Das autonome Jugendkulturzentrum, das 1968 gegründet wurde, vertritt immer noch dieselben Interessen wie in seinen Anfangszeiten. Es möchte ein unkommerzielles, selbstverwaltetes Jugendkulturzentrum schaffen und zur Entfaltung und Weiterbildung von Jugendlichen beitragen.
Die Zelle ist ein anerkannter Träger außerschulischer Jugendbildung, grenzt sich aber ganz klar vom Staat ab, bezeichnet ihn sogar als »menschenverachtende Kapitalherrschaft« und will deswegen weiterhin dem Staat die Stirn bieten. Die linksorientierte Zelle bietet immer wieder Workshops an, in denen man sich mit ihrer politischen Gesinnung vertraut machen kann, aber außerdem auch über alltägliche Dinge, wie zum Beispiel Computersicherheit.
Konzerte und Graffiti-Protest
Abgesehen von außerschulischer Bildung bietet die Zelle auch noch Kultur in Form von verschiedenen Musikveranstaltungen oder Ähnlichem an. So gibt es zum Beispiel jeden Donnerstag in der Zelle Tanzmusik mit freiem Eintritt. Um allen die Möglichkeit zur Teilnahme zu bieten, werden die Eintritts- und Getränkepreise bei allen Veranstaltungen möglichst klein gehalten. »Die Musik ist gut und die Leute entspannt«, sagt eine regelmäßige Zelle-Besucherin. So viel zur Zelle allgemein.Wie am Anfang bereits bemerkt, ist die öffentliche Erregung derzeit groß. Mitglieder der autonomen Szene bekunden ihre Solidarität zur Zelle und machen ihrem Ärger auf die Stadt Reutlingen in Form von Graffiti-Besprühungen Luft. Sie möchten dagegen protestieren, dass die Stadtverwaltung von der Zelle eine Gaststättenkonzession fordert, da sie diese als gastronomischen Betrieb mit Gewinnerzielungsabsichten einstuft.
Bei einer Überprüfung hatte sich herausgestellt, dass die Zelle in den vergangenen Jahren durchschnittlich etwa 70 000 Euro Umsatz gemacht hat - ganz schön viel für ein Jugendzentrum, fand die Stadtverwaltung und forderte deshalb eine Gaststättenerlaubnis.
Die Zelle selbst sieht sich aber als ein unkommerzieller Jugendkulturverein, der von Freiwilligen betrieben wird. Mit den Einnahmen aus dem Getränkeausschank würden beispielsweise Kulturveranstaltungen finanziert - Konzerte, die aus Sicht der Zelle ohne den Getränkeverkauf gar nicht möglich wären. Die Zelle will ihre jahrzehntelange Selbstverwaltung erhalten.
»Wir wirtschaften auf null«, sagte Simon Bauer, Vorstandsmitglied der Zelle, bei einer Podiumsdiskussion im September. Damals trafen sich die beteiligten Gruppen - Zellemitglieder, Gemeinde- und Jugendgemeinderat - und debattierten sehr emotional über das Thema. Inzwischen liegt der Fall beim Verwaltungsgericht Sigmaringen, das Urteil darüber, wie es mit der Zelle weitergeht, steht aber noch aus.
Die Zelle und ihre Befürworter fürchten, dass eine Gaststättenkonzession finanzielle Auswirkungen haben könnte. Wenn die Einrichtung als Geschäftsbetrieb betrachtetet werde, schrieb die Arbeitsgemeinschaft Jugendfreizeitstätten Baden-Württemberg (AGJF) in einer Stellungnahme, dass sie befürchten, dass die Zelle mehr Steuern bezahlen muss und weniger Zuschüsse bekommt. Das Finanzamt allerdings hat inzwischen betont, dass die Zelle ihre Gemeinnützigkeit nicht verliert. Außerdem haben die ehrenamtlichen Mitarbeiter Angst, dass Auflagen auf sie zukommen, die sie gar nicht erfüllen können.
Gemeinsame Demo-Besuche
Die Mitglieder sind bereit, für die Zelle zu kämpfen, oder auch allgemein für die autonome Gesinnung einzustehen. Wie zum Beispiel mit dem gemeinsamen Besuchen von Demonstrationen. Bei unserem Besuch des Jugendzentrums in der Albstraße 78 in Reutlingen fanden wir an ihrer Plakatwand einen Aufruf zur antinationalen Demonstration am 3. Oktober (Tag der Deutschen Einheit).Das Publikum der Zelle besteht aus verschiedenen Gruppen der Gesellschaft mit außergewöhnlichen Interessen, die sich alle in der Zelle vereinen lassen. »In der Zelle gibt es einen bunten Mix von Punks, Emos, Metaller, Raver oder einfach nur Rastas. Ich hab echt tolle Menschen kennengelernt und Menschen wiedergetroffen, die ich sehr lange nicht mehr gesehen hatte«, sagt eine regelmäßige Besucherin der Zelle.
Sie nutzen das Gebäude als Treffpunkt und Rückzugsort, da dort jeder so sein kann, wie er möchte und diskriminierende und menschenverachtende Einstellungen dort nicht geduldet werden. Doch sie alle haben meist die gleichen Überzeugungen, die sich auch mit denen der Zelle decken, frei nach dem Motto: »Wo wir sind, ist eine Zelle!« (ZmS)
Hanna Hacker und Lea Raible, BZN-Gymnasium Reutlingen, Klasse 9a