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»Ab heut’ regiert die Narrenheit« im Kreis Tübingen

Hexen und Märchengestalten stürmen am Schmotzigen Donnerstag die Rathäuser im Kreis Tübingen

Die »Kirchemer Säue« schnappen sich Bürgermeister Bernd Haug. FOTO: GEISINGER
Die »Kirchemer Säue« schnappen sich Bürgermeister Bernd Haug. FOTO: GEISINGER
Die »Kirchemer Säue« schnappen sich Bürgermeister Bernd Haug. FOTO: GEISINGER

KREIS TÜBINGEN. Kaum zu überhören waren vielerorts Narren unterwegs. Schaurig aussehende Hexen, bunt-verspielte Märchengestalten und kleine Narrensamen regieren in der Fasnetszeit die Region. Doch davor galt es die Rathäuser zu stürmen.

- Ofterdingen

Die Ofterdingen Narren waren schon von Weitem zu hören. Mit zwei massiven Traktoren-Zügen und wildem Gehupe fuhren die Fürstenwaldhexen, die Äckelesmacher und Moritzle samt Teufel vor das Rathaus und blockierten mit einer Wagenburg jede Fluchtmöglichkeit für die Verwaltung. Die hatte sich indes in Zirkuskluft geschmissen – mit Bürgermeister Simon Wagner stilecht in Dompteurs-Klamotte – und konfrontierte die heranstürmenden Narren mit drei Aufgaben: Hüpfball-Slalom, Ring-Akrobatik und dem Hexentanz.

Dank närrischem Eingreifen lief’s beim Hüpfball-Slalom gut für die Rathausstürmer, aber die kleine Blockade, die den Fürstenwaldhexen den ersten Sieg brachte, war schnell verziehen: Nur schwer wanden sich die Narren im ausladenden Häs durch den Hula-Hoop-Reifen, den die agilen Rathausmitarbeiterinnen spielend durchstiegen. Doch nach dem epischen Hexentanz – die letzte Aufgabe – war klar: Sieg für die Narren, Sturm vollbracht, Rathausschlüssel errungen.

- Kirchentellinsfurt

Gaudi auf dem Rathausplatz: Die »Kirchemer Säue«, die »Mahdabach-Bäbel« und die Lumpenkapelle »Harmony-Ferkel« stürmten nach der Schülerbefreiung lautstark den Rathausplatz. Bürgermeister Bernd Haug, der im stilechten 90er-Jahre-Look erschien, musste sich geschlagen geben und überließ den Narren nicht nur den übergroßen Rathausschlüssel, sondern auch die Herrschaft über Kirchentellinsfurt. Auch Grundschulrektor Kessler im Bärenkostüm wurde in die Mangel genommen, sehr zur Freude der Kinder, die prompt auf eine Woche schulfrei hofften.

»Nächstes Jahr, das ist ja klar, stehen die Narren wieder da«

Höhepunkt war ein Duell zwischen Bürgermeister und Rektor, bei dem sie die Kinder in Formationen wie Herzen und Fragezeichen anordnen sollten. Am Ende verlor der Bürgermeister knapp und wurde selbstverständlich bestraft: Er musste das Lied »Meine Oma fährt im Hühnerstall Motorrad« trällern. Trotz des kalten Wetters war die Stimmung »sau-guat«, und der frisch entmachtete Rathauschef Bernd Haug nahm seine Niederlage schmunzelnd locker: »Des macht nix, man kann au mal verlieren.«

- Mössingen

Eine Horde Narren stürmte auch das Rathaus in Mössingen. Ob Filz-Hexa, Andeck-Hexa, Erdmännle, Seibachdeifel, Heuberg-Zottler, Krebsfischer und weitere wilde Gestalten – die Meute war in Topstimmung. Das Ziel: die Eroberung der »Ritterburg« von Buli, Oberbürgermeister Michael Bulander. Norbert Esters, Vorsitzender vom Original Steinlachtaler Fasnachtsverein, hielt ihm den Spiegel vor, für die »Schandtaten« des Jahres. Das Managen des Hacker-Angriffs, die klammen Finanzen, zu wenig Betreiber auf dem Wochenmarkt, »rausgeschmissenes« Geld für Werbekampagnen – als Strafe musste Buli blankziehen.

Ein Pappaufsteller erledigte das. Denn der Rathauschef hatte sich extra in Schale geworfen. Er bewies in seiner Rede viel Humor: »Der Haushalt ist ne Katastrophe, da zittert sogar die Eurozofe. Ihr werdet finden keine Gulden, meine Raubritterburg besteht aus Schulden.« Auch der Gemeinderat bekam sein Fett weg: »Die schwätzet rom und nom und hendravier. Da wirst verrückt, wirst gar zum Tier.« Bei der Stadt gibts immer einen Haufen Arbeit: »Die Innenstadt musst fertig machen, da hast Du wirklich nix zu lachen, und Radwege, des musst verstau, des kam a it g’rad no gnua hau. Vor allem schwätzet alle mit, do kascht Du macha wa Da witt.«

Bei all der Nervenaufreiberei hinterlässt Bulander den Narren doch gerne, nach einem kleinen Duell, seine Burg für ein paar Tage.

- Kusterdingen

Wer auf dem Platz vor dem Kusterdinger Rathaus vorbeischaute, der wurde von Rauch begrüßt. Mit einer kleinen aber eindrucksvollen Zündelei läuteten die Narren ihre saisonale Machtübernahme ein. »Ab heut’ regiert die Narrenheit, damit’s ums Rathaus besser steht«, verkündeten sie auf dem großen Platz vor dem Feuerwehrhaus. Man wolle Bürgermeister Jürgen Soltau bis Aschermittwoch demnach nicht mehr in seinem Chefsessel sehen.

Zahlreiche Zuschauer erfreuten sich am Trubel der Riaba-Moschter und der Rufabach-Hexa. Musikalisch angefeuert wurden die Meute von den Raba-Gautschern, die selbstverständlich in ihren traditionellen Häsern auftraten und die Menge in schelmische Feierlaune versetzten. Die Narren ließen es sich zuletzt nicht nehmen, dem Bürgermeister noch einen kleinen Zukunftsausblick zu gewähren: »Nächstes Jahr, das ist ja klar, stehen die Narren wieder da.«

- Nehren

In Nehren eroberten die Rammertwölfe bereits am späten Vormittag das Rathaus mit seiner als Dalmatiner verkleideten Belegschaft. Diese leistete keinen großen Widerstand. Bürgermeister Egon Betz, verkleidet als Pelzfetischistin und Hundeentführerin Cruella de Vil, hingegen gab sich bei der Frage nach einem Zuschuss zum Narrenumzug zugeknöpft: »2028 vielleicht, zu Eurem 30-jährigen Jubiläum.«

Im Ratssaal galt es zunächst, Quizfragen zu beantworten. Dass Ofterdingen seinen alle zwei Jahre stattfindenden Umzug jeweils in ungeraden Jahren ausrichtet, zählte zu den leichteren Fragen für Narren und Bürgermeister im Wettstreit. Wie heißen zum Beispiel die beiden Narrenzünfte in Dußlingen? Betz antwortete mit der Gegenfrage: »Haben die überhaupt eine?« Die Nachbarn schreckten nicht einmal zurück, am Schmotzigen Gemeinderatssitzungen abzuhalten. Die Rammertwölfe turnten ein wenig im Sitzungssaal. Später gab es Leberkäswecken zur Stärkung.

- Gomaringen

Die Gomaringer Käsperle eroberten erst am Donnerstagnachmittag das dortige Rathaus. Sie sammelten sich auf dem Gehweg seitlich und rannten schließlich zu fetziger Musik und in großer Zahl hinein. Die Zunft zählt fast 150 aktive Mitglieder und über 60 Hästräger.

Auch die Breiabender, die zum 25-jährigen Bestehen der 1994 gegründeten Zunft eingeführt wurden, suchten das Rathaus ab. Denn in den modernen Büros galt es, Bürgermeister Steffen Heß aufzuspüren. Der hatte sich wie üblich gut versteckt und rückte auch den Rathausschlüssel nicht widerstandslos heraus. Bei Spielen vor dem Gebäude mussten sich die Narren die Macht zuerst erarbeiten, bevor ein Umtrunk wartete. (GEA)

 

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