Logo
Aktuell Zeitung macht Schule

Sehen, wie die Uhren in Bankfurt ticken

Makler, die vor riesigen Bildschirmfronten zu Mittag essen, scharfe Sicherheitskontrollen und Börsenkurse auf leuchtenden Fliesen: Die Teilnehmer des GEA-Projekts »Zeitung macht Schule« und des Börsen-Planspiels der Kreissparkasse Reutlingen besuchten die Frankfurter Börse und kamen aus dem Staunen nicht mehr heraus. Zwei ZmS-Reporter schildern ihre Eindrücke aus der Stadt des Geldes

FRANKFURT. Am Montag, 24. November, waren wir von »Zeitung macht Schule« und der Kreissparkasse Reutlingen (Planspiel Börse) in Frankfurt. Dort besuchten wir die Wertpapierbörse. Deren Wurzeln reichen bis ins mittelalterliche Messewesen zurück. Im Jahr 1150 wird erstmals die Herbstmesse in Frankfurt erwähnt. Vermutlich ist diese im 11. Jahrhundert als sogenannte Erntemesse entstanden.

Seit Kaiser Ludwig der Bayer im Jahr 1330 das Angebot um eine Frühjahrsmesse erweitert hatte, wurde die Stadt zu einem Ort mit bedeutendem Waren- und Geldverkehr. Durch den Messehandel entwickelte sich aus der Warenproduktion im Kundenauftrag die Produktion von Gütern für einen überregionalen Absatzmarkt. Im 16. Jahrhundert war Frankfurt durch die berühmten Messen sehr wohlhabend geworden. Martin Luther bezeichnete die Stadt als »Silber- und Goldloch« des Deutschen Reiches.

Ordnung im Währungs-Chaos

Durch die Berühmtheit der Messe kamen im Laufe des 16. Jahrhunderts auch Kaufleute aus weiten Teilen Europas. Da es weder in Deutschland noch in den anderen Ländern Europas eine einheitliche Währung gab, wurde in Frankfurt mit den unterschiedlichsten Münzen bezahlt. Durch die unterschiedlichen Währungen und Wechselkurse kam es zu Wucher und Betrügereien. Deshalb fanden sich im Jahre 1585 Messekaufleute zusammen, um einheitliche Wechselkurse festzulegen. Dieses Ereignis gilt heute als Geburtsstunde der Frankfurter Wertpapierbörse.

Von nun an traf sich regelmäßig zur Messezeit ein Kreis von Kaufleuten aus allen Ländern Europas, um im Sortenverkehr einheitliche und verbindliche Preise zu aktualisieren. Die Bezeichnung »Burs« oder »Börse« ist für diese Versammlung seit 1605 schriftlich belegt. Der Begriff »Börse« stammt aus dem 15. Jahrhundert aus der belgischen Stadt Brügge. Er umschrieb eine regelmäßige Versammlung reicher italienischer Händler auf dem Platz »ter buerse«. Benannt war dieser Marktplatz nach dem dort ansässigen Patriziergeschlecht »van der Beurse« (lat. »bursa« - Tasche, Geldbörse).

1625 erschien der erste amtliche Kurszettel, welcher die Durchschnittskurse für zwölf Währungen aufführte. Anfangs fanden die Treffen der Kaufleute in Frankfurt noch auf dem freien Platz vor dem Rathaus, dem »Römer«, statt. Erst im Jahre 1694/95 bezog man das Haus »Großer Braunfels« am Liebfrauenberg. Damit nutzte man das bedeutendste und geräumigste Gebäude der Stadt als festen Versammlungsort.

1682 wurde die erste Börsenordnung erlassen, was die Etablierung einer offiziellen Börsenverwaltung zur Folge hatte. Zunächst wurden an der Börse nur Wechselgeschäfte mit Münzen und »Wechselbriefen« getätigt. Gegen Ende des 17. Jahrhunderts begann ein regelmäßiger Handel mit Schuldscheinen und Anleihen.

1820 wurde mit den Anteilsscheinen der Österreichischen Nationalbank erstmals eine Aktie in Frankfurt gehandelt. Frankfurt wurde zum »Tor des Kapitalexports«, denn von hier platzierte man ausländische Anleihen auch an den anderen europäischen Börsen. 1879 wurde die »Neue Börse« eingeweiht.

Kriege und Krisen

Der Erste Weltkrieg und seine Folgen trafen die international ausgerichtete Frankfurter Wertpapierbörse sehr hart. Ausländische Aktien und Anleihen wurden von den deutschen Anlegern aus Angst vor einer Instrumentalisierung durch den Kriegsgegner verkauft und das frei gewordene Kapital zumeist in Reichsanleihen investiert. Mit der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten 1933 wurde die gesamte Wirtschaftspolitik in die allgemeine Staats- und Kriegspolitik eingegliedert. Die Börsenaufsicht ging von den Ländern auf das Reich über und die Zahl der Wertpapierbörsen wurde von 21 auf 9 verringert.

Die Frankfurter Börse nahm 1935 die Mannheimer Börse auf und hieß fortan Rhein-Mainische Börse. Nach dem Zusammenbruch des NS-Regimes im Jahre 1945 blieb die Börse zunächst für ein halbes Jahr geschlossen. Sie wurde bereits im September 1945 als eine der ersten Wertpapierbörsen in Deutschland wieder eröffnet. 1988 führte die Börse den DAX ein. Heute gehört er zu den bekanntesten Bluechip-Indizes der Welt.

Bildschirme statt Papier

Mit einem so erfolgreichen Index im Rücken konnte 1993 aus der öffentlich-rechtlich geführten Frankfurter Wertpapierbörse (FWB) die Deutsche Börse AG werden, die seitdem als Trägergesellschaft der FWB fungiert. Schon 1969 begann die Börse, Teile ihres Datenbestandes elektronisch zu verarbeiten. Mit der Einführung von Xetra läutete das Unternehmen 1997 dann ein völlig neues Börsenzeitalter ein. Seitdem verlieren Präsenzhandel und Parkett an Bedeutung, denn durch den vollelektronischen Xetra-Handel ist die Börse überall dort, wo die Bildschirme stehen. Xetra hat sich als eines der führenden Handelssysteme weltweit etabliert. Sie ist ein Synonym für die Elektronisierung und Internationalisierung des Wertpapierhandels.

Die Frankfurter Wertpapierbörse wurde in zwei Teile eingeteilt, in einen alten und in einen neuen Teil. In der alten Börse wird heute nur noch gehandelt und in der neuen Börse nur noch organisiert, deshalb sind auch fast alle der 3 000 Mitarbeiter der Frankfurter Wertpapierbörse an der neuen und nicht an der alten Börse beschäftigt.

Bei unserem Besuch mussten wir zunächst eine sehr strenge Sicherheitskontrolle passieren. Unsere Ausweise wurden kontrolliert, außerdem wurden wir mit einem Metalldetektor abgesucht. Nach 45 Minuten durften wir dann endlich rein.

Virtueller Marktplatz

Katja Schulte Strathaus, eine Mitarbeiterin der Börse, berichtete, dass an der Frankfurter Wertpapierbörse Aktien von rund 10 000 Aktiengesellschaften gehandelt werden. Davon sind 8 912 ausländische Aktien. Die Deutsche Börse AG stellt nur den Marktplatz für den Handel. Sie bekommt für die Bereitstellung und Organisation Lizenzgebühren dafür, dass eine Bank über Xetra handeln darf und zusätzlich 60 Cent pro Transaktion. Eine zusätzliche Einnahmequelle ist der Kursverkauf zum Beispiel an Zeitungen.

Früher sind Aktien in Papierform ausgegeben worden. Dies wäre heute aber unwirtschaftlich, da der Druck einer Aktie rund drei Euro kostet. Die Deutsche Telekom müsste dann zum Beispiel vier Milliarden Aktien drucken. Als Besitzer könnte man die Aktie leicht verlieren oder entwerten. Heute lagern in der Börse in einem Hochsicherheitssafe Aktien im Wert von 10,6 Billionen Euro. Würde man sie aufeinanderstapeln, hätte man die doppelte Höhe des Mount Everest. Die Aktien seien alle heute noch gültig, erklärte Katja Schulte-Strathaus.

Nicht jeder wird im DAX gelistet

Eine Aktie ist ein - wenn auch sehr kleiner - Teil eines Unternehmens, den man kauft und dafür Rechte bekommt: Man wird am Gewinn der Firma beteiligt (Dividende) und bekommt ein Stimmrecht auf der Aktionärsversammlung, auf der wichtige Entscheidungen getroffen werden. Die Anzahl und den Preis einer Aktie bei der Ausgabe darf das Unternehmen selbst festlegen. Unternehmen, die an der Börse notiert sind, sind in drei Gruppen eingeteilt: Im Entry Standard werden nur geringe Transparenzanforderungen gestellt, zum Beispiel nur ein Bericht pro Jahr. Im General Standard werden die gesetzlichen Anforderungen gestellt - zwei Berichte pro Jahr. Im Prime Standard müssen die höchsten Transparenzanforderungen erfüllt werden - vier Berichte pro Jahr. Nur Unternehmen, die dem Prime Standard entsprechen, werden im DAX gelistet.

Die vier wichtigsten »Börsenbarometer« sind DAX, MDAX, SDAX und TecDAX. Im DAX sind 30, im MDAX 50 und im SDAX 50 Unternehmen gelistet, absteigend nach ihrem Kapital. Parallel dazu gibt es den TecDAX, in dem die 30 größten Technologieunternehmen gelistet sind. Der DAX gehört zur Gruppe der »Bluechips«. Der Name leitet sich von den im Kasino verwendeten, wertvollsten Chips ab. Im DAX gelistet zu sein, sei für ein Unternehmen vor allem Prestige und bringe keinen direkten Vorteil, indirekt wirke die Firma vertrauenswürdiger, erläuterte Katja Schulte-Strathaus.

Auf dem Frankfurter Börsenparkett wird von Montag bis Freitag von 9 bis 20 Uhr gehandelt, der Xetrahandel spielt sich von Montag bis Freitag von 9 bis 17.30 Uhr ab. Außerdem gibt es eine Vor- und Nachhandelphase. In dieser Zeit können zum Beispiel Aufträge erteilt werden, die dann in der nächsten Handelszeit bearbeitet werden.

Angebot und Nachfrage

Früher arbeiteten an der Börse 97 Händler, die alle nur ein Wertpapier zu betreuen hatten. Damals wurden die Käufe und Verkäufe per Zuruf geschlossen, deshalb passierten damals auch noch mehr Missgeschicke als heute. Heute gibt es nur einen Makler von einer Bank, der die Aufträge per Telefon bekommt und diese dann in Xetra eingibt. Dies macht die Sache natürlich heute viel billiger, schneller und effizienter. Dadurch passieren auch weniger Fehler im An- und Verkauf. Katja Schulte-Strathaus erklärte uns auch, wie der Preis eines Wertpapiers zustande kommt. Wenn ein großes Angebot einer geringen Nachfrage gegenübersteht, dann sinkt der Preis. Wenn aber das Angebot gering ist und eine hohe Nachfrage besteht, dann steigt der Preis.

Neben der Börse in Frankfurt gibt es weitere Handelsplätze in Deutschland: Berlin, Düsseldorf, Hamburg/Hannover, München und Stuttgart. Nach einem einstündigen Vortrag durften wir dann auf die Besuchergalerie der Frankfurter Börse. Am meisten beeindruckte uns die Weltkarte aus mehreren Leuchtstreifen, in denen die Börsenbarometer der verschiedenen Kontinente angezeigt werden - zum Beispiel der DAX-Wert für Europa oder der Dow Jones für die USA.

Die Makler arbeiteten nicht nur an einem, sondern an mehreren Bildschirmen und sahen deshalb sehr konzentriert aus. Manche hatten auch noch einen Fernseher oder aßen nebenher ihr Mittagessen. Nach einer Weile bemerkten wir, dass der Boden aus Fliesen bestand, auf denen die Namen der Aktiengesellschaften herausgehoben werden. Wenn der Kurs für eine Aktiengesellschaft steigt, wird der Name der Firma grün beleuchtet, wenn er fällt, rot.

Bulle und Bär

Draußen auf dem Börsenplatz sahen wir dann noch die Wahrzeichen der Börse, einen Stier und einen Bären. Doch warum ausgerechnet diese beiden Tiere? Dies erklärte uns Katja Schulte-Strathaus anhand einer sehr alten Legende. Da der Stier in seinen Kämpfen immer von unten nach oben schlägt, ist der Stier das Symbol für die steigenden Kurse. Der Bär, der mit seiner Tatze immer von oben nach unten schlägt, ist das Symbol für die fallenden Kurse. (ZmS)



Florian Stiefel und Moritz Neumaier, BZN-Gymnasium, Klasse 9b