TÜBINGEN. Fasnetsauftakt am Dreikönigsmittag mitten im Neckar? Mitnichten! Was sich in Tübingens flüssigster Lebensader fröhlich-munter tummelte, waren nicht etwa die ausgelassenen Aktiven einer Narrenzunft Rot-Weiß-Schwarz, sondern ganz profane Rettungstaucher und -schwimmer der Feuerwehren, der DLRG und des DRK.
Auf der Platanenallee beobachteten zahlreiche Schaulustige den ungewöhnlichen Aufzug, besser gesagt die rasante Flussparade vor dem Hintergrund der bekanntesten Ansichtskartenseite der Unistadt. Studenten aus dem nicht schwäbisch-alemannischen Sprachraum, die hier ihr erstes Wintersemester absolvieren, mutmaßten, im Fluss würde eine besondere Umzugs-Variante vonstattengehen. Von einer witzigen Form des Häsabstaubens war die Rede.
Tatsächlich ist der Auftakt der Fasnet, die dem Kirchenkalender entsprechend auf den 6. Januar fällt, eine Tradition, die mit vielen Facetten einhergeht. Auch wenn es so aussah: was sich um die Mittagszeit zwischen Freibad und Eberhardsbrücke auf 1.500 Metern Länge abspielte, war kein symbolisches Säubern der Narrenutensilien.
Vielmehr ein anderer, jüngerer Brauch, der aber auch schon seit 52 Jahren von der Feuerwehr gepflegt wird. Genauer gesagt von der Tauchergruppe der Freiwilligen-Abteilung der Stadtmitte. Die Spezialisten zur Rettung von Menschen und Tieren aus Notlagen an und in Gewässern der Region sind seit 1970 im Einsatz. Zuletzt vermehrt bei den Hochwassereinsätzen. Das Neckar-Abschwimmen ist eine Neujahr-»Schnappsidee« von 1973 geschuldet. Die Retter haben sich zur Kältegewöhnung zum Jahresauftakt im kleinen Kreis getroffen, um vom Campingplatz bis zur Jugendherberge flussabwärts zu schwimmen, so Tauchgruppenleiter Christof Stechemesser. Das Abschwimmen sei nicht nur eine Gaudi, sondern wichtig für die Kameradschaft untereinander.
Im Laufe der Zeit sind Taucher weiterer befreundeter Rettungsorganisationen und Sportclubs dazugestoßen. Am Montag kam bei Temperaturen von sechs Grad (drinnen) und acht Grad (draußen) die stattliche Zahl von 140 Hartgesottenen zusammen. Darunter schwimmende Lebensretter der Feuerwehren aus den Neckar-Anrainer-Städten Rottenburg, Reutlingen, Esslingen, Stuttgart, Heilbronn, Heidelberg sowie die DLRG-Wasserrettungsgruppe Neckar-Alb. Aber auch Abordnungen von den Donau-Orten Mengen und Ertingen sowie Wasserretter der Zollern-Alb. Seit 2022 hat der DRK-Kreisverband dort eine eigene 22-köpfige Wasserwacht. Anlass deren Gründung waren das verheerende Hochwasser im Killertal 2008.
Aufgrund einer starken Schmelzwasser-Strömung war der fröhliche, von Martinshorn-Fanfaren begleitete Spuk in der Rekordzeit von rund 15 Minuten vorbei. Bei Niedrigwasser kann das Abschwimmen auch schon Mal über eine Stunde dauern.
Die 28 hauptberuflichen und ehrenamtlichen Feuerwehrtaucher aus Reutlingen (gegründet 1990, geleitet von Michael Fromm) und die 18 Freiwilligen aus Tübingen rücken in der Regel gemeinsam zu Alarmen in der Region aus.
Am Ziel hatten die Tübinger Feuerwehr drei Ausstiegsstellen eingerichtet und wartete mit Glühwein- und Punschgetränken auf die Wagemutigen – die sich am Start bereits mit Roten Würsten gestärkt hatten. Fußläufig gings dann ins nahe Uhlandbad zum Duschen und anschließend zur Stärkung mit Urkundenübergabe ins Feuerwehrhaus. (GEA)