KUSTERDINGEN. 13 Punkte auf der Tagesordnung der Sitzung des Kusterdinger Gemeinderats lasen sich fast identisch - bis auf die betroffenen Ortsteile: in allen 13 Fällen stand der »2. erneute Entwurfsbeschluss« von Bebauungsplänen und Örtlichen Bauvorschriften an. Die Ortschaftsratssitzungen, die diese Woche folgten, ergaben: Die Dörfer der Gemeinde stellen sich auf die aktuell herrschende Wohnungsnot ein - auch die Immenhäuser, die erst noch tagen, scheinen einverstanden.
In allen 13 im Gemeinderat und insgesamt 26 in den Ortschaftsräten behandelten Punkten geht es um ein Thema, das in der Gesamtgemeinde Kusterdingen schon manch' kontroverse Debatte auslöste: die Dorfbereichspläne. Die entstanden in den 1990er-Jahren, da die historischen Ortskerne laut Bürgermeister Dr. Jürgen Soltau »nicht überplant« waren. Bebauungspläne sollen steuern, wie sich ein Ort entwickelt. In welche Richtung und in welcher Form. Vor allem geht es darum, Wildwuchs zu verhindern. Auch in Kusterdingen mit seinen fünf Teilorten wollte man mit den Dorfbereichsplänen (DBPl) »große Siedlungsbereiche im Bestand regeln« und dazu dort »maßvolle Bebauungen ermöglichen«.
Lange verhandelt - und doch kritisiert
Mit der Zeit zeigte sich: Die Pläne ließen mehr zu, als den Räten recht war. Immer wieder wären konkrete Bauvorhaben theoretisch möglich gewesen, die sie nicht wollten. Weil es etwa »den städtebaulichen Rahmen gesprengt hätte«, wie Soltau erklärt. Dann mussten der Gemeinde- und zuständige Ortschaftsrat auf Veränderungssperren und nachträgliche Bebauungspläne zurückgreifen. »Das ist kein guter Zustand«, erklärt der Bürgermeister. Es riecht nach Willkür. Stattdessen sollten sich die Bürgerinnen und Bürger doch »auf unsere Bebauungspläne verlassen können«, betont er. »Wir wollten nur noch das baulich zulassen, was wir wirklich vertreten können.« Deshalb wurde vor 15 Jahren die Überarbeitung in Angriff genommen.
Nach drei Jahren des Verhandelns setzten setzten die zuständigen kommunalen Gremien 2013 wichtige Ergänzungen in Kraft: mit Mindestgrößen für Grundstücke, auf denen Einzel-, Doppel- und Reihenhäuser entstehen, um ortsuntypische Verdichtung zu verhindern; und Einschränkungen für »Riesen-Gebäude« mit ausuferndem Parkplatzbedarf. Dafür gab's teils heftigen Gegenwind aus der Bürgerschaft, berichtet Soltau. Die wollte mehr Nachverdichtung.
Doppelhausschlupfloch schließen
Das böse Erwachen kam 2019, als ein wilder Fleck Land im Umfeld des Klosterhofs mit 30 Wohnungen bebaut werden sollte. Das Landratsamt lehnte eine nachträgliche Veränderungssperre der Gemeinde ab, da das Großprojekt an der Wannweiler Straße von der Planung her schon zu weit fortgeschritten war. Im Sinne einer maßvollen Nachverdichtung ohne Beschädigung des dörflichen Charakters schoben die Kusterdinger dann vor sechs Jahren noch einen Passus in den Dorfbereichsplänen nach. Um das sogenannte »Doppelhausschlupfloch« zu schließen, wurden seitdem alle DBPls erneut überarbeitet.
Nun haben sich die Zeiten erneut geändert. Die Wohnungsnot verschärfte sich weiter, erklärt Soltau, sodass man bereit sei, »etwas größere Verdichtung« zuzulassen. Und es sei heute nicht mehr nötig, in großen Bereichen die Wohnnutzung zum Schutz der Landwirtschaft auszuschließen. Die verbleibenden Bauern wollten vielfach sogar selbst ihre Flächen mit Wohnhäusern bebauen - »was als Nachverdichtung ja auch grundsätzlich sinnvoll ist«.
Drei der vier Ortschaftsräte stimmten schon zu
Der Ortschaftsrat Wankheim hat nun am 26. März gemeinsam mit dem Gemeinderat die Dorfbereichspläne beschlossen. »Wir waren in der gemeinsamen Sitzung beschlussfähig und mussten deshalb diese nicht mehr in die OR-Sitzung mit aufnehmen«, teilt Ortsvorsteher Michael Gassler auf Nachfrage mit: »Die Nutzungsschablonen wurden angepasst und die Festsetzung ,Wohnnutzung unzulässig' gestrichen. Diese war seinerzeit zum Schutz der Landwirtschaft erlassen geworden. Die Landwirtschaft ist durch den Strukturwandel innerorts vielerorts nicht mehr vorhanden und die frei gewordenen Flächen können nun einer Wohnbebauung zugeführt werden. Für die Ortschaft Wankheim war diese Änderung höchste Zeit. Nun können ehemalige landwirtschaftliche Hofstellen einer Wohnbebauung zugeführt werden.«
Diese Woche standen die zweiten erneuten Entwurfsbeschlüsse in weiteren drei der vier Ortschaftsräte - Kusterdingen selbst hat keinen - zur Debatte: »Die stimmberechtigten Jettenburger Räte sind mit den Plänen einverstanden«, teilte der dortige Ortsvorsteher Günter Brucklacher am Dienstag mit; auch der Ortschaftsrat Mähringen hat Ortsvorsteherin Susanne Bailer zufolge am Dienstagabend »den Bebauungsplänen in allen Teilbereichen einstimmig zugestimmt«. In Immenhausen ist erst für kommende Woche eine zusätzliche Ortschaftsratsitzung anberaumt. Er hoffe, dass dann genügend Ortschaftsräte anwesend sind, damit das Gremium beschlussfähig ist, teilt Ortsvorsteher Siegfried Maier mit. »In einem Teilbereich wären drei von sieben befangen. Ansonsten gibt es zu den Dorfbereichsplänen keine ablehnende Haltung, so dass ich mit einer Zustimmung rechne.« (GEA)