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Der Gomaringer Zeittausch läuft erfolgreich an

Im Januar ist die Handelsbörse »Zeittausch« in Gomaringen offiziell an den Start gegangen. Dabei können kleine Hilfeleistungen gegen Zeiteinheiten getauscht werden. Der Handel in der Wiesaz-Gemeinde läuft zwar gut an, aber es ist noch Luft nach oben.

Bürgermeister Steffen Heß und Regina Stiehle-Braun präsentierten die erste Fortschritte des Gemeinde-Projekts »Zeittausch«.
Bürgermeister Steffen Heß und Regina Stiehle-Braun präsentierten die erste Fortschritte des Gemeinde-Projekts »Zeittausch«. Foto: Jette Heusel
Bürgermeister Steffen Heß und Regina Stiehle-Braun präsentierten die erste Fortschritte des Gemeinde-Projekts »Zeittausch«.
Foto: Jette Heusel

GOMARINGEN. Der Startschuss war im Januar. Vor bald drei Monaten ist die Gemeinde Gomaringen in die Tauschbörse »Zeittausch« eingestiegen, bei der - wie der Name schon vermuten lässt - mit Zeit anstelle von Geld gehandelt wird. Es ist die moderne Form der Nachbarschaftshilfe: Für kleine Gefälligkeiten im Haushalt, Garten oder Alltag verdienen die Mitglieder sogenannte Talente, mit denen sie widerrum andere Hilfen in Anspruch nehmen können. Ein Talent entspricht dabei rund zehn Minuten Arbeitsszeit. Gesammelt werden die Hilfsgesuche in einer Online-Datenbank, die über das Internet abrufbar ist. Kommuniziert wird über besagte Plattform. Dort laufen die Angebote zusammen und können dann von Hilfswilligen angenommen werden - alles selbstverständlich datenschutzkonform.

»Es ist ein Tausch im Ring«, stellt Regina Stiehle-Braun klar, die das Projekt federführend mit sieben Ehrenamtlichen organisiert. Das heißt: Es geht nicht um das Prinzip wie »eine Hand wäscht die andere«, sondern um ein Netzwerk, in dem jeder seine Talente ausgeben und verdienen kann, wie es gerade passt. Wenn Monika wegen ihres Urlaubs die Blumen nicht gießen kann, Nachbar Tom aber da ist, diese Aufgabe übernimmt und dafür Talente verdient, muss er diese nicht bei Monika einlösen. Er könnte damit auch Gertrud bezahlen, die fantastische Käsekuchen kredenzt und ihre Dienste dafür anbietet, und hätte eine angemessene Verköstigung für seine Gäste, die er am Wochenende erwartet.

Erstes Wunschziel: 50 Mitgliedschaften

Zugegeben: Das Beispiel ist fiktiv. Aber so in etwa funktioniert das System, bei dem mittlerweile knapp 25 Mitglieder mitmachen. Auch ganze Familien können sich anmelden und gemeinsam ihre Hilfe anbieten - weswegen es schwierig ist, genau zu sagen, wie viele Gomaringer bereits in den Zeittausch involviert sind. »Das erste Wunschziel wären aber um die 50 angemeldeten Mitglieder - inklusive Familien«, sagt Stiehle-Braun. Die positive Resonanz aus der Bevölkerung sei da, durch regelmäßige Termine und Treffen soll das Netzwerk langsam wachsen.

Denn beim Zeittausch geht es in erster Linie um Gemeinschaft. »Der Ort rückt durch solche Projekte zusammen«, erklärt Bürgermeister Steffen Heß. Durch die kleinen Alltagshilfen werden soziale Kontakte geknüpft und Freundschaften entstehen. »Es ist ein schönes Gefühl, gebraucht zu werden und anderen zu helfen.« Weshalb die Gemeinde das Projekt auch unterstütze. Die Organisatorin Stiehle-Braun ist über die im vergangenen Jahr geschaffene Gemeinwesenstelle mit 30 Prozent bei der Gomaringer Verwaltung beschäftigt - eine Position, die genau für solche Projekte gedacht ist.

Demografischer Wandel in Gomaringen

»Der Hintergrund für Projekte wie den Zeittausch ist auch, dass unsere Gesellschaft immer älter wird«, erklärt Bürgermeister Steffen Heß. Auch in Gomaringen gebe es Menschen, die nicht gut in der Nachbarschaft vernetzt seien oder keine Familie mehr hätten, die im Alltag aushelfen könne. »2017 hatten wir noch rund 1.700 Menschen über 65 Jahre, 2030 werden es laut Prognosen knapp 2.300 Menschen sein«, führt Heß weiter aus. Damit wäre bald ein Viertel der 9.300 Gomaringer im Seniorenalter - ein Zuwachs von 38 Prozent in den betrachteten 13 Jahren. (pru)

Da der Zeittausch den Ort näher zusammenbringen soll, ist es Stiehle-Braun wichtig, gewisse Regeln einzuhalten. »Es sollen zum Beispiel keine regelmäßigen Dienstleistungen wie Pflege- oder Fahrdienste angeboten werden«, stellt sie klar. Auch wolle man die Hilfen im kleinen Rahmen halten: Größere Handwerksleistungen, die ansonsten an einschlägige Betriebe vergeben werden würden, sind ebenso tabu wie ganze Hausrenovierungen oder anderweitige Dienstleistungen in dieser Größenordnung. »Auf gar keinen Fall soll eine Konkurrenz zu den Unternehmen entstehen.«

Und was tauschen die Gomaringer untereinander? »Das allererste Tauschgeschäft war das Schleppen von Blumenkübeln«, sagt Stiehle-Braun. Auch Gehwege wurden gefegt, Leute zum Flughafen gefahren, Hunde ausgeführt. »Ich persönlich habe schon meine Wäsche waschen lassen.« Für weitere Tauschhandel strickt sie Spüllappen aus Baumwolle. Die Zeit, die Stiehle-Braun in ihr Hobby investiert, rechnet sie nicht eins zu eins gegen, das wären viel zu viele Talente bei zeitaufwändigen Tätigkeiten wie dem Stricken. Stattdessen wird dann bei den Hilfeleistungen verhandelt. »Solange sich die Parteien einig sind, ist alles gut.«

Auftakt-Veranstaltung geplant

Zurzeit sind rund 30 Angebote und Gesuche in der Datenbank inseriert. Diese werden genau überwacht und bei Bedarf gelöscht - sollten diese nicht den Regeln entsprechen. Nur Mitglieder haben Zugriff auf das System. »Das Ganze funktioniert nur, wenn die Leute aktiv dabei sind«, erklärt Stiehle-Braun. Deshalb gibt es einen kleinen Schubs vom System: Monatlich wird eine kleine Gebühr von einem Talent fällig, das automatisch eingezogen wird. »So wird man ein wenig genötigt, sich zu beteiligen«, sagt Heß. Wichtig sei zudem auch, dass Gomaringen keine Gewährleistung für die Tauschgeschäfte übernehmen könne. »Der Tausch an sich ist privat. Das ist auch wichtig für etwaige Versicherungsfälle«, so Stiehle-Braun.

Gefördert und entstanden ist der Zeittausch aus dem Projekt Quartiersimpulse, einem Bürgerbeteiligungsprogramm, das vom Land Baden-Württemberg gestützt ist. Vorbild ist die Gemeinde Bondorf im Landkreis Böblingen: Hier ist die Tauschbörse bereits erprobt und wurde der Wiesaz-Gemeinde vor rund zweieinhalb Jahren vorgestellt, ehe sie im Januar an den Start ging. Um mehr Aufmerksamkeit für das Nachbarschafts-Projekt zu erregen, ist für Montag, 31. März, um 19 Uhr im Gomaringer Schloss eine offizielle Auftakt-Veranstaltung geplant. Für Interessierte liegen im Rathaus Info-Flyer aus, in denen das Konzept detailliert erklärt wird. (GEA)

www.gomaringen.de

info@zeittausch-gomaringen.de