MÖSSINGEN. Es zieht sich. Seit der Mössinger Gemeinderat im Januar den Auslegungsbeschluss für den Bebauungsplan »Hoeckle-Areal« gefasst hat, herrscht Funkstille. Dabei handelt es sich bei der Bebauung der Industriebrache zwischen Karl-Jaggy- und Lichtensteinstraße doch um das größte Projekt zur Innenentwicklung in der Stadt. 450 Wohneinheiten sollen dort entstehen, fast schon ein eigener Stadtteil mit einmal wohl mehr als tausend Bewohnern. Und dafür hat sich jetzt monatelang scheinbar nichts getan. Oder doch?
Ohne erkennbaren Anlass, wie aus dem Nichts, war im Amtsblatt vom 6. Juni eine umfangreiche »gemeinsame Stellungnahme der Fraktionen von FWV, CDU und SPD zum geplanten Baugebiet Hoeckle-Areal« zu lesen, unterzeichnet von den Vorsitzenden Steffen Eissler, Dr. Eberhard Heinz und Arno Valin. Aus dem Text lässt sich schließen, dass seit Januar doch einiges passiert sein muss, vor allem, dass der Gemeinderat sich wohl nichtöffentlich mit dem städtebaulichen Vertrag beschäftigt hat. In diesem Vertrag regelt die Stadt mit den Investoren BDP und Hoffmannhaus wichtige Punkte, die über den Bebauungsplan hinausgehen, etwa zum Parken, zur Art der Wohnungen oder zu den sozialen Folgekosten.
450 Stellplätze vorgesehen
Punkte also, die für das spätere Funktionieren des Gebiets von entscheidender Bedeutung sind. Dass der Gemeinderat darüber nichtöffentlich beraten hat, wird von den Fraktionsvorsitzenden nicht bestätigt, aber auch nicht ausdrücklich dementiert. »Wir wollen unseren Positionen mit der Stellungnahme politisch Nachdruck verleihen und zeigen, wo unsere roten Linien sind«, sagt Steffen Eissler zum Anlass der Veröffentlichung. Oder wie es Eberhard Heinz formuliert: »Wir hauen da mal einen Pflock rein.«
Genauer gesagt: mehrere Pflöcke. Denn es geht den drei Fraktionen um mehrere Punkte, die aus ihrer Sicht geregelt werden müssen und die im bisherigen Entwurf des Vertrags nicht alle in ihrem Sinn enthalten sind. Es geht um die Zahl der Parkplätze, um die Zahl der geförderten Wohnungen, den Wohnungsmix und die Beteiligung der Investoren an Folgekosten wie den zusätzlich notwendigen Kita-Plätzen, welche die Stadt schaffen muss.
»Das ist«, beschreibt Steffen Eissler die Dimension des Projekts, »eine Zäsur für die Kernstadt. Diese Dichte der Bebauung haben wir nicht einmal in Bästenhardt oder im Loretto-Gebiet in Tübingen.«
Nicht zufrieden ist das Trio etwa mit den Überlegungen zum Parken. Vorgesehen sind 450 Stellplätze in Tiefgarage, also ein Stellplatz pro Wohneinheit. Weitere Parkplätze könnten außerhalb des Hoeckle-Areals an der Lichtensteinstraße geschaffen werden. Zwar soll das Gebiet, da sind sich die drei Fraktionen einig, ein autoarmes sein, aber nicht mit dieser Lösung. »Die bislang vorgestellten Maßnahmen, außerhalb des Plangebiets für zusätzliche Stellplätze zu sorgen, überzeugen uns nicht«, heißt es in der Stellungnahme. Zusätzliche Parkplätze müssten innerhalb des Gebiets geschaffen werden.
Konkret fordern die Fraktionen 1,2 Stellplätze pro Wohneinheit, was zusätzlich 90 Parkplätze in dem dicht bebauten Quartier erfordert. »Wie im Stotzenhof«, sagt Arno Valin. »Das ist der Rahmen, in dem wir uns bewegen sollen.« Für das Projekt der Kreisbaugesellschaft in Bästenhardt hat der Gemeinderat in seiner jüngsten Sitzung einen Stellplatzschlüssel von 1,2 durchgesetzt statt dem zunächst geplanten Schlüssel von 1,0. »Wir möchten auch nicht unterschiedlichen Investoren unterschiedliche Vorgaben machen«, ergänzt Steffen Eissler. Der öffentliche Nahverkehr ist aus Sicht von Arno Valin im Moment noch keine wirkliche Alternative. Studien würden zeigen, dass die Menschen maximal 50 Prozent mehr Zeitaufwand mit der Nutzung des Nahverkehrs gegenüber dem Auto akzeptieren würden. »Man kann nicht einfach sagen, dass sie den Bus nehmen sollen, wenn der Bus nicht da ist.«
Zudem ist in einem Gebiet mit mehr als tausend Bewohnern auch mit reichlich Besuchern zu rechnen, betont Steffen Eissler: »Die werden nicht alle mit dem Fahrrad aus Tübingen kommen.« Deshalb sei es wichtig, dass es in dem Gebiet öffentliche Parkplätze gebe, die von allen genutzt werden könnten. Dabei sei ein Stellplatzschlüssel von 1,2 noch der kleinste gemeinsame Nenner. Notwendig wäre mit Blick auf die aktuellen Verkehrszahlen aus dem Kreis Tübingen rein rechnerisch ein Schlüssel von 1,7.
54.000 Euro pro Platz
Während das Thema Parken noch Diskussionen erfordern wird, scheint es in der Frage nach dem Anteil von geförderten Mietwohnungen einen Konsens zu geben. Einen Anteil von 35 Prozent, wie er im Entwurf des städtebaulichen Vertrags vorgeschlagen sei, könne man mittragen, heißt es in der Stellungnahme. Dies gelte auch für die Preis- und Nutzungsbindung, die auf 25 Jahre festgesetzt werden soll.
Weitere Besprechungen, so Arno Valin, seien noch notwendig beim Wohnungsmix. Hier wollen die drei Fraktionen keine Monostrukturen, sondern eine »ausgewogene« Mischung aus kompakten, mittleren und größeren Wohnungen. Deshalb sei eine Begrenzung des Anteils an 1-Zimmer-Wohnungen ein wichtiger Schritt.
Bleibt das Thema soziale Folgekosten. »Bei 450 Wohnungen, in denen nicht nur Singles wohnen, werden auch Kinder kommen, für die wir Plätze brauchen«, sagt Eberhard Heinz. Darauf hat bereits 2023 eine Studie der Projektgruppe Biregio zum Kindertagesstättenbedarfsplan in Mössingen hingewiesen. Dass Investoren dafür zur Kasse gebeten werden, ist laut Heinz aber üblich und im Grundsatz offensichtlich auch nicht strittig. »Insofern begrüßen wir«, schreiben die drei Fraktionsvorsitzenden, »dass der zusätzliche Bedarf an Kinderbetreuungsplätzen im Rahmen einer Folgekostenvereinbarung zwischen der Sadt und den Investoren geregelt werde.«
Aber, schränkt Steffen Eissler ein: »Es wird noch um die Höhe gehen.« Orientiert an den Kosten der Kita Hinter Höfen geht es um eine Größenordnung von 54.000 Euro pro Platz. (GEA)