KUSTERDINGEN. Michel Langlais aus Venansault ist ganz im Glück, er strahlt über beide Ohren. Vor 18 Jahren fuhr er zuletzt mit einer Vespa, damals hatte diese jedoch keinen leisen Elektroantrieb. Der Kusterdinger Peter Dicke erläutert flugs die Handhabung und mahnt noch: »Doucement!«, schon braust der Franzose hupend mit dem Ruf »Attention!« vom Immenhausener Bouleplatz »Place de Venansault« davon. Gerade eben haben sich die beiden Männer beim gemeinsamen Mittagessen an der Mähringer Grundschule kennengelernt. Elisabeth Langlais erklärt lachend mit charmantem Akzent: »Er ist einfach noch wie ein Kind!«
Lange Anfahrt vor einem Jahr
Am heutigen Vatertag ist der Bouleplatz gut besucht, ein fröhliches Stimmengewirr aus Französisch und Deutsch fachsimpelt über die einzelnen Würfe nicht nur beim neuartigen Spiel »Palets«, das die französischen Gäste als Gastgeschenk mitgebracht haben, auch jeder Wurf beim Boulespiel wird engagiert kommentiert.
Seit 2022 besteht die Partnerschaft zwischen der Gemeinde Kusterdingen und Venansault. »Im Jahr 2018 haben wir mit den Planungen für eine Partnerschaft begonnen«, erklärt Chrystèle Chupeau, die Präsidentin vom Partnerschaftskomitee aus Venansault, »dann kam Corona dazwischen!« Seit dem Besuch der Härtenbewohner in Venansault am 27. Mai 2022 herrscht ein jährlicher reger Austausch zwischen den beiden Kommunen, mindestens ein dreiviertel Jahr vorher trifft sich das jeweilige Partnerschaftskomitee, um ein interessantes Programm für die Gäste auszubaldowern. Die Idee für die »Jumelage« kam aus Venansault. Drei Frauen, unter ihnen Chupeau, wollten ihre Deutschkenntnisse bei einem Kurs aufbessern und regten an, eine Partnerstadt in Deutschland zu suchen.
Auf den Härten war man Feuer und Flamme für die Idee und fackelte nicht lange. Erich Spannenberger ist der hiesige Präsident des Partnerschaftskomitees und strahlt: »Ich spreche kein Wort Französisch, aber wenn Sender und Empfänger sich verstehen, dann ist die Sprachbarriere nicht so wichtig!« Er zeigt auf das Schild am Bouleplatz und liest die Worte von Charles des Gaulle vor: »Die Zukunft unserer beiden Völker, der Grundstein, auf welchem die Einheit Europas gebaut werden kann und muss, der höchste Trumpf für die freie Welt bleiben die gegenseitige Achtung, das Vertrauen und die Freundschaft zwischen dem französischen und dem deutschen Volk« und er ergänzt: »Ich bin 1946 geboren und hatte das Glück, keinen Krieg erleben zu müssen. Und das soll auch in Zukunft so bleiben. Aus Begegnungen zwischen Menschen entstehen Freundschaft und Frieden zwischen den Völkern.« Als die Kusterdinger vergangenes Jahr an Himmelfahrt nach 15 Stunden Anreise in Venansault ankamen, goss es kurz vorher noch wie aus Eimern, erzählt Spannenberger. »Als wir aus dem Bus stiegen, hörte es sofort auf – und als wir gingen, fing es wieder an zu regnen«, erzählt er lachend.
Unermüdlich mit Traktor
Auch die Franzosen haben 15 Stunden Fahrt im Kreuz als sie in Mähringen ankommen – dort stehen bereits Grundschüler parat und begrüßen die gerührten Gäste mit einem französischen Lied. Das Deutsch-Französische-Institut in Tübingen finanziert eine Französisch-AG, die bei den Kindern höchst beliebt ist. Die Ortsgruppe des DRK hat Gaisburger Marsch für alle gekocht und so sitzt die Bürgerschaft zusammen mit den 31 Gästen, die so gar nicht müde wirken nach der anstrengenden Fahrt.
Direkt im Anschluss an das gute Essen erwartet die Gäste nicht nur besagtes Boule- oder Paletsspiel (eine Art Boule mit Münzen), sondern auch eine Treckerfahrt mit Ortsvorsteher Siegfried Maier. Der kutschiert unermüdlich mit Traktor und Planwagen durch das schmucke Dörfchen und verweist auf die herrliche Sicht auf die Schwäbische Alb, vorbei am Biberstaudamm, auf den alle Einwohner mächtig stolz sind und den auch die französischen Gäste bewundern.
Am Abend gefeiert
Nach diesen ersten Programmpunkten soll es aber erst einmal in die Gastfamilien gehen, damit das persönliche Kennenlernen nicht zu kurz kommt. Denn am Freitag steht ein gemeinsamer Besuch im Freilichtmuseum Beuren auf dem Programm, um über das Leben auf den Dörfern in grauer Vorzeit zu informieren. Am Abend gibt es dann ein gemütliches Beisammensein bei der Wankheimer Hütte. Und am Samstag erfolgen interessante Einblicke in einzelne Organisationen des deutschen Kommunalwesens: Hier ist dann auch Spannenbergers Expertise als ehemaligem Stadtwerkemitarbeiter in Tübingen gefragt. Und am Abend? Da wird wieder fröhlich gefeiert im Jettenburger Dorfgemeinschaftshaus, allen Sprachbarrieren zum Trotz, bevor die Gäste am Sonntagmorgen die Heimreise antreten. (GEA)