TÜBINGEN. Die vier Unikliniken Freiburg, Heidelberg, Ulm und Tübingen könnten nächste Woche bestreikt werden. Während der Kundgebung gestern an der Tübinger Uni-Klinik sagte ver.di-Verhandlungsführer Jakob Becker, die Arbeitgeberseite habe bisher kaum auf das von Gewerkschaftsseite vorgeschlagene »Zukunftspaket« reagiert. Auf die Bereiche Lebensphasenorientierung, Entlastung und Ausbildungsqualität gar nicht, das erste Angebot zum Entgelt bezeichnete Becker als »unzureichend.«
Man habe den Arbeitgebern unmissverständlich signalisiert, dass es nur dann einen Abschluss gebe, wenn die Beschäftigten mehr Entlastung, mehr Zeit und mehr Geld bekommen. Becker sagte, bisher hätten die Arbeitgeber alle Regelungen, die über die Bezahlung hinausgehen, abgelehnt – »deshalb weiten wir die Warnstreiks in der kommenden Woche deutlich aus. Wir wollen ein Zukunftspaket vereinbaren und nicht ein Päckchen.«
Statt Paket bot die Arbeitgeberseite bisher nur ein »Päckchen«
Vor den Tarifverhandlungen befragte die Gewerkschaft gut 4.000 Beschäftigte an den Uni-Klinken voraus. Daraus ergaben sich folgende Forderungen: Die Entgelte sollen um elf Prozent erhöht werden, die Beschäftigten sollen mindestens 500 Euro mehr im Monat, Auszubildende 250 Euro mehr im Monat bekommen, jeweils bei einer Laufzeit von zwölf Monaten.
Zur Orientierung sollen Lebensphasenkonten für alle Beschäftigten und Auszubildenden eingerichtet werden. Die Arbeitgeber sollen jedes Jahr fünf Lebensphasentage eingebringen, zusätzlich soll es weitere Möglichkeiten geben, das Konto zu befüllen. Die Beschäftigten sind frei in der Entscheidung, wie sie diese verwenden.
Gewerkschafter fordern, Arbeitsplätze an Uni-Kliniken attraktiver zu machen
Für alle Pflegeorganisationsbereiche sollen Mindestpersonalausstattungen festlegt werden. Ein Verfahren zur Feststellung von Belastungssituationen soll vereinbart und entsprechende Regelungen zum Belastungsausgleich eingeführt werden. Die Gewerkschaft schlug dafür einen Tag für drei unterbesetzte Schichten vor.
Auch der Umgang mit Auszubildenden müsse sich verbessern: Die Praxisanleitung soll frühzeitig geplant werden und einen höheren Umfang bekommen. Zudem sollen verlässliche Regeln zur Freistellung verabredet werden. Auch ihre Bezüge sollen steigen. Azubi-Vertreter Paul Burgemeister betonte: »Azubis, gerade in Uni-Städten brauchen mehr Geld – um sich die teuren Wohn-Mieten leisten zu können!« Ausbildungsqualität soll auch für Physiotherapeuten und MT-Berufe tariflich geregelt werden, fordert ver.di.
Azubis sollen besser gefördert werden
Das Angebot der Arbeitgeber sieht eine Inflationsausgleichsprämie von 1.050 Euro bei einer Laufzeit von 28 Monaten, sowie Entgeltsteigerungen von vier Prozent vor, allerdings erst im Jahr 2025. Eine weitere Steigerung um drei Prozent soll im Jahr 2026 folgen, so die Arbeitgeber. Diese lehnten es bisher ab sowohl ein Lebensphasenkonto als auch ein Wahlmodell zwischen Zeit und Geld einzuführen.
Die Gewerkschaft will den Druck auf die Arbeitgeber nun deutlich erhöhen, bevor am 17. Juni zum dritten Mal in großer Runde über das geforderte Zukunftspaket weiterverhandelt wird. Wie beim ersten Warnstreik am 3. Juni sei mit Verschiebungen von geplanten Operationen und mit Bettenschließungen zu rechnen. Über Notdienstvereinbarungen sei eine sichere Versorgung aller Patienten gewährleistet.
Gewerkschaft will Druck auf Arbeitgeberseite erhöhen
Laut ver.di-Bezirksgeschäftsführerin Madeleine Glaser suche die Arbeitgeberseite die Konfrontation: So habe die Gewerkschaft vor einer Woche eine Bettensperrung am Tübinger Uni-Klinikum angekündigt – für die Zeit der Kundgebungstage gestern und heute. Durch eine mangelnde Anzahl an Betten hätten beispielsweise Operationen in bestimmten Bereichen abgesagt werden müssen, um dem Personal zu erlauben, an der Kundgebung teilzunehmen. Madeleine Glaser: »Das macht die Beschäftigten sehr wütend!«
Claudia Hülsken von der IG Metall sprach ein Grußwort der Solidarität aus. Die in der Urologie beschäftigte Claudia Rampp schilderte ihre Arbeitsbedingungen. Und immer wieder rief die Menge: »Heute ist kein Arbeitstag, heute ist ein – Streiktag!« (GEA)