GOMARINGEN. Bürgermeister Steffen Hess hat Urlaub. Während andere Gomaringer in ferne Länder reisen, verbringt Hess am Freitag einen gemütlichen Abend am »Gomaringer Schlosshof-Beach 2.0« mit Brotsommelier Jörg Schmid. Der hat nicht nur schmackhafte Brote und dazu passende Weine mitgebracht, auch die gesamte Familie mit Mutter, Schwester, Gattin nebst Kindern und viele Freunde sind vor Ort und genießen den lauen Sommerabend an Biertischen oder in Liegestühlen im Sand.
Obwohl Schmid seit 5 Uhr morgens auf den Beinen ist, präsentiert er seine Brote und Weine mit der Ausdauer des Duracell-Hasen. Nur der Transporterfahrer, der ebenso lange wie erfolglos versucht, sein Vehikel in einen viel zu kleinen Parkplatz zu bugsieren, bringt ihn ein wenig aus dem Konzept. Aber Schmid hat die Ruhe weg und kommentiert: »Heute Morgen in Kempten hat eine vorbeimarschierende Blaskapelle meinen Vortrag kurzfristig unterbrochen.« Schmid ist ein humorvoller Entertainer, aber den ersten Lacher bekommt ein Paar, als Schmid die Ehefrau fragt, ob sie glücklich verheiratet sei: »’s kommt halt nix Besser’s nach!«
Nachdem der Bäcker sich als passionierter Weintrinker zu erkennen gegeben hat – »Wichtig ist die Glashaltung: Immer mit abgespreiztem kleinen Finger! Dann: Gucken! – Schwenken! – Riechen! – Schlürfen!« erfolgt eine Einweisung in die richtige Brotverkostung: »Im Gegensatz zu einer Weinprobe wird das Brot nach dem Einspeicheln nicht wieder ausgespuckt!« Üblicherweise spucke man in Schwaben auch den Wein nicht aus, meint das Gomaringer Urgestein und beim ersten Wein könne man gleich drei Gläser trinken, so gut sei dieser: Muri nennt er sich, Muskateller und Riesling, Edition Blanc Blanc +Frizz vom Weingut Drautz in Heilbronn. Zuvor wird aber ins Brot gebissen und gut gekaut, damit sich die Aromen auf der Zunge entfalten: Dinkel Extrem ist ein saftiges Brot mit einer honigbraunen, dünnen Kruste und schmeckt »süßlich, fast nach Popcorn, karamellig, ein Hauch von Haselnuss und frisch geschnittenem Gras von der Wiese«, so der Brotsommelier. Aber warum schmeckt man so viele Aromen, wenn die Zunge doch nur fünf Geschmacksrichtungen kennt (süß, sauer, salzig, bitter und umami)? »Alles darüber hinaus macht die Nase«, erläutert Fachmann Schmid. Im Jahr 2012 antworteten 800 Betriebe auf eine Erhebung über ihre unterschiedlichen Brotsorten; zusammen kamen sie auf 3.500 verschiedene Varianten. Als er noch Azubi war, gab es rund 22.000 Bäckereien in Deutschland, »heute gibt es noch 8.000«, bemängelt er. Rund 60 Kilogramm Brot kaufe der Durchschnittsbürger, davon würden nur 35 Kilogramm gegessen, der Rest lande im Abfall. »Brot ist zu billig, sonst würde es nicht weg-geschmissen« ist Schmid überzeugt. Laut Schmid, stammten nur 30 Prozent der gekauften Backwaren aus Bäckereien, der Rest komme vom Supermarkt.
Mehr für Lebensmittel ausgeben
»Es ist keine Kunst, einen 80-Euro-Wein gut zu finden – für mich ist ein Wein dann gut, wenn er auch unter 10 Euro gut schmeckt.« Man solle sich ein Beispiel am Nachbarn Frankreich nehmen, dort gebe man weitaus mehr für gute Lebensmittel aus, während hierzulande der Konsument sein Geld lieber für Reisen, Elektronikgeräte und – Achtung, kein Witz! – Küchen ausgebe. »Wir grillen unsere 50-Cent-Wurst auf einem 800-Euro-Grill«, wettert der Gourmand und erntet schweigendes Nicken. Aber ein Blick in die Bibel beruhige ihn da schon wieder: »350 Mal kommt da das Wort ›Brot‹ vor, nur 200 Mal das Wort ›Wein‹ – ich habe selbst nachgezählt«, meint er augenzwinkernd.
Die Strandgäste verköstigen sieben Brote und sechs Weine und erfahren allerhand Wissenswertes wie »sich das Brot am besten im Bauch hält«. Auch die Unterhaltungen untereinander kommen nicht zu kurz. Ein Radler kommt spontan dazu und darf verspätet teilnehmen, man rutscht zusammen und integriert den Interessenten aus Nehren. Auch Zwergpudel Bobby freut sich: Er ist an der langen Leine und greift sich überall Streicheleinheiten ab. Herrchen Horst vermisst im Backbuch des Brotsommeliers durchtrainierte Männer mit nacktem Oberkörper, die sich gegenseitig mit Mehl bewerfen – was Schmid zu einer Reihe illustrer Witze veranlasst. Bevor der laue Sommerabend mit der Sonne in anregenden Gesprächen versinkt, erklärt der Gomaringer Bäcker alle Teilnehmer zu Kumpanen: »Das kommt nämlich aus dem Lateinischen ›cum panis‹ – wir haben alle miteinander Brot geteilt!« (GEA)