MÖSSINGEN. Wenn es die Stadt Mössingen geschickt anstellt, kann sie ihr Haushaltsdefizit von rund 2,7 Millionen Euro bis zum 5. Mai 2025 ausgleichen und auf Null kommen. Die Verkehrsbehörde müsste lediglich in der Albblickstraße eine mobile Radarmessanlage aufbauen und diese 115 Tage jeweils 12 Stunden lang in Betrieb halten.
Vorausgesetzt, die Verkehrsteilnehmer verhalten sich weiterhin so, wie in der vergangenen Woche. Denn am 7. Januar ist die Verbindungsstraße zwischen Belsen und Bästenhardt zur Einbahnstraße geworden. Sie darf seither nur noch in eine Richtung durchfahren werden – nämlich nach Norden, in Richtung Bästenhardt. Die Gegenrichtung ist seit vergangenem Dienstag mittels des runden, signalroten Verkehrszeichen 267 mit waagrechtem weißen Balken – Verbot der Einfahrt – für jeglichen Verkehr gesperrt worden.
Vierzig Falschfahrer pro Stunde
Beobachtungen der Anwohner an verschiedenen Tagen ergaben, dass im Durchschnitt 39 Autos, Kleintransporter und Zweiräder pro Stunde das Einfahrverbot Richtung Belsen ignorierten. Laut Bußgeldkatalog sind das pro Fahrt 50 Euro. Wird der erlaubte Gegenverkehr dabei auch noch gefährdet, was aufgrund der unübersichtlichen Stelle unter der Bahnbrücke in der Regel der Fall ist, kommen 30 Euro dazu. Kommt es durch den Falschfahrer zum Kontakt mit einem in vollem Recht auf der Fahrbahnmitte fahrenden entgegenkommenden Wagen, stehen 70 Euro Bußgeld an. Radfahrer dürfen und müssen auf dem angrenzenden Fußgängerweg in beide Richtungen fahren, andernfalls würden sie mit 20 Euro zur Kasse gebeten.
Unterm Strich würden sich die Bußgelder der bisherigen rund 470 Falschfahrer am Tag auf den eingangs erwähnten Betrag summieren. Man darf den Falschfahrern zugutehalten, dass diese radikale Änderung einer jahrzehntelangen Verkehrsführung gewöhnungsbedürftig ist, die Missachtung durch Unachtsamkeit erfolgt sein kann. Was natürlich nicht entschuldigen darf, ein Verkehrszeichen – in unserem Fall sogar zwei, links und rechts der Fahrbahn aufgestellte Schilder – zu übersehen.
Die Einrichtung der Einbahnstraße hängt – wie im GEA berichtet – mit der Sperrung der benachbarten Bahnunterführung am Ernwiesenstadion zusammen. Weil der Durchlass seit März 2024 gesperrt ist und auf unbestimmte Zeit blockiert bleibt, hatte sich der Verkehr in die enge Albblickstraße verlagert, vervielfacht und zur einer Hauptverbindungsstraße entwickelt. Die Anwohner in dieser Wohnstraße wandten sich an die Stadt, weil es laufend zu gefährlichen Situationen mit Fußgängern gekommen war.
Von Anwohnern angehaltene und angesprochene Falschfahrer reagierten unterschiedlich. Viele hatten die Schilder schlichtweg übersehen und gelobten Besserung. Von Bästenhardt aus gibt es künftig nur noch die Möglichkeit, die Strecken über den Belsener Bahnhaltepunkt oder unter dem Mössinger Bahnhofstunnel hindurch zu nehmen. Andere ignorierten die Schilder, weil sie kein Gefährdungspotenzial erkennen konnten. Ein Einfahrtverbotsschild war am Samstag sogar kurzzeitig umgeworfen worden. Stadträte bekamen letzte Woche bereits erboste Mails und Anrufe von Verkehrsteilnehmern, die kein Verständnis für die Entschärfung der Albblickstraße zeigen. Eine dritte Gruppe geht auf volles Risiko: »Wer will das denn kontrollieren?«.
Eingewöhnungsphase endet
In der Stadtverwaltung drücke man wegen der »Eingewöhnungsphase« momentan noch beide Augen zu, wurde Elisabeth Koller mitgeteilt, die hier mit ihrem Mann ein Zweirad-Geschäft betreibt.
Die »unechte Einbahnstraße« wurde am 7. Januar eingerichtet. Das bedeutet, dass zwar nur in eine Richtung eingefahren, aber in zwei Richtungen ausgefahren werden darf. In dem 160 Meter langen Abschnitt ist es Anwohnern und Kunden zudem erlaubt, zu wenden, in beide Fahrtrichtungen zu fahren, aber nur am rechten Fahrbahnrad zu parken. Diese Regelung wird zunächst anhand einer mehrwöchigen Testphase erprobt. (GEA)