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Aktuell Straßenbau

Bis zum Tübinger Schindhau-Tunnel dauert es noch lange

Die Diskussion um den Schindhaubasis-Tunnel nimmt in Tübingen weiter Fahrt auf. Bis die Entlastungsstraße kommt, werden aber noch rund 15 Jahre ins Land ziehen. Das Regierungspräsidium informierte über das Großprojekt.

Die Tunneleinfahrt aus Richtung Steinlachtal. Links der neuen Bundesstraße führt die Hechinger Straße Richtung Tübingen. Rot mar
Die Tunneleinfahrt aus Richtung Steinlachtal. Links der neuen Bundesstraße führt die Hechinger Straße Richtung Tübingen. Rot markiert an den Straßenrändern ist ein Fahrradweg. Foto: Visualisierung: Regierungspräsidium Tübingen
Die Tunneleinfahrt aus Richtung Steinlachtal. Links der neuen Bundesstraße führt die Hechinger Straße Richtung Tübingen. Rot markiert an den Straßenrändern ist ein Fahrradweg.
Foto: Visualisierung: Regierungspräsidium Tübingen

TÜBINGEN. Der Tunnel: Regierungspräsident Klaus Tappeser sieht den Schindhaubasistunnel als große Chance für Tübingen. Für einige Tübinger Gemeinderäte ist er dagegen ein aus der Zeit gefallenes klimaschädliches Straßenbaumonster. Auf einer Länge von 2,3 Kilometer soll er den Schindhau durchqueren. Zwei Tunnelröhren sind geplant mit jeweils zwei Spuren. Er verbindet die B 27 aus dem Steinlachtal kommend mit der B 28 Richtung Reutlingen und umgeht dabei die Stadt Tübingen. Damit entlastet er die Südstadt vom Durchgangsverkehr. Gleichzeitig ist er wichtiger Bestandteil des vierspurigen Ausbaus der B 27 zwischen Stuttgart und dem Zollernalbkreis. Mit seiner Verwirklichung soll es künftig staufrei vom Süden kommend an Tübingen vorbei Richtung Reutlingen und Stuttgart gehen.

Kosten: Die geschätzten Kosten gibt das Regierungspräsidium derzeit noch mit 338,3 Millionen Euro an. Das ist aber der Stand von 2019. Seitdem hat sich viel getan, die Baukosten sind nach oben geschnellt. So habe sich der Baupreisindex in den vergangenen fünf Jahren um 40 Prozent erhöht, sagt Michael Kittelberger, Leiter des Planungsreferates im Regierungspräsidium. Seine Antwort auf eine Frage aus dem Publikum, wer das alles bezahlen soll, in Anbetracht des Sanierungsstaus bei vielen Straßen und Brücken: »Das wüsste ich auch gerne.«

Verfahrensstand: Die Infoveranstaltung in der Hermann-Hepper-Halle kam auf Wunsch des Tübinger Gemeinderates zustande. »Wir hoffen, dass wir danach klüger sind«, sagt Oberbürgermeister Boris Palmer. Ergebnisoffen, wie es sich manche in Tübingen gewünscht haben, kann allerdings nicht mehr über dieses Straßenbauprojekt diskutiert werden. Dazu ist es schon zu weit fortgeschritten im Verfahren. Im Januar/Februar sollen die detaillierten Pläne ausgelegt werden. Danach gibt es drei Monate lang für alle Betroffenen Zeit, Einwände vorzubringen. »Diese werden alle bearbeitet«, sagt Kittelberger. Auch neue Gesetze und Richtlinien müssen eingearbeitet werden. Möglicherweise werden darüber hinaus neue Gutachten benötigt. Dann folgt ein Erörterungstermin. Bis es zum Planfeststellungsbeschluss kommt, ziehen auf alle Fälle noch einige Jahre ins Land. Grobe fünf Jahre habe das im Falle des geplanten Ausbaus zwischen Bodelshausen und Nehren gedauert, sagt Kittelberger. Bis zur Fertigstellung des Tunnels können gut und gerne noch 13 bis 15 Jahre ins Land ziehen.

Ausgang Nord des Schindhaubasistunnels. Rechts ist das französische Viertel zu sehen, direkt dahinter das Tunnelportal. Über ein
Ausgang Nord des Schindhaubasistunnels. Rechts ist das französische Viertel zu sehen, direkt dahinter das Tunnelportal. Über eine Brücke am Portal führt die B 28 nach Reutlingen. Sonnenkollektoren sollen den Tunnel mit Strom versorgen. Foto: Visualisierung: Regierungspräsidium Tübingen
Ausgang Nord des Schindhaubasistunnels. Rechts ist das französische Viertel zu sehen, direkt dahinter das Tunnelportal. Über eine Brücke am Portal führt die B 28 nach Reutlingen. Sonnenkollektoren sollen den Tunnel mit Strom versorgen.
Foto: Visualisierung: Regierungspräsidium Tübingen

Verkehrsprognosen: Kritiker des Projekts argumentieren, dass die Welt eine andere sein wird, wenn der Tunnel fertiggestellt ist. »Ich glaube das so nicht«, sagt Tappeser. Vor allem der Schwerlastverkehr werde weiter zunehmen, vermutet der Regierungspräsident. Auch das beauftragte Planungsbüro geht von einer weiteren Steigerung des Verkehrs aus. Zwar habe es in der Coronazeit einen kurzen Einbruch bei den Zahlen gegeben, aber seither gehe es wieder stetig bergauf, sagt Gunther Kesenheimer von der PTV Group. Das Planungsbüro rechnet bis 2035 mit einer Verkehrszunahme auf der B 27 zwischen drei und zehn Prozent auf insgesamt 46.300 Pkws. Aber schon jetzt sei der nicht ausgebaute Teil »permanent überlastet«, sagt Kesenheimer. Im Schindhaubasis-Tunnel erwarten die Planer über 36.500 Fahrzeuge. Deutlich entlastet wird dann die Ortsdurchfahrt Tübingen. Mit 9.000 Autos rechnet das Büro beispielsweise auf der Stuttgarter Straße, sobald der Tunnel verwirklicht ist. Das sind 20.000 Fahrzeugen weniger als ohne Tunnelbau. »Das zeigt, dass die Maßnahme wirkt.« Kritik gab es allerdings aus dem Publikum. In den Berechnungen sei der Verkehr nicht eingerechnet worden, den der Tunnelbau selbst auslöse, kritisierte eine junge Frau. Allein das mache drei bis fünf Prozent aus.

Lärm: Die Lärmbelastung verlagert sich durch den Tunnelbau an die Ein- und Ausgänge der Röhren. Fünf Meter hohe Schallschutzwänden planen die Straßenbauer am Französischen Viertel. Dort werde es dann künftig leiser für die Bewohner. Die Schwellenwerte von 70 Dezibel am Tag und 60 Dezibel in der Nacht werden nur an zwei Wohngebäuden erreicht.

Luftschadstoffe: Weniger gut sieht es für das Klima aus. Mit einem Anstieg der Treibhausgase um rund 4,5 Prozent ist nach Bau des Tunnels zu rechnen, sagt Ingenieur Torsten Nagel von der Lohmeyer GmbH. Auch sei eine »sehr hohe Belastung mit Luftschadstoffen am Tunnelportal« zu erwarten. Dazu kommt der CO²-Ausstoß aufgrund des Tunnel- und Straßenbaus. Alles in allem rechnet Nagel mit 1.843 Tonnen CO² im Jahr berechnet auf den Lebenszyklus der Straßen. Diese Zahl könnte sich noch verändern, wenn es gelänge, CO²-neutralen Beton herzustellen. Dann könnte auch OB Palmer dem Tunnelbau zustimmen.

Landschaftseingriff: Ein derartiges Straßenbauprojekt lässt sich nicht verwirklichen, ohne in die Landschaft einzugreifen. Landschaftsplaner Norbert Menz ist schon seit 2006 in das Projekt involviert. Vor allem am südlichen Ende des Tunnels seien Konflikte mit dem Landschaftsschutz zu erwarten. In den Waldrand Richtung Bläsibad wird deutlich eingegriffen. Damit wird der Lebensraum vor allem von Fledermäusen, darunter seltene Arten wie die Bechstein- und Nymphenfledermaus, zerschnitten. Außerdem werde der Bläsibach komplett überbaut, ein Erholungsraum verlärmt, eine Magerwiese und ein Großseggenried beeinträchtigt. Deutlich weniger Konflikte mit Natur- und Landschaftsschutz gibt es am nördlichen Ausgang. (GEA)