ZmS: Guten Tag, Herr Menger. Schön, dass Sie sich für dieses Interview Zeit genommen haben. Fangen wir doch gleich mit ein paar persönlichen Fragen an: Wann und wo haben Sie mit dem Fußballspielen angefangen?
Andreas Menger: Angefangen habe ich im Jahr 1981 bei Tennis Borussia Berlin in der F-Jugend bis zur C-Jugend. Durch den beruflich bedingten Umzug meiner Eltern habe ich dann in der B- und A-Jugend beim SSV Reutlingen gespielt.
»Ich habe zuerst im Mittelfeld gespielt, bevor in meinem Verein der Torwart fehlte«Wann standen Sie dann regelmäßig im Tor?
Menger: Ich habe eigentlich zuerst im Mittelfeld gespielt, bevor in meinem Verein der Torwart fehlte und mich der Trainer fragte, ob ich nicht ins Tor wolle. Seit dieser Zeit spielte ich im Tor und wollte auch da bleiben.
Hatten Sie in der Jugend ein sportliches Vorbild oder Idol?
Menger: Ja! In den Achtziger- jahren war es Torwart Toni Schumacher.
War die Bundesliga immer ein Ziel?
Menger: Ja, eigentlich schon. Nachdem ich in der Jugendnationalmannschaft spielen durfte, habe ich natürlich darauf gehofft.
Was haben Sie dafür getan?
Menger: Ich habe fleißig trainiert, war in guten Jugendmannschaften, und natürlich habe ich auch das Quäntchen Glück gehabt.
Sie haben beim SSV Ulm, bei Greuther Fürth, Köln, Duisburg und Frankfurt aktiv gespielt. In Frankfurt waren sie als Spieler-Trainer unter Vertrag und sind nun seit 2011 beim VfB Stuttgart tätig. Wie kam es speziell zum Wechsel zum VfB Stuttgart?
Menger: Es gab viele Angebote von Vereinen, eben auch vom VfB, und ich habe mich deswegen für den VfB entschieden, weil der VfB sehr talentierte Torhüter wie Ulreich und Leno haben und hatten. Durch Gespräche mit Fredi Bobic und natürlich Bruno Labbadia bin ich dann schließlich zum VfB gekommen.
»Mein größter Erfolg war, dass ich überhaupt Profifußballer geworden bin«Wann war Ihr erstes Spiel als aktiver Torwart?
Menger: Das war 1991 in Sindelfingen in der 3. Liga mit dem SSV Ulm, bei denen ich eine sehr schöne Zeit hatte.
Und Ihr erstes Spiel als aktiver Torwarttrainer?
Menger: Das kann ich nicht ganz genau sagen, wann das war, weil ich, als ich zur Eintracht nach Frankfurt gewechselt bin, einen Trainer-Spieler-Vertrag bekommen habe und somit beides gleichzeitig gemacht habe.
Welches Spiel ist Ihnen in Ihrer Karriere besonders in Erinnerung geblieben?
Menger: Es sind verschiedene Spiele, die mich beeindruckt haben. Als Trainer war es das Pokalfinale 2006 gegen Bayern München und als Spieler mein erstes Bundesligaspiel gegen Duisburg, das wir gewonnen haben und das zweite Bundesligaspiel im ausverkauften Westfalenstadion in Dortmund.
Was würden Sie als Ihren größten beruflichen Erfolg bezeichnen?
Menger: Mein größter Erfolg war, dass ich überhaupt Profifußballer geworden bin. Dass sich der Aufwand meiner Eltern, denen ich viel zu verdanken habe, mit den ganzen Fahrten zu den verschiedenen Jugendmannschaften, gelohnt hat.
Was sind Ihre persönlichen Ziele als Torwarttrainer in dieser Saison und in der Zukunft?
Menger: Meine Ziele sind, Toptalente nach Stuttgart zu holen und mit Sven Ulreich die nächsten kleinen Schritte zu machen.
Thema Familie: Schlägt das Fan-Herz der Familie immer für den aktuellen Arbeitgeber oder darf jeder »seinem« Verein die Fantreue halten?
Menger: Also ich persönlich habe eigentlich keinen Lieblingsfußballverein. Aber mein Sohn ist meist ein Fan von der Mannschaft, die gerade erfolgreich spielt, wobei sein Fußballerherz eigentlich sowohl für den VfB als auch für den HSV schlägt.
Es muss für jeden Sportler ein Traum sein, sein Hobby zum Beruf zu machen. Wie fühlen Sie es an - eher als Job oder als »schönste Nebenbeschäftigung der Welt«, mit dem man sein Geld verdienen kann?
Menger: Jedes Bundesligaspiel ist jedes Mal aufs Neue etwas Besonderes, aber natürlich ist es auch ein hartes Business, und man muss seine Leistung bringen.
»Der Trainer ist auch ein Helfer, der versucht zu zeigen, was sie besser machen müssen«Ihr Motto: Fördern und Fordern! Wie muss man sich das in der Umsetzung vorstellen?
Menger: Man versucht ja, die Torspieler besser zu machen, indem man sie fordert im Training. Wer sich darauf einlässt und sich selbst ebenfalls fordert, der wird von uns mit Blick auf die eigene Mannschaft und andere Clubs gefördert.
Wie sieht Ihre Arbeit aus, wenn der Torwart ein Tief hat? Wie können Sie ihn stärken?
Menger: Man führt Gespräche und schaut sich zusammen die Videoanalysen an. Der Trainer ist auch ein Helfer und vergleichbar mit einem Lehrer, der seinen Schülern versucht zu zeigen, was sie besser machen müssen.
Und wenn der Torwart einen Lauf hat? Wie können Sie noch mehr Leistung einfordern?
Menger: Es ist eigentlich genau so, wie wenn er ein Tief hat. Wir sind da sehr kritisch. Man macht immer Fehler, und daran arbeiten wir dann.
Die Weiterentwicklung des Trainers trägt auch zu einer Weiterentwicklung des Spielers bei. Wie sieht die Fortbildung eines Torwarttrainers aus?
Menger: Ich mache gerne Fortbildungen, vor allem bei anderen Klubs, wie zum Beispiel Juventus Turin oder Inter Mailand. Wir Torwarttrainer laden uns da auch gegenseitig ein.
»Auf der Trainerbank ist eine gewisse Anspannung da. Aber es wird nicht ständig reingeschrien«Intelligentere Fußballer sind die besseren Fußballer. Was halten Sie von dieser These?
Menger: Es stimmt eigentlich nicht so ganz. Man muss dazu sagen, dass die Spieler schlau sind, die das System des Fußballspiels verstanden haben und auch umsetzen können.
Wer entscheidet über einen eventuellen Torwartwechsel, wenn die Nummer 1 außer Form ist?
Menger: Natürlich der Cheftrainer. Er ist hauptverantwortlicher Trainer, wobei ich als Torwarttrainer jederzeit Vorschläge unterbreiten kann.
Wie geht es Ihnen während eines Spiels auf der Trainerbank?
Menger: Kommt auf den Spielverlauf an, aber natürlich ist eine gewisse Anspannung da. Es wird aber nicht ständig reingeschrien.
War die Empfindung auf dem Spielfeld im Tor anders als auf der Bank?
Menger: Klar! Als Spieler macht man sich wenig Gedanken während des Spiels, als Trainer hingegen macht man sich Gedanken darüber, wie man das Spiel später mit dem Torwart aufarbeitet, sowohl sportlich als auch menschlich.
Jetzt hätte ich noch einige Fragen zu ihrer Arbeit beim VfB Stuttgart. Wie ist die allgemeine Stimmung beziehungsweise der Zusammenhalt im Team?
Menger: Die Stimmung ist sehr gut, trotz der hohen Belastung des kleinen Kaders durch die Bundesliga, den DFB-Pokal und die Europa-League in dieser Saison.
Wie sieht ein »normaler« Wochenplan aus?
Menger: Zurzeit ist es etwas stressig, da wir sonntags Bundesliga spielen und donnerstags Europa-League. Sonst, bei einem normalen Samstagmittagspiel, trainieren wir sonntags einmal, montags ist trainingsfrei, dienstags, mittwochs und freitags einmal und donnerstags zweimal.
Wie ist die Gewichtung der Bereiche Kondition, Technik, Taktik und Mentaltraining?
Menger: Es gibt jeden Tag andere Schwerpunkte. Am Anfang der Woche eher Kraft, Dynamik und Athletik. Gegen Ende dann Torwarttechniken.
Mit wem arbeiten Sie Ihre Trainingsprogramme aus, und mit wem stimmen Sie diese dann ab?
Menger: Mit niemandem. Ich bekomme vom Cheftrainer ein Zeitfenster fürs Training, und dies plane ich dann ein.
Muss eine Trainingseinheit auch mal kurzfristig abgeändert werden, wenn es mal einfach nicht »läuft«?
Menger: Natürlich. Zum Beispiel wenn etwas richtig gut läuft, verkürze ich es etwas, und wenn es so gar nicht läuft, streichen wir es einfach.
»Der VfB hat super Fans, und die sind von den Chaoten ganz klar zu trennen«Wie sehen Sie die Entwicklung und das Potenzial der Nummer 1 beim VfB - Sven Ulreich?
Menger: Er hat einen sehr großen Schritt in seiner Entwicklung gemacht, und zurzeit arbeiten wir daran, eine Konstanz zu schaffen und ihn weiterzuentwickeln.
Wo steht er im Vergleich zur Liga-Konkurrenz, und wie sehen Sie seine Chancen bezüglich der Nationalmannschaft?
Menger: Es gibt zurzeit eine große Breite an Nationalmannschaftsanwärtern, und Ulreich gehört in eine Kategorie zusammen mit Trapp, Ter Stegen und Leno, die an der Tür zur Nationalmannschaft anklopfen und auch ihre Chance bekommen können, wenn sie weiter ihre Leistung bringen. Adler wie auch Neuer spielen zurzeit in einer anderen Kategorie.
Herr Menger, meine letzte Frage: Wie sehen Sie als Trainer die Entwicklung des Aggressionspotenzial einiger sogenannter Fans? Beispiel: der Bengalo-Skandal in Kopenhagen. Ist das ein Thema, das diskutiert wird, oder ist das ausschließlich ein Job für die Funktionäre? Gerd Mäuser hat ja ein Gutscheinsystem und Videoüberwachung vorgeschlagen.
Menger: Die Situation ist schwierig. Wir sprechen hier nicht von Fans. Das sind Chaoten. Wenn man das Beispiel in Kopenhagen nimmt: Es waren 2 500 Fans da, und dann sind halt auch zehn bis fünfzehn Chaoten dabei. Es ist eigentlich blöd, dann alle Fans zu kontrollieren. Denn der VfB hat super Fans, und die Chaoten sind von den Fans ganz klar zu trennen.
Herzlichen Dank für das Interview, Herr Menger, und viel Erfolg für die nächsten Spiele. (ZmS)
FOTO: EIBNER