TÜBINGEN. Seit Montag muss sich ein 54-jähriger Tübinger vor dem Tübinger Landgericht verantworten. Dem Mann wird vorgeworfen, in vier Fällen unerlaubt mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gehandelt zu haben. Dabei handelte es sich hauptsächlich um Heroin, dass sich der Mann aus den Niederlanden liefern ließ. Sein Verhängnis war, dass der Lieferant bereits überwacht wurde.
Der Angeklagte hat eine Drogen-Vergangenheit, die man klassisch nennen könnte: Als Teenager rauchte er Haschisch. Mit Anfang 20 kam Kokain hinzu, später Heroin. Letzteres habe er anfangs geschnupft, dann geraucht. Gegen Ende der 1990er Jahre habe er es sich gespritzt. Bis 2003 sei er abhängig gewesen, dann habe er eine Langzeittherapie absolviert – erfolgreich. Bis 2008 habe er sich in einem festen Arbeitsverhältnis befunden.
2014, nach einer betriebsbedingten Kündigung, begann eine Talfahrt. Gesundheitliche Probleme machten ihn arbeitsuntauglich. 2018/19 habe er erneut »Kontakt«, so der Angeklagte, zu Heroin gehabt. Kurz später habe er es wieder geraucht. Als seine Mutter letztes Jahr schwer krank wurde und starb sei er nervlich und körperlich derart belastet gewesen, dass er seine Schmerzen mit mehr Heroin betäuben wollte. Seine Mutter hatte ihm rund 18.000 Euro hinterlassen. Das Geld nutzte er zur Finanzierung seiner Sucht.
Der erste Deal ging schief
Im August 2023 nahm er Kontakt zu einem in den Niederlanden lebenden Dealer auf, den er gut zehn Jahre kannte. Dieser habe ihm einen Kurierdienst angeboten. Doch der erste Deal ging schief: Statt 75 Gramm Heroin bekam der Tübinger Haschischplatten. Die nächsten drei Male bestellte er je 100 Gramm Heroin: »Ich habe mich hoch dosiert. Es war schwer, abzuspringen.«
Er versuchte, sich in Tübingen illegal Methadon zu besorgen, das als Ersatzdroge für Heroin gilt. Mitte Dezember orderte er eine weitere Lieferung Heroin in den Niederlanden. Diesmal doppelt so viel wie zuvor. Der Handel zog sich hin, weil mittlerweile Kuriere des Dealers verhaftet und Fahrzeuge beschlagnahmt worden waren. Der Dealer wollte niemanden nach Tübingen schicken. Der Tübinger ließ sich darauf ein, das Heroin in der Nähe von Frankfurt abzuholen.
Die Polizei hörte Anrufe zwischen Tübingen und den Niederlanden mit
Die Polizei hatte bereits den Deal zuvor überwacht. Nun hörten die Beamten die Anrufe mit, die der Tübinger vor dem Treffen bei Frankfurt mit dem Mann in den Niederlanden führte. Ersterer wollte wissen, wie der Kurier aussieht, welches Auto dieser fährt und welches Nummernschild dieses trage. Nach getanem Handel, so der Tübinger, habe er sich ein Näschen vor Ort genommen, dann fuhr er nach Hause. Dort warteten bereits ermittelnde Beamte.
Sie beschlagnahmten die Drogen: Neben Heroin stellten sie Koffein und Paracetamol sicher, die wohl als Streckmittel dienen sollten. Dies hatte der Tübinger ausdrücklich bestellt, auch danach fragte er während seiner Anrufe in die Niederlande. Darüber hinaus sicherten die Beamten eine Waffe die sich im Auto befand: Einen Morgenstern.
Im Wagen des Angeklagten fanden die Beamten einen Morgenstern
Der am Montagvormittag als Zeuge geladene Beamte, er hatte die Anrufe rund um den Deal bei Frankfurt mitgehört, war überzeugt, der Angeklagte wollte eine Waffe dabei haben, um sich zu verteidigen, falls während des Deals irgendetwas krumm laufe. Der Morgenstern habe sich hinter dem Beifahrersitz gelegen, der Holzstab, an dem die mit Metallstacheln bewehrte Eisenkugel befestigt ist, habe sich in der Reichweite des Fahrers befunden.
Der Angeklagte widersprach: Kurz zuvor habe er die Wohnung seiner verstorbenen Mutter ausräumen müssen. Den Morgenstern habe er seiner damaligen Freundin als Souvenir mitbringen wollen. Diese sei allerdings an Corona erkrankt, sie hätten über zehn Tage keinen Kontakt miteinander gehabt. In jenen Zeitraum sei der Deal bei Frankfurt gefallen.
Bis heute gibt es keine Hinweise auf Heroin-Abnehmer
Der Zeuge gab an, am Tag der Verhaftung sei der Mann in körperlich schlechtem und dessen Wohnung gar in desolatem Zustand gewesen. Es hätten sich dort viele Spritzen befunden. Dazu viele Alufolien, die darauf hindeuteten, dass der Mann das Heroin rauchte. Man habe »unzählige« Handys sichergestellt. Und einen Zettel mit Telefonnummern und Spitznamen. Bis heute habe der Mann jedoch keine Angaben zu Abnehmern gemacht.
Der Vorwurf, dass er selbst deale, sei falsch, sagte der Angeklagte. Er habe an niemanden verkauft. Er sei jetzt clean und hoffe auf eine Therapie, um diesen Zustand zu festigen. Es tue ihm leid, gegen Gesetze verstoßen zu haben. (GEA)