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Aktuell Notfall

Tübinger Luftrettungszentrum kostet 32 Millionen Euro

Nun hat sich der Vorstand erstmals konkret zu den Baukosten des geplanten Luftrettungszentrums auf dem Gelände der BG-Klinik in Tübingen geäußert: Erste Schätzungen gehen von rund 32 Millionen Euro aus. Eine vormals ins Auge gefasste Lösung auf dem bereits bestehenden Dach-Landeplatz hätte deutlich mehr gekostet, erklärte Geschäftsleiter Marcus Herbst.

So stellen sich die Planer das zukünftige Luftrettungszentrum der BG-Klinik Tübingen vor (unten im Bild). Geht alles glatt, star
So stellen sich die Planer das zukünftige Luftrettungszentrum der BG-Klinik Tübingen vor (unten im Bild). Geht alles glatt, startet »Christoph 41« Ende 2027 von dort zu seinen Einsätzen. Foto: Fotomontage: Sigma Plan Weimar GmbH
So stellen sich die Planer das zukünftige Luftrettungszentrum der BG-Klinik Tübingen vor (unten im Bild). Geht alles glatt, startet »Christoph 41« Ende 2027 von dort zu seinen Einsätzen.
Foto: Fotomontage: Sigma Plan Weimar GmbH

TÜBINGEN. Zu früh mit Informationen an die Öffentlichkeit zu gehen, das macht Marcus Herbst nicht gern. Der Geschäftsführer der BG-Klinik Tübingen hat in der Vergangenheit bezüglich des geplanten Luftrettungszentrums und zur Verlegung des Rettungshubschraubers »Christoph 41« an das Krankenhaus viel Post bekommen. »Deswegen äußern wir uns erst zu den Kosten des Projekts, wenn die Zahl sicher ist«, sagte Herbst bei einem Pressegespräch zum aktuellen Stand der Planungen. Und diese Zahl hat es in sich: 32 Millionen Euro - so viel soll der neue Start- und Landeplatz kosten, auf dem »Christoph 41« in Zukunft sein neues Zuhause finden soll. Geht alles nach Plan, startet die Besatzung bereits Ende 2027 von der BG Klinik.

Die ursprüngliche Lösung sah dagegen deutlich magerer aus. Als sich das Innenministerium Baden-Württemberg unter Staatssekretär Wilfried Klenk im November 2022 dazu entschlossen hatte, den Rettungshubschrauber von Leonberg aus nach Tübingen zu verlegen, um die Gebiete auf der Schwäbischen Alb besser versorgen zu können, gingen die Planer noch von rund 7,7 Millionen Euro für die damals favorisierte Dach-Ertüchtigung aus. Eine Fehleinschätzung, wie sich nach einem Jahr Planung zeigte. Sie sah vor, den bisherigen Landeplatz so auszubauen, dass »Christoph 41« vom Dach aus starten konnte und Notfallpatienten ebenfalls dort eingeflogen werden konnten. »Als klar war, dass diese Lösung finanziell nicht umsetzbar ist, haben wir die Reißleine gezogen«, erklärte Timm Gehrling, Leiter der Stabsstelle Hochbau an der BG-Klinik Tübingen. »Deutlich teurer« hatte sich diese präsentiert - wie viele Mehrkosten der Dach-Bau aber verursacht hätte, dazu wollte sich die Geschäftsführung nicht äußern. Herbst gab zu: »Die damaligen Planer haben das wohl nicht zu hundert Prozent zu Ende gedacht.« Im Januar 2024 habe man dann mit der Boden-Variante über dem Patientenpark begonnen.

Symbiose von Park und Plattform

Dort, im südöstlichen Areal auf dem Gelände der BG-Klinik, soll in 13 bis 15 Metern Höhe eine Plattform entstehen, auf der zeitgleich zwei Hubschrauber ihren Platz finden können - sollte »Christoph 41« nicht ausrücken müssen, aber ein anderer Notfall in die BG-Klinik eingeliefert werden. Daran angeschlossen wird ein Hangar mit Räumen für die Besatzung, notwendiger Technik und einer Garage für die Wartung des Helikopters. Der Park wird indes nicht zugebaut, sondern durch ein ausgeklügeltes Begrünungs- und Bepflanzungskonzept erweitert und unter die Plattform integriert. Kerosintanks verschwinden unter der Erde, PV-Anlagen und kühlende Vegetation kommen aufs Dach. »Wenn alles so klappt, wie wir uns das vorstellen, ist die Plattform von der Straße aus gar nicht zu sehen«, erklärte Gehrling mit Blick auf die Baumkette hin zur Schnarrenbergstraße.

Man baue das Luftrettungszentrum zudem so, dass es sich auch in Zukunft in das Gesamtkonzept der BG Klinik einfüge, führte der Chefarzt der Anästhesiologie und Intensiv- und Notfallmedizin, Tim Viergutz, aus. Die Umsetzung zahlreicher Maßnahmen in diesem Konzept sei bis 2042 geplant. »Neben das Zentrum kommen die Schockräume und der Neubau für die Notfallklinik. Das sind dann minimal kurze Wege.« Auch werde die Plattform so konstruiert, dass die in Zukunft implementierte »Point & Space Technologie« optimal eingesetzt werden könne. Durch diese satellitengestützte Navigationsmethode, die bereits sehr erfolgreich in anderen Ländern genutzt werde, können Rettungshubschrauber auch bei schlechten Sichtverhältnissen sicher starten und landen.

Nachts ändert sich am Flugverkehr nichts

Dabei werden auch die Einflugschneisen angepasst, damit »Christoph 41« so wenig wie möglich über Siedlungsgebiete aus- und einrücken muss. Wie aus dem kürzlich veröffentlichten Lärmgutachten hervorgeht, sind umliegende Wohngebiete nicht von kritischem Fluglärm betroffen. Zwar werden sich die Flugbewegungen an der BG-Klinik erhöhen - ein Gutachten des Landes geht von maximal 1.800 Einsätzen im Jahr aus - aber die Nachruhe wird dadurch nicht mehr gestört, als es jetzt schon der Fall ist: »Wir dürfen nachts nämlich gar nicht starten«, sagte Geschäftsführer Herbst. »Wir sind keine 24-Stunden-Station, dürfen nachts aber angeflogen werden - so wie bisher auch«, ergänzte Gehrling.

Streit um den Standort

Die Wahl des Innenministeriums Baden-Württemberg im November 2022, den Rettungshubschrauber »Christoph 41« aufs Dach der BG Klinik zu verlegen, war in der Vergangenheit umstritten. Eine gemeinsam von Innenministerium und RP Tübingen erstellte Prüfmatrix favorisierte deutlich den Bodenstandort Wannweil, insbesondere was Lärm, Kosten und Nähe zur Schwäbischen Alb anging. Zudem befand sich das Grundstück in Händen der Gemeinde und damit in öffentlicher Hand.

Warum sich der damalige Staatsminister Wilfried Klenk letztendlich für die BG Klinik entschied, ist nicht bekannt. Zwar bezeichnete das Innenmisterium die Prüfmatrix als »Orientierung«, betonte aber, dass die Landesregierung trotzdem den »risikoreicheren Standort Tübingen ausgewählt habe«. In einigen Punkten sei die Matrix damals bereits überholt gewesen, insbesondere mit Blick auf die Bauzeiten.

Die BG Klinik habe dem Innenministerium gegenüber »plausibel begründet«, dass ein Betrieb von »Christoph 41« in zwei bis drei Jahren möglich sei - die im Januar 2024 verworfenen Planungen zu Grunde gelegt. In Wannweil rechnete man mit bis zu fünf Jahren Bauzeit, was nun ebenfalls auf Jahresende 2027 gefallen wäre. (pru)

Finanziert wird das Mega-Projekt für 32 Millionen Euro zum Großteil aus den Töpfen der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung DGUV. »Die Förderstruktur enthält keine Steuermittel oder Zahlungen aus den gesetzlichen Krankenkassen«, versichert die DGUV auf GEA-Nachfrage. Stattdessen komme das Geld aus den neun Berufsgenossenschaften, die sich wiederum aus den Beiträgen der Arbeitgeber zur gesetzlichen Unfallversicherung speisen. Das bestätigte die Geschäftsführung der BG-Klinik: »Unser Eigenanteil liegt bei unter 25 Prozent«, sagte Herbst. Dieses Geld werde insbesondere von Mieteinnahmen gestemmt, die auf 33 Jahre hochgerechnet werden, denn die BG Klinik als Bauherr vermietet das Zentrum an einen Luftrettungsbetreiber. Weshalb dem Bauabschluss Ende 2027 eine »gewisse Verbindlichkeit« zukomme, wie Herbst betonte. Der laufende Vertrag in Leonberg - da, wo »Christoph 41« bislang untergebracht ist - müsse nämlich rechtzeitig gekündigt und die Luftrettung für den neuen Standort in Tübingen neu ausgeschrieben werden. (GEA)