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Ehemaliger Tübinger Regierungspräsident Wicker lässt Karriere Revue passieren

Sein Amt als Tübinger Regierungspräsident war eines von mehreren: Auf Einladung von Birgit Walter, Chefin der Senioren-Union im Kreis Tübingen, ließ Hubert Wicker am Dienstag seine Karriere als Spitzenbeamter Revue passieren. Das dafür gebuchte Nebenzimmer des Ofterdinger Gasthofs Ochsen war mit über 30 Zuhörern voll.

Hubert Wicker, hier mit Birgit Walter, zu Gast bei der Senioren-Union in Ofterdingen.
Hubert Wicker, hier mit Birgit Walter, zu Gast bei der Senioren-Union in Ofterdingen. Foto: Foto: Michael Sturm
Hubert Wicker, hier mit Birgit Walter, zu Gast bei der Senioren-Union in Ofterdingen.
Foto: Foto: Michael Sturm

OFTERDINGEN. Hubert Wicker, der in Tübingen Jura studierte, blickt auf eine lange Karriere in Spitzenämtern zurück, unter anderem in den Landtagen von Baden-Württemberg und Sachsen sowie im Regierungsbezirk Tübingen, als dessen Präsident. Zudem übernahm er zahlreiche Ehrenämter. Am Dienstag beleuchtete er in Ofterdingen wesentliche Abschnitte seiner politischen Karriere.

1991 herrschte in Deutschland überwiegend Freude über die Wiedervereinigung. Der in Ebingen, heute Albstadt, geborene Wicker musste damals allerdings eine Niederlage verkraften: Er unterlag als Oberbürgermeisterkandidat in seiner Heimatstadt. Sein nächster Schritt: Staatssekretär und Amtschef im sächsischen Innenministerium.

Vom OB-Wahl-Verlierer ins sächsische Innenministerium

Die Erfahrung als Beamter hatte er längst: Zuvor war er sieben Jahre als Abteilungsleiter im Innenministerium von Baden-Württemberg tätig gewesen. Kurz nach dem Mauerfall hatte er sich in Dresden bereits als politischer Aufbauhelfer betätigt. Nun tat er das offiziell – an zweithöchster Stelle im Ministerium, unter den Ministern Peter-Michael Diestel, der auf Seiten der DDR den Einheitsvertrag mit verhandelt hatte, und dessen Nachfolger Heinz Eggert, der später »unter mysteriösen Umständen« sein Amt räumen musste.

Es gab keine gewachsenen Strukturen: »Als ich kam gab es 200 Mitarbeiter im Haus, die Hälfte der Sollstärke.« Innerhalb des Personals entstanden schnell Animositäten: »Manche hatten sich aus dem alten Apparat herüber gerettet. Andere waren im Widerstand gewesen. Beide Gruppen waren sich spinnefeind.« Dazu gab es die Beamten aus dem Westen, ebenfalls eine eigene Gruppe.

Keine gewachsenen Strukturen

Es gab weder Verfassungsgericht noch Rechnungshof. »Man musste bereit sein, Entscheidungen zu treffen«, so Wicker im Rückblick. Eine erste Reform betraf die Anzahl der Landkreise – sie wurden um die Hälfte reduziert, von 44 auf nunmehr 22. »Eine Zumutung für die Bürger«, gesteht Wicker. Die bis dahin verhasste Polizei bekam West-Uniformen verpasst. Dadurch stieg ihr Ansehen ein wenig. Es stieg allerdings auch die Kriminalitätsrate.

Die Wirtschaft des ostdeutschen Staats war am Boden. »1990 gab es einen einzigen Computer-Tomographen. Der stand in Wandlitz.« Dort, wo die Bonzen um Staatschef Erich Honecker lebten. Die DDR-Bürger hätten vor der Wende nichts gespart – weil sie es nicht konnten. Danach, so Wicker, hätte man viele ehemalige Betriebe nicht abwickeln dürfen. Denn dadurch verloren viele Menschen ihre Arbeitsplätze, gleichzeitig wurden etablierte Strukturen zerschlagen.

»Das verstehen Sie als Wessi nicht.«

Die Stimmung sei bereits 1996 umgeschlagen, ehe er zurück ins Ländle ging. Er habe sich anhören müssen: »Das verstehen Sie als Wessi nicht!« Heute sagt Wicker, sehen sich viele ehemalige DDR-Bürger als Verlierer, »obwohl es ihnen heute besser geht als damals.« Diese Einstellung habe sich auf die nachfolgenden Generationen übertragen. Ein Resultat sei, dass heute in den ostdeutschen Bundesländern Protestparteien gute Wahlergebnisse einfahren.

Soll man die AfD verbieten? »Das bringt nichts, außer Jahre mit der AfD in der Märtyrerrolle«, sagt Wicker. Man müsse diese Partei inhaltlich bekämpfen, in erster Linie die Zuwanderung in den Griff bekommen. Der aktuellen Politiker-Generation sagt Wicker, die müsse dem Volk sagen: »Wir müssen Euch was zumuten!« Wie in den Jahren 2007 bis 2009 als die Regierung unter Bundeskanzler Gerhard Schröder (»den ich nicht mehr schätze«) die Schuldenbremse einführte. Die gehöre allerdings reformiert, sagte Wicker.

CDU hängt noch der Machtverlust von 2011 nach

Zur eigenen Partei: Der unterschätzte Widerstand gegen Stuttgart 21, die Katastrophe in Fukushima und die Person des Spitzenkandidaten, der damalige CDU-Landeschef Stefan Mappus, hätten 2011 zum Machtverlust geführt: Wir hatten die meisten Stimmen. Aber niemand wollte mit uns koalieren."

In der kommenden Bundestagswahl drohe der Kreis Tübingen ohne Vertreter dazustehen, weil Überhangmandate wegfallen und die Kandidaten aller Parteien im Kreis eventuell auf den Landeslisten nicht hoch genug platziert sein könnten. »Es wird nicht einfach«, gab er den dreien mit, welche sich nach seiner Rede vor Ort als Bundestags-Kandidaten präsentierten: Christoph Naser, Jakob Schill und Martin Stadelmaier, stellen sich am 15. November zur Wahl. (GEA)