TÜBINGEN. Dass sich Christoph Naser während des Nominierungsparteitags der CDU in der Ofterdinger Burghof-Halle durchsetzte, verwunderte nicht: Als Kreisvorsitzender der CDU Tübingen baute er sich in den letzten Jahren eine Hausmacht auf. Das Ergebnis von 70,25 Prozent – das sind 229 der 308 Delegierten-Stimmen – war zwar deutlich. Seinem Herausforderer Martin Stadelmaier (93 Stimmen, 28,53 Prozent) gelang allerdings ein Achtungserfolg. Maximilian Jakob Schill (vier Stimmen) spielte keine Rolle.
»Wir haben einen spannenden Abend vor uns«, schickte Nicole Hoffmeister-Kraut zu Beginn voraus. Die baden-württembergische Wirtschaftsministerin gehörte am Freitagabend dem Wahl-Präsidium an. Als wichtigste Themen des Wahlkampfs nannte sie Migration und wirtschaftliche Entwicklung. Die CDU richtet sich neu aus, sie will wieder konservativer erscheinen, als in den Jahren unter Kanzlerin Angela Merkel.
Annette Widmann-Mauz verabschiedete sich unter Tränen
Unter dieser wurde Annette Widmann-Mauz Staatsministerin. Vier Legislaturperioden lang, nicht ganz 27 Jahre, vertrat sie den Wahlkreises Tübingen-Hechingen im Bundestag, zur nächsten Legislaturperiode tritt sie nicht mehr an. Gegen Ende ihrer Abschiedsrede rang sie mit den Tränen. Die Partei-Delegierten erhoben sich zu Standing Ovations für die scheidende Bundestagsabgeordnete.
Die drei Nachfolge-Kandidaten machten in ihren Bewerberreden deutlich, dass sie den konservativeren Kurs unter Parteichef Friedrich Merz mittragen wollen. Die Reihenfolge wurde von den Töchtern des Ofterdinger CDU-Vorsitzenden Simeon Handte ausgelost: Außenseiter Jakob Maximilian Schill begann. Nach ihm sprach Herausforderer Martin Stadelmaier, ehe Favorit Christoph Naser ans Rednerpult trat.
Martin Stadelmaier wollte »zurück in die Zukunft«
»Ich will zurück in die Zukunft, zurück in die Spur«, begann Martin Stadelmaier, der in Ofterdingen wohnt. Er geißelte Bürokratie, Regulierung und Dokumentationspflicht, die Menschen in Handwerk und Landwirtschaft ihre hauptsächlichen Aufgaben erschwere. Der Familienvater mit vier Kindern, Leiter der Rechtsabteilung des Stuttgarter Flughafens, präsentierte sich als bodenständiger, erfahrener Teamplayer, verwurzelt im Handwerk der Region.
Stadelmaiers Appell an die Partei, die Reihen geschlossen zu halten, bekam viel Beifall. Auf Nachfrage verortete er seine politischen Hauptinteressen in der Verkehrs- und Wirtschaftspolitik. Im Umgang mit der AfD sprach er sich gegen ein Verbot aus, das mache diese Partei nur stärker. Stattdessen müsse man diejenigen Wähler zurückgewinnen, welche »die AfD nicht in der DNA haben«. Durch seine sichere, überzeugende Rede dürfte Stadelmaier einige zuvor unentschlossene Delegierte für sich gewonnen haben.
Christoph Naser setzte auf Zuspitzung und deutliche Töne
Der Tübinger Vikar Christoph Naser, 2021 Zweitkandidat hinter Annette Widmann-Mauz, wusste um seine Favoritenrolle in dieser Nominierung. Naser verwies zunächst auf seine Erfolge im Kreis Tübingen – in seiner noch eher kurzen Ära als Kreisvorsitzender verzeichnete die CDU rund 2.000 Neueintritte. In seiner Rede setzte er stark auf Zuspitzung und deutliche Töne.
Drei Jahre Ampel, zwei Jahre Rezession und eine Krise der Migration, zählte Naser auf. Und: »Statt Kanzler-Führung haben wir Cannabis bekommen!« Für den Heimatschutz brauche es »Adenauer, West-Bindung, Europa und eine starke Bundeswehr«. Der Staat müsse einerseits Verantwortung für sich selbst übernehmen. Andererseits, Stichwort Regulierungen, sei der Staat nicht Herr über die Menschen, sondern ihr Diener.
Naser fordert harte Linie in Sache Migration
Besonders scharf wurde Nasers Ton als er die AfD (»Uns als Christen verbindet nichts mit dieser rechten Truppe!«) und das Thema Migration ansprach: Er forderte ein Flüchtlingskontingent, Schutz der europäischen Außengrenzen und konsequente Abschiebung ausländischer Straftäter.
Im Wahlkreis, so Naser, habe er die Exzellenzinitiative der Uni Tübingen sowie die Verkehrspolitik im Auge: Er wolle die B27 vierspurig ausbauen lassen. Die Vorbereitung auf den kurzen Wahlkampf sei angelaufen: »Ab morgen gehts los!« Als sein Sieg feststand (»dieses riesengroße Vertrauen rührt mich«) umarmte er seine Frau Prisca Scheffbuch, ehe Konkurrent Martin Stadelmaier gratulierte. Dann kündigte Christoph Naser einen Wahlkampf voller Fleiß und Demut an. (GEA)