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K'furter Bürgermeister beleidigt? Freispruch für Feuerwehrmann

Die Beweislage reicht nicht aus. So begründete Amtsrichter Lutz Epple seinen Freispruch für einen Kirchentellinsfurter Feuerwehrmann. Der 39-Jährige soll Bürgermeister Bernd Haug und Ortsbaumeister Martin Lack unflätig beleidigt haben, so die Anklage.

Weil er mit den Umbauplanungen für das Feuerwehrhaus in Kirchentellinsfurt nicht einverstanden war, soll ein Feuerwehrmann Bürge
Weil er mit den Umbauplanungen für das Feuerwehrhaus in Kirchentellinsfurt nicht einverstanden war, soll ein Feuerwehrmann Bürgermeister Haug beleidigt haben. Jetzt wurde er freigesprochen. Foto: Paul Runge
Weil er mit den Umbauplanungen für das Feuerwehrhaus in Kirchentellinsfurt nicht einverstanden war, soll ein Feuerwehrmann Bürgermeister Haug beleidigt haben. Jetzt wurde er freigesprochen.
Foto: Paul Runge

TÜBINGEN/KIRCHENTELLINSFURT. Vier Feuerwehrmänner, vier Versionen einer Geschichte: Was genau am Abend des 15. August 2022 vor dem Kirchentellinsfurter Feuerwehrhaus gesagt wurde, ist nach dem Prozess vor dem Tübinger Amtsgericht nach wie vor unklar. Entsprechend fiel das Urteil aus: »In dubio pro reo. Im Zweifel für den Angeklagten.« Die Zeugenaussagen seien nicht ausreichend gewesen, um mit Sicherheit festzustellen, dass Bürgermeister Bernd Haug und Ortsbaumeister Martin Lack beleidigt wurden, sagte Amtsrichter Lutz Epple.

Während am ersten Prozesstag ein Feuerwehrmann die Beleidigungen bestätigte, traten am Mittwoch drei weitere Angehörige der Feuerwehr mit gegensätzlichen Darstellungen in den Zeugenstand. Zwei davon hatten zuvor eidesstattlich erklärt, die Beleidigungen nicht gehört zu haben. Einer von ihnen zog zur Überraschung der Staatsanwältin Michaela Nörr und des Rechtsanwaltes Benjamin Chiumento seine Aussage wieder zurück. Nach längerem Recherchieren hätten seine Eltern festgestellt, dass er am besagten Abend gar nicht im Feuerwehrhaus sein konnte, weil er erst einen Tag später aus dem Urlaub zurückgekommen sei. Die Aussage des 20-Jährigen ließ die Staatsanwältin aufhorchen. »Da bekommen sie jetzt ein Verfahren.« Schließlich habe er seine Erklärung eidesstattlich abgegeben. Die anderen beiden Zeugen hatten außerdem ausgesagt, dass sie den jungen Mann am Montagabend beim Feuerwehrtreff gesehen haben.

Gegensätzliche Zeugenaussagen

Das Bild des Abends bleibt auch nach zwei Verhandlungstagen unklar. Der erste Zeuge am Mittwoch sagte aus, den gesamten Abend von 19 bis fast 22 Uhr da gewesen zu sein. »Da ist der Ausdruck Hurensohn nicht gefallen.« Man habe sich wie jeden Montag getroffen, um sich auszutauschen und die Kameradschaft zu pflegen. Gesprächsthemen seien »einsatztaktische Sachen« und der geplante Neubau des Feuerwehrhauses gewesen. »Ruhig und ganz normal«, so beschrieb der 32-Jährige die Stimmung. Man sei auf Bierbänken vor dem Feuerwehrhaus gesessen, wie immer an warmen Sommerabenden. Wäre der beleidigende Ausdruck gefallen, dann hätte er das mit Sicherheit mitbekommen, betonte der Zeuge. Selbst auf der Toilette wäre das zu hören gewesen. Auch der zweite Zeuge will keine Beleidigung gehört haben. Allerdings sei er auch nur kurze Zeit beim Treffen dabei gewesen.

Die Staatsanwältin war nicht überzeugt. »Es entspricht nicht der Lebenserfahrung, dass man innerhalb von drei Stunden hört, ob ein Wort gefallen ist oder nicht«, sagte Nörr. Auch Richter Epp überzeugte die Aussage des 32-Jährigen »nicht restlos«. Sollte an diesem Abend wirklich eine ruhige Stimmung gewesen sein, dann frage er sich, wie man sich nach zwei Jahren noch so gut daran erinnern könne.

Es blieb also am Ende nur die Aussage eines Feuerwehrmanns, der die Beleidigungen gehört haben will. Für die Staatsanwältin reichte das aus. »Warum soll man ihm nicht glauben«, sagte Nörr. Er habe daraus keinen Vorteil gezogen. Sie forderte deshalb 40 Tagessätze zu 60 Euro für den Angeklagten.

Zerrüttetes Verhältnis in der Feuerwehr

Rechtsanwalt Benjamin Chiumento sah das komplett anders. »Die Aussage war nicht besser als bei dem Spiel Kinderpost.« Auch sei das Verhältnis zwischen dem Feuerwehrmann und seinem Mandanten zerrüttet. In der Strafanzeige des Bürgermeisters sah Chiumento einen Rechtsmissbrauch. Es sei darum gegangen, den Angeklagten dazu zu bringen, die Entlassung aus dem Feuerwehrdienst widerspruchslos zu schlucken.

All das spielte letztendlich bei der Urteilsfindung keine Rolle. Es ging allein um den Vorwurf der Beleidigung, der letztlich für den Richter nicht zu beweisen war. Welche Auswirkungen das Urteil auf das laufende Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Sigmaringen hat, wird sich zeigen. Nach den mutmaßlichen Beleidigungen und der Strafanzeige des Bürgermeisters hatte der Gemeinderat Kirchentellinsfurt den 39-Jährigen aus der Wehr ausgeschlossen. Dagegen legte der Mann Widerspruch beim Landratsamt ein. Die Behörde lehnte den Widerspruch ab. Jetzt muss sich das Verwaltungsgericht damit befassen. Dem Amtsrichter lagen zwar diese Akten vor, aber er habe dort »nichts gefunden, woraus wir jetzt Honig saugen können.«

Die Strafanzeige sei ein Versuch gewesen, die Spaltung innerhalb der Kirchentellinsfurter Feuerwehr zu beruhigen, sagte Bürgermeister Haug nach Prozessende. Welche Auswirkungen das Urteil auf die Stimmung innerhalb der Wehr haben wird, ist völlig offen. (GEA)