MÖSSINGEN. »So schön wie hier kann es aussehen, wenn man restauriert«, sagt Holger Friesch. Am ehemaligen Ortsrand bei der Peter-und Paulskirche stehen mehrere Häuser aus dem 16. Jahrhundert. »In den 70er Jahren wollte man sie abreißen, für eine Friedhofsgarage. Heute hat diese Ecke einen Postkartencharakter«, sagt Friesch. Der Belsener war 20 Jahre lang Mitglied im Mössinger Denkmalverein. Dieser hat sich im Sommer aufgelöst. Nichtsdestotrotz schauen er und der ehemalige Vorsitzende Norbert Otto auf eine Zeit zurück, in der sie einiges erreicht haben. Der Denkmalverein wurde gegründet, um Schätze dieser Art zu erhalten. »Wir wollten ein Umdenken bewirken«, sagt Friesch.
Das Streibhaus in der Waibachstraße 26 aus dem Jahr 1616 hätte einer dieser Schätze sein können. Doch es ist nun schon längst Geschichte. Zehn Jahre lang hatte der Verein dafür gekämpft, es zu erhalten. »Deswegen hatten wir uns gegründet«, sagt Friesch. Tatkräftig haben die Mitglieder angepackt. Unter anderem hatten sie das Dach ausgeräumt. Das Gebäude wurde zum Logo des Denkmalvereins. »Unter Denkmalschutz fällt ein Gebäude, wenn es einen besonderen geschichtlichen Wert hat, oder es mit einer wichtigen Person aus der Ortsgeschichte verbunden ist«, erklärt Friesch. Aus »wirtschaftlichen Gründen« könne der Denkmalschutz aber auch aufgehoben werden. »Vielen Gebäuden sieht man von Außen durch den Putz und neue Fenster das Alter gar nicht mehr an«, gibt Friesch zu bedenken.
Andere Gebäude sind sichtbar in die Jahre gekommen. An der Ecke Mittelgasse / Lange Straße verfallen zwei Fachwerkhäuser hinter einer Absperrung. Eines davon ist das mit Abstand älteste Haus Mössingens. Es wird auf das Jahr 1432 datiert. »Das ist tragisch«, sagt Friesch. »Hier haben wir ein Notdach angebracht.« Derzeit gehören die Häuser der Stadt. »Denkmale sind ein Teil unserer Geschichte und Identifikation. Wir können jedoch aus finanziellen und personellen Gründen nicht alle erhalten. Unser Schwerpunkt liegt derzeit auf dem Pausa-Quartier. Es muss bei Investitionen immer die Frage gestellt werden, was ist aktuell das Wichtigste für die Stadt«, sagt Mössingens Baubürgermeister Martin Gönner.
Die Stadt bietet unter anderem auch diese beiden denkmalgeschützten Gebäude zum Verkauf an. Privatpersonen könnten für die Sanierungen finanzielle Unterstützungen beantragen und Kosten steuerlich abschreiben. Ob sich für die Gebäude, die mehrere Jahrhunderte alt sind, noch mal ein Investor findet?
»Wir waren für viele die erste Anlaufstelle, wenn es darum ging, wie und ob ein Haus restauriert werden soll«, beschreibt Friesch die Hauptaufgabe seines Vereins. Einige alte Tagelöhnerhäuser seien modernisiert worden und hätten dennoch ihren Charakter bewahren können. Otto klagt darüber, dass allein in den vergangenen fünf Jahren viel »verschwunden« sei. »Man sieht an manchen Stellen im historischen Ortskern nicht mehr, ob wir hier in Mössingen oder Hamburg sind. Der dörfliche Charakter geht verloren.«
Über die Beratungstätigkeit hinaus, hatte der Verein neben Vorträgen und Stadtrundgängen auch Ausflüge in die Region angeboten. Die Themenbreite war sehr vielseitig, was man an den Zielen sehen kann, beispielsweise das Kloster Maulbronn oder das KZ Bisingen. »Es war eine große Bereicherung«, sagt Otto, der auch Vorsitzender des Mössinger Kulturvereins war. An der Mitgestaltung des historischen Stadtrundgangs war der Verein ebenfalls beteiligt.
Beim alten Kaufmannshaus, das Mitte des 19. Jahrhunderts erbaut wurde, konnte der Denkmalverein hingegen einen Erfolg verbuchen. »Das war auch ein Abrisskandidat, so hat es die Stadt gesehen«, erklärt Friesch. Der Denkmalverein fragte das Regierungspräsidium um eine Prüfung an. In dem Haus, in dem »noch die Auswanderer nach Amerika ihre Ausrüstung gekauft haben« leben heute mehrere Familien. (GEA)