auch hochspannende Leute, die wir für die Uni Tübingen gewinnen wollen.« (GEA)