TÜBINGEN. Alle lieben das Boxenstop-Museum. Oder finden zumindest, dass die Unistadt sehr davon profitiert, weil es viele Besucher nach Tübingen lockt. Weniger groß ist unter den Gemeinderäten die Zustimmung zu den ungewöhnlichen Erweiterungsplänen. Eine große Mehrheit hat jetzt aber den von Inhaber Rainer Klink gewünschten Grundsatzbeschluss gefällt: Das notwendige Bebauungsplanverfahren kann starten.
OB Boris Palmer war eigens kurz nach 22 Uhr in den Ratssaal geeilt, um die Sitzungsleitung von Baubürgermeister Cord Soehlke zu übernehmen und seine Stimme abzugeben. Soehlke steht den Plänen zurückhaltend gegenüber. Palmer hingegen ist entschiedener Unterstützer und hat auf seine eigene Art Meinungsforschung betrieben. Seine Facebook-Follower seien mit großer Mehrheit dafür, dass das Boxenstop durch eine Brücke über die Brunnenstraße erweitert wird und so den Platz schafft für eine bessere Präsentation der Modell-Eisenbahnen, ließ er die Gemeinderäte wissen. »Ich will, dass es gebaut wird.«
Geschützte Orchideen entdeckt?
Bei den Stadtwerken mochte man sich nicht so recht festlegen. Ihr Kraftwerk befindet sich genau gegenüber des Museums. Die Nutzer der Brücke »purzeln« gewissermaßen über eine Wendeltreppe aufs Kraftwerksgelände. Ein Schwerlastkran müsse gegebenenfalls unter dem Bauwerk durchpassen, ließ die Chefetage verlauten. Dass man die Brücke bei Bedarf ab- und dann wieder aufmontieren kann, muss in einem Vertrag festgehalten werden, betonte Soehlke.
In der Sitzung wurde bekannt, dass jemand auf dem angrenzenden Gelände eine geschützte Orchideenart gesichtet zu haben glaubt. Der Baubürgermeister rechnet damit, dass man ein Artenschutz-Gutachten braucht und einen Umwelt-Bericht. Die Stadtverwaltung hält sich weitgehend raus aus dem Verfahren. Klink muss die Planer beauftragen.
Rund 30.000 Besucher im Jahr
Um sein Vorhaben zu erläutern, hatte der Museums-Inhaber die Gemeinderäte vor wenigen Tagen in die Brunnenstraße eingeladen. Anne Kreim (FDP) befand: »Der Ortstermin war nützlich - und alle waren sehr begeistert.« Anders als der Gestaltungsbeirat, der vor der ersten Beratung im Ausschuss Bedenken angemeldet hatte. OB Palmer hält ästhetische Einwände für übertrieben und merkte an: »Das Museum ist auch kein städtebauliches Wunderwerk.«
In der Diskussion wurde deutlich, dass Klinks Engagement allgemein auf viel Zustimmung trifft. Der Oldtimer-, Spielzeug- und Eisenbahn-Fan selbst gibt an, dass rund 30.000 Menschen im Jahr das Boxenstop besuchen. Mit der künftigen Dauer-Ausstellung sollen es 50.000 werden.
Florian Zarnetta (SPD) betonte, das Museum habe große Bedeutung für die Unistadt. »An dem Konstrukt scheiden sich allerdings die Geister.« Annette Schmidt (AL/Grüne) will keinen Präzedenzfall schaffen. Gitta Rosenkranz (Linke) stört sich daran, dass öffentlicher Raum für die Erweiterung genutzt wird. Tübinger Liste und CDU sehen die Erweiterung in luftiger Höhe uneingeschränkt positiv. Die Abstimmung fiel deutlich zugunsten der Brücken-Pläne aus. Palmers Stimme wäre nicht nötig gewesen. Er hätte also auch schon vor 22.30 Uhr Feierabend machen dürfen. (GEA)