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Bauarbeiter in Mössingen offenbar um Lohn geprellt

Recherchen des TV-Magazins Report Mainz decken in Mössingen Betrugsfälle beim Glasfaserausbau auf.

Glasfaser-Ausbau in Mössingen: Offenbar hat man einigen ausländischen Arbeitern den Lohn nicht ausbezahlt. FOTO: MEYER
Glasfaser-Ausbau in Mössingen: Offenbar hat man einigen ausländischen Arbeitern den Lohn nicht ausbezahlt. FOTO: MEYER
Glasfaser-Ausbau in Mössingen: Offenbar hat man einigen ausländischen Arbeitern den Lohn nicht ausbezahlt. FOTO: MEYER

MÖSSINGEN/TÜBINGEN. Der Glasfaserbau in Deutschland läuft auf Hochtouren. Dass er nicht problemlos vonstattengeht, zeigen zahlreiche Beschwerden von Bürgern auch im Kreis Tübingen. Sowohl der Vertrieb an der Haustüre als auch die Handhabung der Baustellen sorgten zeitweise für massiven Unmut. Der GEA berichtete über willkürlich eingerichtete Baustellen und Verkehrsbehinderungen in Mössingen.

Nun soll es auch hinter den Kulissen nicht mit rechten Dingen zugehen. Das hat jetzt ein investigativ arbeitende TV-Magazinform aufgedeckt. Report Mainz prangert regelmäßig bundesweit Missstände in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft auf. Journalisten des Recherche-Teams haben jetzt herausgefunden, dass es beim Glasfaser-Ausbau zu krassen Missständen gekommen ist. Um dem Boom trotz Fachkräftemangels Herr zu werden, hat die Deutsche Glasfaser Subunternehmer eingesetzt, die Arbeitskräfte aus dem Ausland anwirbt. Offenbar haben einige der Bauarbeiter für ihre schwere Arbeit beim Straßen aufreißen und Kabel verlegen, keinen Lohn bekommen. Die Reporter haben mit 25 Arbeitern gesprochen, die im Sommer in Mössingen beim Glasfaserausbau beschäftigt waren und immer noch auf ihr volles Gehalt warten würden. Ihnen sei versprochen worden, dass sie einen ordentlichen Arbeitsvertrag bekämen und man sie kranken- und sozialversichern würde. Das sei aber nicht geschehen. Die Ausbeutung falle laut Report Mainz den Firmen leicht, da die Arbeitnehmer aus Drittstaaten außerhalb der EU kommen. Sie kennen ihre Rechte nicht, sind komplett vom Arbeitgeber abhängig und werden bei Beschwerden sofort des Landes verwiesen, weil ihr Aufenthaltsrecht an ihre Beschäftigung auf dem Bau gebunden ist. Die Intransparenz erschwere es den Zollbehörden, tätig zu werden.

Arbeiter aus Nicht-EU-Staaten

Drei Männer aus Serbien und Bosnien berichten, dass sie nach getaner Arbeit im Herbst in ihre Heimat zurückgekehrt sind. Vom versprochenen Lohn – zwölf Euro pro Stunde – sei aber nur ein Teil ausbezahlt worden. So fehlen den Männern jeweils noch rund 3.000 Euro vom zugesagten Verdienst. Viel Geld in ihrem Heimatland. Report Mainz hat die Deutsche Glasfaser mit den Vorwürfen konfrontiert. Die verweist – wie in der Baubranche üblich – auf die Zuständigkeit eines von ihr beauftragten Generalunternehmens. Das wiederum hat ein Nachunternehmen und dieses seinerseits ein Subunternehmen damit betraut, die Arbeiten vor Ort zu koordinieren und auszuführen. Laut Deutscher Glasfaser halte man sich »selbstverständlich an alle arbeitsrechtlichen Regelungen«. Eine Kollegin aus dem Bau-Partnermanagement habe im August 2023 die Baustelle in Mössingen kontrolliert, wurde Report Mainz mitgeteilt. »Im Gespräch mit verschiedenen Arbeitern wurden ihr keinerlei Beschwerden zu den Arbeitsbedingungen vorgebracht.« Hingegen hieß es von der Firma Kubus Projektbau, die gleichfalls in Mössingen am Glasfaserausbau beteiligt ist, »dass unsere Subunternehmen ihren Verpflichtungen nicht vollständig nachkamen«. Man könne, so zitiert Report Mainz den Unternehmenssprecher, »nicht vollständig kontrollieren, wie und ob seine Arbeitskräfte bezahlt werden.«

16-Stunden-Arbeitstag

Was den Bauarbeitern in Mössingen widerfahren ist, scheint kein Einzelfall zu sein. Die Journalisten Anna Stradinger und Daniel Hoh haben Dutzende weitere Vorfälle im Bundesgebiet dokumentiert. Die Palette reicht von Schwarzarbeit, über illegaler Beschäftigung und Lohnprellerei, 16-Stunden-Arbeitstage bis hin zu Menschenhandel.

Die Arbeitsweise der Bautrupps hatte in der Vergangenheit immer wieder zu Beschwerden aus der Bevölkerung geführt. Nicht nur in der Stadt, sondern auch in Ofterdingen, Nehren und auf den Härten. »Es gibt Klagen von Bürgern, die haben aber mittlerweile deutlich nachgelassen«, heißt es bei der Stadt Mössingen. Immerhin wurden die zahlreiche Stolperfallen auf Gehwegen und Straßen wie vereinbart, vor Weihnachten fertiggestellt. Claudia Jochen, die Vertreterin der »Linke im Steinlachtal«, fühlt sich bestätigt. Sie sagt, sie habe auf Gemeinderatsitzungen als einzige vor einer Kooperation der Stadt mit der privatwirtschaftlichen Deutschen Glasfaser gewarnt. »Diese wichtige Infrastrukturarbeiten müssen doch unter der Kontrolle der Kommune bleiben«, habe sie immer wieder gefordert. »Unser Nachbarort Bodelshausen hat richtig gehandelt und den Ausbau mit einem zu hundert Prozent kommunal getragenen Unternehmen, der Zollernalb-data GmbH und dem Zweckverband der oberschwäbischen Elektrizitätswerke, durchführen lassen.«

Ausbau zu einem Drittel fertig

Für das Infrastrukturprojekt hatte sich OB Michael Bulander im November 2021 in einem Schreiben an die Bürger stark gemacht, nachdem im Sommer ein Kooperationsvertrag abgeschlossen worden war. Die Glasfaser gilt als die aktuell beste Technologie, um den steigenden Datenbedarf meistern zu können. Bundesweit haben rund 35 Prozent der Haushalte Zugang zur Zukunftstechnologie. Marktführer ist die Telekom, mit acht Millionen Glasfaser-Anschlüssen in Deutschland.

In der Gesamtstadt Mössingen sind bislang erst rund dreißig Prozent der Tiefbauarbeiten abgeschlossen, beispielsweise in Belsen wurde noch gar nicht mit den Arbeiten begonnen. Die Geodesia Deutschland, einer der Baupartner, plane die Arbeiten Ende März fortzusetzen und bis Jahresende fertig zu sein – vorbehaltlich der Wetterlage. In Ofterdingen sieht es ähnlich aus, hier will man bis zur Jahresmitte 2025 mit den Tiefbauarbeiten abschließen. Ebenso in Gomaringen und Stockach, wo rund die Hälfte des Tiefbaus für das Netz abgeschlossen sei. (GEA)