TÜBINGEN. Die Stadt am Neckar hat Schlagzeilen mit Fahrradbrücken gemacht, jetzt kommt eine Museumsbrücke dazu: So verspielt wie die musealen Objekte im Auto- und Spielzeugmuseum »Boxenstop« soll der neue Ausstellungsraum in luftiger Höhe werden. Museumsmacher Rainer Klink und seine Frau Ute wollen eine zehn Meter breite Brücke über die Brunnenstraße spannen, um dort ihre Märklin-Sachen auszustellen, die sonst nur im Winter zu sehen sind. Prominentester Befürworter ist Oberbürgermeister Boris Palmer, weil das Museum Besucher in die Stadt bringt und weil es die Stadt nichts kostet. Das Millionen-Projekt wird von den Klinks eigenhändig gestemmt.
Wäre doch schade, wenn die Eisenbahnen im Depot verstauben. Was Rainer Klink dort lagert, ist in ihrer Fülle einzigartig. Einen Blick auf den Fundus konnten Besucher diesen Winter bei einer Sonderschau genießen. Neben zehn Modelleisenbahnen war eine hundert Jahre alte Achterbahn der Firma Carette ausgestellt. Dazu kommen mehrere hundert Lokomotiven und Wagen von der kleinsten Spurweite Z bis zu einer der größten in 3 Zoll. Um das live zu sehen, nehmen Liebhaber weite Strecken auf sich. Bisher verzeichnen die Klinks 30.000 Besucher im Jahr, mit der künftigen Dauerausstellung sollen es 50.000 sein.
Das Vorhaben stößt im Rathaus auf unterschiedliche Resonanz. Während Palmer das Boxenstop als Frequenzbringer und Gegenmittel für die sterbende Altstadt sieht, hat sein Baubürgermeister Cord Soehlke Bedenken. Denn in unmittelbarer Nähe betreiben die Stadtwerke ein Fernheizwerk, das für große Fahrzeuge erreichbar sein muss. Deshalb müsse die Brücke abbaubar sein. Kein Problem, sagt Klink. Sein Architekt habe bereits entsprechend vorgedacht und die Stahlkonstruktion flexibel geplant. Die Stadtwerke gaben unter diesen Bedingungen ebenfalls grünes Licht.
Rainer und Ute Klink sehen in der Erweiterung kaum Alternativen. Ihr Museum wächst und wächst, auch durch private Schenkungen von hohem Wert. Die Idee der Verwaltung, die Ausstellung an einem zweiten Ort zu realisieren, lehnen sie ab. Im Planungsausschuss verriet Klink, dass er auch ein Verkaufsangebot abgelehnt habe. Für ihn selbst hat der Standort familiäre Wurzeln. Die Großeltern betrieben dort seit 1922 den Omnibusbetriebshof. Er selbst war bis 1991 Ordnungsamtsleiter im Tübinger Rathaus und übernahm dann den Omnibusbetrieb Paul Schnaith von Onkel und Tante Heinrich und Miliana Schnaith. Seither sind die Klinks Omnibusunternehmer. 1992 kam KM-Reisen in Mössingen dazu, 2003 die Stadtbus Tuttlingen Klink GmbH. Heute hat die Firmengruppe Rainer Klink 250 Mitarbeiter.
Im Planungsausschuss der Stadt wurden die Bedenken eines »Gestaltungsbeirats« laut, dem unabhängige Architekten angehören und die den Gemeinderäten und die Verwaltung beraten sollen. Sie hatten sich das bestehende Gebäude und Klinks Museum zeigen lassen, waren nicht begeistert und rieten Klink, seine Sammlungen zu verkleinern und museumsdidaktisch zu verändern. So könne er auf bestehender Fläche Raum für die Eisenbahnen schaffen. Die Überbauung der Brunnenstraße und die damit einhergehende »Teil-Privatisierung des öffentlichen Raums« sah der Beirat kritisch und lehnte sie als unangemessen ab.
Baubürgermeister Soehlke erinnerte an die letzte Erweiterung des Boxenstops 2017, als er braurechtlich »an die äußersten Grenzen« gegangen sei. Für das neue Vorhaben müsste ein neuer Bebauungsplan gemacht werden, wofür im Rathaus das Personal fehle. Tatsächlich wuchs das Boxenstop kontinuierlich: Seit seiner Gründung 1985 entwickelte es sich auf einer Grundstücksfläche von 653 Quadratmetern in vier Etappen und dehnt sich auf 1.500 Quadratmetern über mehrere Stockwerken aus. Die Brücke würde weitere 120 Quadratmeter Ausstellungsfläche bringen.
Die Besucher kommen über die Dachterrasse. Um eine lichte Durchfahrtshöhe von 4,7 Metern zu erreichen, sind Stufen und ein Aufzug vorgesehen. Ähnliche Bauwerke über die Straße gibt es in Tübingen nicht. Vergleichbar sind lediglich die beiden Stege zur Anbindung des Parkhauses Zinser. Sie führen von A nach B, während die geplante Museumsbrücke auf der anderen Seite mit einer Nottreppe endet. »Straßenüberbauungen verändern die städtebaulich-räumliche Wirkung maßgeblich und teilen den Raum«, gibt Soehlke zu bedenken. Eine Orientierung im Stadtraum werde regelmäßig gestört, was zu andauernder Kritik beitrage.
Jetzt sind die Stadträte am Zug. Der Planungsausschuss konnte sich zu keiner Empfehlung durchringen und vertagte das Vorhaben. Dennoch sieht Rainer Klink gute Chancen. »Ich bin zuversichtlich, das Projekt in absehbarer Zeit realisieren zu können.« (GEA)