MÖSSINGEN. Das Bündnis nachhaltige Mobilität Steinlachtal lud ins Kino Lichtspiele Mössingen: Die erste Vorsitzende Claudia Rüll Calame-Rosset begrüßte Jürgen Resch, den Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe, der vor nicht ganz 100 Besuchern sein Buch »Druck machen« vorstellte. Zum anschließenden Podiumsgespräch kam die Juristin Ingrid Hagenbruch, erste Vorsitzende des Bundesbündnises Bodenschutz, mit auf die Bühne.
Jürgen Resch kämpft gegen Flächenverbrauch vor allem zugunsten von Verkehrswegen. Der Kreis Tübingen, speziell das Steinlachtal, halte er für einen verkehrspolitischen Brennpunkt, gleichermaßen für »eine Region, die Beispiele setzen kann«, schickte der Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe voraus. Damit sprach er den geplanten Neubau der B27, an, die umstrittene Endelbergtrasse, die durch Streuobstwiesen im Steinlachtal gebaut werden soll.
Seit 1928 habe die Bevölkerung um drei Prozent zugenommen, die Siedlungs- und Verkehrsentwicklung dagegen um 30 Prozent. Dies sei »ein wahnsinniger Landfraß«, so Resch. Er forderte, Straßen zu überdeckeln und Gewerbefläche in Wohnraum umzuwandeln. Er geißelte die aktuelle Bundesregierung dafür, das Klimagesetz »entkernt« und eine »Verkehrswende rückwärts« angetreten zu haben.
»Nicht immer, aber oft, setzt sich das Gute durch«
Reschs Buch »Druck machen« trägt den Untertitel »Wie Politik und Wirtschaft wissentlich Umwelt und Klima schädigen und was wir wirksam tun können« – als Bürger, »mit freundlichem Lächeln und Spaß dabei.« Er empfahl, zugunsten der Umwelt vor Gericht zu ziehen. Es brauche Ausdauer und Bereitschaft dranzubleiben, so Resch: »Nicht immer, aber oft, setzt sich das Gute durch.«
Resch, 1960 geboren, begann sein umweltpolitisches Engagement 1975 als Vorstandsmitglied der Arbeitsgemeinschaft Naturschutz Bodensee. Als Zivildienstleistender deckte er das Pestizid Endrin als Ursache für Vogelsterben am Bodensee auf und setzte dessen Verbot durch. In der Folge baute er beim BUND eine Kampagnenabteilung auf. 1986 ging er zur Deutschen Umwelthilfe, die er seit 1988 als Bundesgeschäftsführer leitet.
Jürgen Resch engagierte sich bereits als 15-Jähriger für die Umwelt
Resch stieß einige Gerichtsverfahren zugunsten des Umweltschutzes an. Er rechnet die Durchsetzung schwefelfreier Kraftstoffe, des Dieselpartikel-Filters und das Dosenpfand für den Erhalt des weltweit größten Mehrwegsystems im Getränkebereich zu seinen Erfolgen. Seit über 20 Jahren arbeitet er gegen den Diesel-Abgasbetrug. Den von Volkswagen zeigte er bereits im Jahr 2011 beim Bundesverkehrsministerium an.
2021 nahm er den Brief einer Sechstklässlerin zum Anlass, die Bundesregierung aufgrund ihrer Umweltpolitik zu verklagen: Das Mädchen hatte argumentiert, ihr werde die Lebensgrundlage entzogen. »Kinder und Jugendliche werden durch den Klimawandel in ihren Grundrechten verletzt«, dies bezeichnete Resch als einen »Meilenstein« als Basis für künftige Klagen.
Endelbergtrasse: »Keine andere Möglichkeit, als zu klagen«
Im Podiumsgespräch ging es hauptsächlich um das lokale Thema, die Endelbergtrasse. »Die ist nicht gut geplant« urteilte Ingrid Hagenbruch. Die erste Vorsitzende des Bundesbündnis Bodenschutz kritisierte: »57 Hektar Fläche sollen dadurch zerstört werden.« Weil wirtschaftliche Interessen als höherwertig eingestuft würden, riet auch sie im Sinne der Umwelt zu klagen: »Wir haben keine andere Möglichkeit.«
Der Nehrener Hans-Jürgen Müller, seit vielen Jahren im Naturschutzbund Deutschland (NABU) engagiert, wollte wissen: »Wer klagt und wer bezahlt?« Das könnten die Naturschutzverbände tun, antwortete Claudia Rüll Calame-Rosset, und »alle, die Einwände vorgebracht haben.« Die Endelbergtrasse betreffend gebe es »Erörterungstermine«, am 8. und 9. Oktober in der Ofterdinger Burghofhalle.
Tunnellösung muss geprüft werden
Ingrid Hagenbruch antwortete auf drei Fragen von Alfred Biesinger im Publikum folgendermaßen: Präventiv zu klagen sei nicht möglich, dafür brauche man eine Klagebefugnis. Sie stimmte seiner Forderung zu, mehr in die Höhe zu bauen, etwa über Parkplätzen und Straßen: »Wir sagen: Nutzt die Bestandsfläche!« Zudem müsse eine Tunnellösung als Alternative zum Bau der Endelbergtrasse geprüft werden, »eine Verpflichtung besteht.«
Applaus gab es für Thomas Klett vom NABU Nehren: »Ein Tunnel bedeutet Landgewinn. Tunnel können mittlerweile klimaneutral hergestellt werden.« Ingrid Hagenbruch empfahl dies während des Erörterungstermins genau so zu sagen. (GEA)