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CDU-Abgeordnete Widmann-Mauz: Tübingen »ist der schönste Wahlkreis«

Die Tübinger CDU-Abgeordnete Annette Widmann-Mauz steht vor neuen Aufgaben. Was kommt nun?

Annette Widmann-Mauz, ehemalige Staatsministerin und Noch-Bundestags-Abgeordnete der CDU, hatte frühzeitig ihren Abschied angekü
Annette Widmann-Mauz, ehemalige Staatsministerin und Noch-Bundestags-Abgeordnete der CDU, hatte frühzeitig ihren Abschied angekündigt. Foto: STEFFEN SCHANZ
Annette Widmann-Mauz, ehemalige Staatsministerin und Noch-Bundestags-Abgeordnete der CDU, hatte frühzeitig ihren Abschied angekündigt.
Foto: STEFFEN SCHANZ

TÜBINGEN. Das Treffen der Abgeordneten mit dem GEA war lange ausgemacht und musste zweimal verschoben werden. Inzwischen ist die Ampel-Koalition zerbrochen. Im Februar soll's Neuwahlen geben. Über mehr als 25 Jahre im Politikbetrieb zu reden und über das, was nun in ihrem Leben kommen soll - und dabei die aktuellen Vorkommnisse weitgehend auszublenden - fällt Annette Widmann-Mauz schwer. Im Juli hatte die CDU-Abgeordnete erklärt, sie werde nicht wieder antreten. Vor wenigen Tagen wurde Christoph Naser, Vorsitzender des Kreisverbands und beim vorigen Mal noch ihr Wahlkampfleiter, als Kandidat im Wahlkreis Tübingen-Hechingen bestätigt.

Die 58-Jährige weiß: Ohne ihren frühzeitigen Verzicht wäre sie jetzt voll im Wahlkampfmodus. Foto-Shootings für Plakate und Flyer, die wichtigsten Aussagen für die Prospekte formulieren, die Kampagne planen. Stattdessen Vorbereitungen für die Übergabe. Unterlagen sichten. Was kann weg, was kommt ins Archiv der Konrad-Adenauer-Stiftung? Das Büro in der sechsten Etage des Abgeordnetenhauses soll nach der Wahl »besenrein« übergeben werden. Aber so ganz raus ist die Vorsitzende der Frauenunion natürlich nicht.

»Ich hatte meine Entscheidung schon vorher getroffen - Annette Widmann-Mauz«

»Es war keine spontane Entscheidung«, sagt die gebürtige Tübingerin. Der Entschluss sei über längere Zeit gereift. Auf der einen Seite ist da die Veränderung an der Parteispitze, auf der anderen der Kreisverband. »Der hat sich toll entwickelt«, findet sie. »Jetzt müssen die das weitertragen.«

»Zufrieden und mit etwas Stolz« blickt sie auf ihre mehr als 25 Jahre als Abgeordnete. Bei ihrer ersten Kandidatur 1998 hat sie nicht so richtig damit gerechnet, in den Bundestag einzuziehen. »Ich nicht, Anton Pfeifer schon.« Der war damals Staatsminister im Kanzleramt und enger Vertrauter von Bundeskanzler Helmut Kohl und behielt Recht. Weil CDU-Mann Claus-Dieter Grotz in Tübingen im Kampf um das Direktmandat gegen die spätere Justizministerin Herta Däubler-Gmelin (SPD) den Kürzeren zog, bekam die für Zollernalb–Sigmaringen angetretene Widmann-Mauz gleich doppelte Verantwortung. Als Neuling durfte sie sich für zwei Wahlkreise verantwortlich fühlen und sieht es heute als Glücksfall, Tübingen-Hechingen »adoptiert« zu haben. »Das ist der schönste Wahlkreis, das sag ich voller Überzeugung.«

"Der Politik-Betrieb ist rauer geworden" - Widmann-Mauz"

Nach der Reform des Wahlrechts ist es nicht mehr sicher, dass man mit den meisten Erststimmen direkt in den Bundestag einzieht. Widmann-Mauz hält mit ihrer Kritik daran nicht hinter dem Berg. Es sei schwierig, den Bürgern zu vermitteln, dass sie nach der Wahl womöglich gar keinen Ansprechpartner mehr in Berlin haben. Erst- und Zweitstimme zu splitten berge ein hohes Risiko. Sie selber hat bei allen weiteren Urnengängen das Direktmandat geholt und kam nur beim ersten Mal über die Landesliste. Doch die Wahlrechtsreform hat für sie keine Rolle gespielt. »Ich hatte meine Entscheidung schon vorher getroffen.«

»Der Politikbetrieb ist rauer geworden«, stellt die Abgeordnete rückblickend fest. Zu oft werde die sachlich-fachliche Auseinandersetzung vernachlässigt. Stattdessen dominierten nicht selten lautstark geäußerte »pauschale, einfache Antworten«, die in der Praxis nur noch mehr Probleme bereiten - »da ist die Enttäuschung danach groß.« Sie bevorzugt dagegen »handwerklich gute Politik«.

Kurze Besprechung: Widmann-Mauz 2021 mit Helfern in Ofterdingen. Diesmal wird ihr Name nicht mehr auf dem Wahlzettel stehen.
Kurze Besprechung: Widmann-Mauz 2021 mit Helfern in Ofterdingen. Diesmal wird ihr Name nicht mehr auf dem Wahlzettel stehen. Foto: Joachim Kreibich
Kurze Besprechung: Widmann-Mauz 2021 mit Helfern in Ofterdingen. Diesmal wird ihr Name nicht mehr auf dem Wahlzettel stehen.
Foto: Joachim Kreibich

Aber auch außerhalb der politischen Arena hat sich einiges verändert. Viele Mandatsträger in der Republik berichten von Bedrohungen, nicht nur im Netz. »Üble Beschimpfungen in Mails« waren auch für Widmann-Mauz kein Einzelfall. Noch schlimmer: »Ich bekam Patronenhülsen mit der Post und tote Mäuse«. Entsetzlich auch für die Mitarbeiter, die die Post öffnen und damit als Erste mit solchen Widerwärtigkeiten konfrontiert werden. In solch drastischen Fällen hat sie Anzeige erstattet.

Nach Angela Merkels Abschied und dem Gang in die Opposition ist die frühere Staatsministerin damit konfrontiert worden, dass »ihre« Themen Migration und Integration oder auch die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen in partei-internen Diskussionen selten viele Pluspunkte einbringen. Bei der Neuwahl des CDU-Präsidiums 2022 hat Widmann-Mauz ihr Ziel um wenige Stimmen verfehlt. Für sie selbst kam dies nicht überraschend. »Ich musste damit rechnen«, sagt sie heute. »Aber in dem Moment fühlt es sich natürlich alles andere als gut an.«

»Ich werde mich nicht aufs Sofa setzen - Widmann-Mauz«

Was nun kommt, will sie noch nicht verraten. »Es ist noch nicht spruchreif«, sagt sie. »Aber ich werde mich nicht aufs Sofa setzen.« Weil ihre Zeit als Abgeordnete früher endet als zunächst gedacht, bleiben ihr noch »ein paar Monate für was anderes«. Reisen etwa? Widmann-Mauz winkt ab: Als Mitglied des Auswärtigen Ausschusses hat sie sich in vielen Ländern an Ort und Stelle einen Eindruck verschafft: Namibia, Südafrika, Mali, Niger, Australien, Indien, aber auch Schweden - die Liste ließe fortsetzen. Aber der Bedarf an Reisen scheint gedeckt.

Ohnehin hat sie noch Aufgaben. Zum Beispiel in der Frauenunion, deren Bundesvorsitzende sie seit fast zehn Jahren ist. Dazu ist sie seit Langem im Stiftungsrat des jüdischen Museums in Berlin. Und seit Kurzem bei »Donum Vitae«. Wer sie von ihren Erfahrungen in der Politik erzählen hört, bekommt keineswegs den Eindruck, dass sie demnächst im Bundestag keine aktive Rolle mehr spielen wird. Immer wieder kommt sie dabei auch auf die Gesundheitspolitik - und man versteht, warum unter den Ärztlichen Direktoren am Uniklinikum lange die Auffassung herrschte, die Frau müsse einfach Gesundheitsministerin werden.

Stattdessen will sie sich jetzt um alles kümmern, »wozu ich sonst nicht gekommen bin«. Die Familie hat öfter mal zurückstecken müssen. Auf die Phase freut sie sich: »Das bedeutet ja auch Kraft tanken.« (GEA)