TÜBINGEN. Ihr Siebdruck-Kollektiv trägt sich, aber davon leben können die beiden aus Jena stammenden Brüder nicht. Deshalb sind Christoph und Lukas Schmitz bislang nur hobbymäßig als »Letzte Drücker« tätig - der 36-jährige Christoph arbeitet im Hauptberuf als Veranstaltungstechniker für ein kleines Stuttgarter Theater und der 34-jährige Lukas ist Zimmermann. Dass sie mit ihrem eigenen Unternehmen tatsächlich ab und an auf den letzten Drücker, also kurzfristig, Aufträge annehmen und erfüllen, spricht für die Flexibilität eines kleinen Handwerksbetriebs.
Nach mehreren Umzügen haben sie ihre Atelier-Werkstatt jetzt im Sudhaus eingerichtet. Dort stellen sie neben eigenen experimentellen Entwürfen feine Siebdrucke in kleinen Auflagen insbesondere für regionale Bands und Veranstalter her: Das per E-Mail als PDF gelieferte Logo der Tübinger Band Tucanos 5000 etwa wurde am Donnerstag via Siebrahmen, Vier-Farben-Karussell und Rakel händisch auf 30 Bandshirts übertragen. Nachdem die zwei Tage auf einem Gittergerüst trockneten, falten sie die Brüder am Sonntag gemeinsam mit Bandmitglied Jochen Dörle und packen sie in den Transportkarton. So freuen sich noch am selben Abend die Fans beim Konzert im »Ammerschlag«. »Danke, dass das so spontan ging«, sagt der Drummer. Das hören Christoph und Lukas Schmitz öfter.
Satte Pigment-, grelle Neon- und effektvolle Glitzerfarben auf Wasserbasis drucken sie auf Papier ebenso wie auf Textilien, Holz, Glas - und verzieren damit auf Wunsch auch mal eine Kassettenhülle, Juke-Box-Scheibe oder die B-Seite einer Vinyl-Platte. Punk- und Rock-Musik waren es einst, die in ihnen »das Interesse an Kunst, Grafik und Do-it-yourself« weckten, erzählt Christoph Schmitz. Lukas spielte noch selbst in einer Band, als sie in der Küche seines älteren Bruders erstmals ausprobierten, »wie man das Eigene auf was anderes transportiert kriegt«. »Ultra-spannend« findet das der 34-Jährige. Erste Siebdruck-Vorrichtungen bauten sie selbst und genießen es bis heute, dass ihr Kunsthandwerk eine Schnittmenge mit der Tübinger Subkultur bildet. »Vor allem für HipHopper und andere Leute, die auf nachhaltig und analog stehen.«
Bereits seit 2011 sind die beiden künstlerischen Autodidakten Mitglied im Tübinger Verein »Shedhalle - Forum für zeitgenössische Künste«. Dieser kündigt sie nun als einer der Höhepunkte seiner Druckkunst-Ausstellung am Wochenende an: Das Tübinger Zweier-Kollektiv leitet dort am Samstag Siebdruck-Workshops, bei denen es Besuchern die Grundlagen dieser speziellen Drucktechnik vermittelt - und sie Jutebeutel selbst bedrucken lässt. »Diese Tiefe und das Schimmern, das kriegt man mit Offsetdruck nicht hin«, schwärmt Christoph. Der kreative Prozess stehe dabei ebenso im Mittelpunkt wie die handwerkliche Präzision, kündigt André Pfeiffer vom Kuratorenteam an. Aber auch der Spaß an der Sache solle nicht zu kurz kommen.
Zusammen mit Janina Rösch, Sarah Dolde und Raphael Verscheure hat er die nun gezeigten Werke aus zahlreichen Einsendungen, die bis 6. Februar eingingen, ausgewählt. Mit »Shed macht Druck« stellt der Kunstverein nun dem Tübinger Publikum etwa den international bekannten Freiburger Künstler Herbert X. Maier vor. Dessen druckgrafisches Werk reicht von Holzschnitten zu Radierungen, die in etlichen öffentlichen Sammlungen vertreten sind.
Die Shedhalle kooperiert bei der Ausstellung zum Tag der Druckkunst mit der Graphischen Sammlung des Kunsthistorischen Instituts der Universität Tübingen. Besucher sollen durch ein abwechslungsreiches Programm rund ums Thema Druckgrafik fundierte Einblicke in die unterschiedlichen Drucktechniken bekommen: Wie diese die Gestaltung beeinflussen und die handwerklichen Fähigkeiten der Künstler herausfordern.
Neben etablierten wie Maier und jungen, aufstrebenden wie den »Letzten Drückern« zeigen dabei auch Künstlerinnen und Künstler, die das Medium Druckgrafik teils auf innovative Weise interpretieren und in den dreidimensionalen Raum ausdehnen, ihre Arbeiten: Arvid und Christine Boecker aus Heidelberg, Diana Demchenko, die Reutlinger Textilkünstlerin Annette Hecht-Bauer, Mochi Keßler, Wibke Müller, die Paderborner Bildhauerin Karina Pauls, die Malerin, Fotografin und Druckkünstlerin Gerburg M. Stein aus Reutlingen und die in Karlsruhe geborene künstlerische Autodidaktin Katharina Wenk. (GEA)
Ausstellungs-Info
Die Vernissage zur Ausstellung »Shed macht Druck« ist am Freitag, 14. März, 18 bis 24 Uhr, mit DJ Redford. Geöffnet ist die Ausstellung in der Shedhalle (Schlachthausstraße 13 in Tübingen) am Samstag, 15. März, von 14 bis 24 und am Sonntag, 16. März, von 15 bis 20 Uhr. Am Samstag bieten Lukas und Christoph Schmitz von 14 bis 16 Uhr zwei je einstündige Siebdruck-Workshops an. Da die Teilnehmerzahl auf zehn Personen begrenzt ist, gilt: »first come, first print«. Material wird gestellt, Spenden sind willkommen. Um 20 Uhr spielen am 15. März die Bands Prometheus Groove Collective und Taal. (GEA)





