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Aktuell Geschichte

Ausstellung »Ausgegraben! Ritter und Burgen im Echaztal« in Tübingen eröffnet

Seit einigen Jahren erforschen Historiker Dr. Michael Kienzle und sein Team die Burgruinen des ausgestorbenen Adelsgeschlechts der Greifensteiner am Alb-Nordrand. Mit fantastischen Ergebnissen, die im Tübinger Schloss gezeigt werden.

Dr. Michael Kienzle (links) und Dr. Jonathan Scheschkewitz (2. von links) regten seinerzeit das Forschungsprojekt an. Ein studen
Dr. Michael Kienzle (links) und Dr. Jonathan Scheschkewitz (2. von links) regten seinerzeit das Forschungsprojekt an. Ein studentisches Team baute die Ausstellung in Tübingen in nur vier Wochen auf. Foto: Gabriele Böhm
Dr. Michael Kienzle (links) und Dr. Jonathan Scheschkewitz (2. von links) regten seinerzeit das Forschungsprojekt an. Ein studentisches Team baute die Ausstellung in Tübingen in nur vier Wochen auf.
Foto: Gabriele Böhm

TÜBINGEN. Am Abend wurde in der restlos gefüllten Schlosskirche die Sonderausstellung »Ausgegraben! Ritter und Burgen im Echaztal« eröffnet. Sie ist bis zum 2. November auf dem Schloss Hohentübingen zu sehen und zeigt die Ergebnisse der Grabungen, die am Nordrand der Schwäbischen Alb in den Rudimenten der Burgen Stahleck und Burgstein sowie der Einsiedelei »Bruderhaus« durchgeführt wurden.

Dr. Michael Kienzle, Historiker und wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Ur- und Frühgeschichte und Archäologie des Mittelalters der Universität Tübingen, hatte seine Dissertation über die Burgen der Mittleren Alb verfasst und war dabei auf das Adelsgeschlecht der Greifensteiner gestoßen. »Es gab darüber nicht viel mehr als eine Sage, die sie als Raubritter brandmarkte«, so Kienzle. »Ich habe mich gefragt, was dahintersteckt.«

»Aus dem Gedächtnis ist das Adelsgeschlecht jedoch nie verschwunden«

Grabungen in den ehemaligen Greifenstein-Anlagen erbrachten Erkenntnisse über die Baugeschichte sowie sensationelle Funde und warfen ein neues Licht auf die Geschichte. 1187 wurde erstmals ein Berthold von Greifenstein genannt. Die Ritter waren in ihrer Blütezeit ein Machtfaktor am Albtrauf und deshalb der erstarkenden Reichsstadt Reutlingen ein Dorn im Auge. 1311 wurden die Greifensteiner und auch Lichtensteiner Burgen durch Reutlingen zerstört, was die Sage durch das angeblich schändliche Leben der Ritter zu rechtfertigen versucht. 1355 verkaufte Swigger von Greifenstein schließlich Burg und Herrschaft an Württemberg. »Aus dem Gedächtnis ist das Adelsgeschlecht jedoch nie verschwunden, und es gibt durchaus auch materielle Überreste«, so Kienzle in seinem Festvortrag der Vernissage. Glanzstück der Ausstellung sind die mittelalterlichen Spielsteine von der Ruine Burgstein, die auch in der Landesausstellung zu sehen waren.

Von Anfang an bezog Kienzle die örtliche Bevölkerung, allen voran den Geschichts- und Heimatverein Lichtenstein, mit ein und gewann so rasch einen beachtlichen Unterstützerkreis, der Grabungen und Auswertung mit Spannung verfolgte. Dies gipfelte 2024 in einer Präsentation der Ergebnisse im »Schlössle« in Pfullingen, eingebunden in ein »Living history-Event«, das anschaulich mittelalterliches Leben vermittelte und rund 5.000 Gäste anzog.

Die dortige Ausstellung ist nun auch in Tübingen zu sehen und zeigt Originalfunde, Rekonstruktionen, Infotafeln und großformatige, anschauliche Fotos, die beispielsweise die Erstürmung einer Burg verdeutlichen. Besucher begleiten in einem Hörspiel die kleine Otilia, Tochter des Schmids, durch ihren Alltag auf Burg Stahleck. Konzipiert wurde die Ausstellung von der Uni Tübingen, dem Landesamt für Denkmalpflege Baden-Württemberg und dem Sonderforschungsbereich RessourcenKulturen. Kienzle dankte dem Studententeam, das die Präsentation in Rekordzeit in Tübingen aufgebaut hatte.

»Die Grabungen gehen weiter«

Eine gut gepflegte Homepage informiert auch über aktuelle Entwicklungen des interdisziplinär ausgerichteten Greifenstein Forschungsprojekts der Universität Tübingen in Kooperation mit verschiedenen lokalen Partnern. Erst vor kurzem erhielt Kienzle den Wissenschaftskommunikationpreis der Uni. "Die Kunst der Vermittlung beherrscht Dr. Kienzle wie kaum ein anderer", betonte Prof. Dr. Sigrid Hirbodian, Leiterin des Instituts für Geschichtliche Landeskunde und Historische Hilfswissenschaften Tübingen bei der Vernissage. Im Rahmen der Forschungen fanden an der Uni Lehrgrabungen statt und wurden viele studentische Abschlussarbeiten verfasst. Vieles trat zutage, viele Fragen gilt es noch zu klären. »Die Grabungen gehen weiter«, versprach Kienzle. Es soll versucht werden, das Projekt ins "Burgenzentrum" zu integrieren, das am 30. Oktober 2025 an der Uni eröffnet wird.

Bei der Vernissage betonte nach der Begrüßung der Gäste durch Dr. Michael La Corte in Vertretung von Prof. Dr. Ernst Seidl, Direktor des Museums der Universität Tübingen, Prof. Dr. Claus Wolf, Präsident des Landesamtes für Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart, in seinem Grußwort die lange Tradition der Zusammenarbeit zwischen Denkmalpflege und Archäologie. »Seit 2020 gab es das Projekt zur Ressourcenforschung«, blickte er zurück. Als Dr. Kienzle und Dr. Jonathan Scheschkewitz das Projekt zur Erforschung der Greifensteiner in ihrem mittelalterlichen Kontext des 12. bis 14. Jahrhunderts anregten, habe dies in diesen Rahmen gepasst.

Am 6. und 7. September 2025 lädt die Uni ein zu einem »Tag der lebendigen Geschichte«, einer anschaulichen archäologischen Zeitreise von der Steinzeit über das Mittelalter bis in die Frühe Neuzeit mit den Aspekten Mode, Rüstungen, Handwerk oder Alltagsleben. (GEA)

www.greifenstein-projekt.de