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Weniger Libellen im Steinlachtal

Seit fast 30 Jahren beobachtet Edelgard Seggewiße Insekten. Sie beschäftigt auch das Schwinden der Arten

Edelgard Segge-wiße zeigt verschiedene Libellenarten auf Bildern.  FOTO: STRAUB
Edelgard Segge-wiße zeigt verschiedene Libellenarten auf Bildern. FOTO: STRAUB
Edelgard Segge-wiße zeigt verschiedene Libellenarten auf Bildern. FOTO: STRAUB

OFTERDINGEN. Eine Libelle im eigenen Garten faszinierte Edelgard Seggewiße vor fast 30 Jahren so sehr, dass sie das Thema nie wieder losließ. Sie beobachtet die Fluginsekten in jeder freien Minute, hat sich viel Wissen angeeignet. Sie führte auf Einladung des Nabu Ofterdingen-Bodelshausen an den Butzensee in Bodelshausen. Einige Teilnehmerinnen waren mit Ferngläsern ausgerüstet, Hobbyfotografin Kerstin Klipp-Röcker aus Ofterdingen hatte die Kamera dabei.

Und gleich zu Beginn ergab sich ein gutes Motiv: Zwei Spitzenflecke bei der Paarung, die sich selbst aus der Nähe nicht stören ließen. »Die landläufigen Namen sind je nach Region unterschiedlich«, erklärte Seggewiße. Der Spitzenfleck heißt wissenschaftlich Libellula fulva ist eine mittelgroße Libellenart aus der Familie der Segellibellen, die vor allem durch ihre auffällige Färbung und die charakteristischen Flügelmale ins Auge fällt. Schlüpfen die Tiere frisch, sind beide Geschlechter zunächst hellbraun gefärbt. Ausgefärbte Männchen zeigen jedoch ein leuchtend hellblau bereiftes Abdomen, das einen schönen Kontrast zu dem dunklen, bräunlich-schwarzen Brustbereich bildet. Weibchen bleiben überwiegend braun bis orangebraun und zeigen keine blaue Bereifung.

Mit riesigen Facettenaugen

»Ein prägendes Merkmal, das der Art ihren deutschen Namen gegeben hat, sind die dunklen, dreieckigen Flecken an den Flügelspitzen«, so Seggewiße. Diese Spitzenflecken sind bei beiden Geschlechtern deutlich sichtbar und ein sicheres Unterscheidungsmerkmal gegenüber anderen Libellenarten.

Die Flügel selbst sind ansonsten durchsichtig. Der Spitzenfleck besiedelt vor allem langsam fließende oder stehende, oft stark verkrautete Gewässer wie Altarme, Gräben oder Teiche mit reicher Ufervegetation. Dort fällt er durch seinen kräftigen, zielstrebigen Flug und das häufige Ansitzen auf markanten Halmen oder Zweigen in Ufernähe auf. Die Art fliegt von Mai bis Juli und ist in weiten Teilen Mitteleuropas verbreitet, wobei sie regional selten sein kann. Seggewiße hat ihn am Butzensee erstmals 2008 entdeckt.

Generell werden Libellen in zwei große Gruppen unterteilt, so Seggewiße: die Kleinlibellen und die Großlibellen. Beide unterscheiden sich nicht nur in ihrem Aussehen, sondern auch in ihrem Verhalten deutlich. Kleinlibellen fallen vor allem durch ihren zierlichen, schlanken Körper auf, der an eine Nadel erinnert. Sie wirken filigran und bewegen sich im Flug eher leicht und flatternd. Charakteristisch ist ihre Flügelhaltung: Im Sitzen legen Kleinlibellen die Flügel eng über den Rücken oder seitlich zusammen, sodass sie fast unsichtbar erscheinen. Auch die Augen bieten ein auffälliges Unterscheidungsmerkmal: Sie sitzen bei den Kleinlibellen deutlich voneinander getrennt, was ihnen ein geradezu sanftes Aussehen verleiht.

Ganz anders präsentieren sich die Großlibellen. Ihr Körperbau ist kräftig und robust, ihr Flug wirkt kraftvoll und zielstrebig. Sie sind wahre Meister der Lüfte und jagen mit beeindruckender Geschwindigkeit über Wasserflächen und Wiesen. In der Ruhe halten Großlibellen ihre Flügel waagerecht seitlich ausgestreckt – ein Bild, das sofort an ein schwebendes Kreuz erinnert. Ihre riesigen Facettenaugen dominieren den Kopf und stoßen bei den meisten Arten oben zusammen, was ihnen ein geradezu raubtierhaftes Aussehen verleiht. Auch im Larvenstadium unterscheiden sich die beiden Gruppen: Während Kleinlibellenlarven am Hinterleibsende drei blattförmige Kiemenanhänge tragen, nutzen Großlibellenlarven innere Kiemen im Enddarm und können sich mit Wasserstrahl-Stößen ruckartig fortbewegen.

Wenig Zeit zum Schlüpfen

Anhand von Bildern stellte Seggewiße verschiedene Arten vor. Vor Jahren hat sie noch 34 unterschiedliche am Butzensee gezählt, nun sind es 24. Für den Rückgang sieht sie klimatische Veränderungen als einen Grund. »Letztes Jahr im Mai war es sehr nass und kalt und die Larven hatten wenig Zeit zum Schlüpfen«, erklärte Seggewiße. Außerdem könnten Pestizide von den Feldern über den Regen ins Wasser gelangen. Die ersten warmen Tage im Jahr nutzen die Winterlibellen. »Es ist unsere einzige heimische Libellenart, die als erwachsenes Tier überwintert und somit etwa acht Monate alt werden kann«, sagte Seggewiße. Anderen Arten seien nur einige Wochen an Land und in der Luft vergönnt. In der Regel sind Winterlibellen die ersten Libellen am Butzensee.

Ab April und Mai beginnt der Schlupf der Kleinlibellen. »Die Frühe Adonislibelle, die Große Pechlibelle und die Hufeisen-Azurjungfer bilden die Vorhut, gefolgt von den ersten Großlibellen, wie die Falkenlibelle, der Vierfleck, der Große Blaupfeil, die Westliche Keiljungfer und die Große Königslibelle«, so Seggewiße. Im Juni und Juli sei die Hauptsaison. Einige Libellen tasten sich auch in Wohngebiete und zu Menschen voran. »Sie sind nicht gefährlich und stechen nicht«, sagte Seggewiße. Das sei eine häufige, unberechtigte Angst. Kleine Insekten hingegen sollten sich nicht allzu sicher fühlen, denn Insekten seien »kleine Raubtiere« – unter und über Wasser. Seggewiße hat sogar schon einmal beobachtet, wie sie eine Biene verspeisten. (GEA)