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In Ofterdingen hat das Küferhandwerk Tradition

Bürgermeister Simon Wagner eröffnete die Sonderausstellung »Fassgeschichten« in der Ofterdinger Museumsscheuer.

Werner Gimmel führte durch die Sonderausstellung "Fassgeschichten in der Ofterdinger Museumsscheuer.
Werner Gimmel führte durch die Sonderausstellung "Fassgeschichten in der Ofterdinger Museumsscheuer. Foto: Foto: Michael Sturm
Werner Gimmel führte durch die Sonderausstellung "Fassgeschichten in der Ofterdinger Museumsscheuer.
Foto: Foto: Michael Sturm

OFTERDINGEN. Für die Sonderausstellung »Fassgeschichten«, sammelte der Arbeitskreis Museum, allen voran Werner Gimmel, viele Exponate. Die älteste ausgestellte Fassdaube stammt aus Tübingen-Weilheim, aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Zu den modernsten Exponaten gehören Edelstahlfässer der Firma Speidel, welche die Flüssigkeit im Inneren unter Druck halten und damit deutlich länger haltbar machen können.

Die Entwicklung des Fasses hat viel mit der Ofterdinger Ortsgeschichte zu tun: In der von vielen Streuobstwiesen umgebenen Gemeinde halfen die Kinder über viele Generationen hinweg beim Sammeln und Mosten der Früchte mit. So auch der im Ort aufgewachsene Bürgermeister Simon Wagner, der als Kind erkannte: »Für die Erwachsenen war Most ein Hauptnahrungsmittel.« Und der Most lagerte in den Kellern der Gemeinde, in Eichenfässern.

Most war ein Hauptnahrungsmittel

Das Eichenholz für die Fässer gewannen die Ofterdinger Küfer aus den reichen Waldbeständen im Rammert. Dabei konkurrierten sie mit den Besenmachern, die dasselbe Holz benötigten. Die Küfer, auch Fassbinder genannt, ließen das Holz erst auf Länge sägen. Mit dem Beil, dem Model, eine Art Holzschaber, und dem Hobel verhalfen sie den Längshölzer zur passenden Wandstärke. Dann mussten die Planken trocknen.

Dazu schichteten die Küfer das Holz in sogenannte Daubenhäusle, die im Freien standen. Dort lagerte das Holz mindestens zwei Jahre, bis es weiterverarbeitet wurde. Seit Mitte des 19. Jahrhunderts war ein Verfahren bekannt, das es erlaubte, Holz mithilfe von Wasserdampf zu biegen. Das Innere wurde mit Feuer erhitzt, von außen wurde das Fass gewässert. Schließlich wurden die eisernen Reifen mithilfe einer Winde um die Dauben gespannt, damit das Fass nicht wieder auseinandersprang.

Früher gab es fünf Küfer in Ofterdingen

Bis weit ins 20. Jahrhundert hinein gab es fünf Küfer im Flecken. Sie hatten genug Arbeit, denn die Ofterdinger hatten große Obstbestände am Endelberg und dem Bergrain, auf Wiesen in Form von Terrassen. Allerdings seien die Böden schlecht gewesen, urteilte Werner Gimmel. Das Obst galt als Garant für die Versorgung mit Vitaminen. Es wurde eingedunstet und in frostsicheren Räumen gelagert.

Dann wurde es meist zu Most verarbeitet. Nur aus einem geringen Teil wurde Saft produziert, denn der begann schnell zu vergären. In manchen Jahren fiel die Ernte alles andere als üppig aus. »Dann musste man zukaufen. Meist aus dem Unterland«, sagte Werner Gimmel. Oder man produzierte Träublesmost aus Johannisbeeren. »Der hatte viele alkoholische Umdrehungen und schmeckte einfach scheußlich!« Seltener war der »Zibebenrassler«, Most aus Weintrauben, die man in Wasser gären ließ.

Kinder mussten das Fassinnere putzen

In Jahren guter Ernte, so Gimmel, wurde ein Teil des Obstes zu Mus verarbeitet, in Holzstandern gelagert und dort zur Gärung gebracht. Im Winter wurde es zur Brennerei geschafft und dort zu Schnaps weiterverarbeitet. Noch heute verdanken viele Kleinbrenner in Württemberg ihre Lizenz dieser traditionellen Form der Obstverarbeitung, die in den Familien weitergegeben wurde. »Zwetschgenschnaps galt in mageren Zeiten als ausgezeichnete Währung«, so Werner Gimmel.

Während des Rundgangs durch die Ausstellung klopfte Besucherin Lore Binder an die Fässer, um herauszufinden, »ob ebbes drin ist.« Sie hatte einst, wie viele Kinder aus Most begeisterter Familien, eine mühevolle Aufgabe aufgetragen bekommen: »I han se emmer putza dürfa.« Die Kinder waren eben klein genug, um das Fassinnere mit Fassbürste und heißem Wasser zu säubern, damit sich keine Hefe mehr darin befand, wenn es wieder mit neuem Most befüllt wurde.

Most ist heute kein Hauptnahrungsmittel der Ofterdinger mehr. In den Kellern der Gemeinde lagern lange nicht mehr so viele Fässer wie ehemals. Die Namen der einst fünf Küfer sind noch bekannt. Die Umstellung auf das Edelstahlfass bewältigte lediglich ein Betrieb: Der ehemalige »Sonnenwirt« Speidel, dessen Firma heute für den Weltmarkt produziert. (GEA)