TÜBINGEN. Er klaute Wodka und Grillgut in einem Tübinger Discounter. Als eine Mitarbeiterin des Marktes den Dieb stellte, bedrohte er sie mit einem Messer. Die 1. Große Strafkammer des Tübinger Landgerichts verurteilte am Freitag den 32-jährigen Tübinger, der schwer drogen- und alkoholabhängig ist, zu einer Haftstrafe von drei Jahren. Außerdem ordnete das Gericht die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt an.
Diebstähle in Lebensmittel- und Drogeriemärkten kommen in Tübingen öfters vor. Meist ist der Wert der Beute gering. Und normalerweise beschäftigt sich das Amtsgericht mit solchen Fällen. Auch in diesem Fall war das Diebesgut gerade einmal dreißig Euro wert.
Messer in der Bauchtasche
Den großen Unterschied machte aber das Messer, das der 32-Jährige in seiner Bauchtasche trug. Als die Mitarbeiterin des Marktes, die argwöhnisch geworden war, den Rucksack des Tübingers kontrollieren wollte, drohte er zuerst mit: »Diesen Kampf wirst du nicht gewinnen.« Als die Frau nicht locker ließ und einen Kollegen um Hilfe rief, sagte er nur: »Ich habe ein Messer.« Im gleichen Augenblick zog er die Waffe mit Schwung im hohen Bogen aus seiner Bauchtasche.
Es sei nicht die unmittelbare Absicht des Angeklagten gewesen, die Frau zu verletzen, aber die beiden seien so eng voreinander gestanden, dass es Zufall gewesen sei, dass der 32-Jährige die Mitarbeiterin des Marktes durch die schnelle Bewegung mit dem Messer nicht getroffen habe, so der Vorsitzende Richter Benjamin Meyer-Kuschmierz. Eine Verletzung der Frau habe der Angeklagte dadurch »billigend in Kauf genommen«.
Erhebliche Suchterkrankung
Eine solche Tat ist nach dem Gesetz ein besonders schwerer räuberischer Diebstahl. In diesem Fall in Tateinheit mit versuchter gefährlicher Körperverletzung. Dem mehrfach vorbestraften Angeklagten drohte damit eine Gefängnisstrafe von mindestens fünf Jahren. Und deshalb war auch das Landgericht und nicht das Amtsgericht für ihn zuständig.
Dass die Strafe nun aber doch geringer ausfiel, hat mehrere Gründe. Als Erstes: Der 32-Jährige habe eine »erhebliche Suchterkrankung«, so Meyer-Kuschmierz. Im Prozess legte der Angeklagte auch ein umfassendes Geständnis ab. Bei der Tat war er zudem stark alkoholisiert und er hatte die Nacht zuvor Drogen genommen. Letztendlich ging das Gericht, wie auch Staatsanwalt Felix Bernardi deshalb von einem minder schweren Fall aus. Auch die Verteidigerin des 32-Jährigen, Julia Geprägs, hatte dafür plädiert.
Im Gerichtssaal
Gericht: Benjamin Meyer-Kuschmierz (Vorsitzender Richter), Julia Merkle. Schöffen: Roland Köhler, Sabine Ayen. Staatsanwalt: Felix Bernardi. Verteidigung: Julia Geprägs. Christian Niederhöfer. Gutachter: Bogdan Avasilodei.
Wegen seiner Suchterkrankung wäre ein normaler Knast sehr schlecht für den Angeklagten. Er ist dringend behandlungsbedürftig. Zwar hat der 32-Jährige zuvor schon zwei freiwillige Therapien nach kurzer Zeit abgebrochen. Das Gericht aber hofft trotzdem, dass der Tübinger während seiner Haftzeit die Chance ergreift und sich einer zweijährigen Therapie unterzieht. Die Bereitschaft dafür hat der 32-Jährige bereits signalisiert.
Mit dem Tübinger saß auch ein guter Kumpel von ihm auf der Anklagebank. Der hatte nach der Tat und der Flucht des 32-Jährigen das Diebesgut in einem Schließfach versteckt. Allerdings zeigte sich der Mann später kooperativ und führte die Polizei zu dem Versteck. Zudem war der ebenfalls drogen- und alkoholsüchtige 35-Jährige vor Gericht geständig. Er erhielt eine Geldstrafe in Höhe von 120 Tagessätzen zu 15 Euro wegen Begünstigung. (GEA).