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Schutz der Nichtraucher geht vor

REUTLINGEN. »Es rauchen mehr Schüler als Lehrer.« Mit dieser Aussage hat der Schulleiter des Friedrich-List-Gymnasiums, Reiner Linsenbolz, leider Recht. Von seinem 80-köpfigen Lehrerkollegium rauchen weniger als zehn. Das sind gerade mal 12,5 Prozent. Im Allgemeinen rauchen 30 Prozent der Schüler an weiterführenden Schulen. Auch am List-Gymnasium ist die Zahl der rauchenden Schüler recht hoch. Doch um dieses Problem zu vermindern, soll unter anderem die Raucherecke abgeschafft werden, was laut einer Aussage einer Lehrkraft längst überfällig ist. Doch würde eine Abschaffung der Raucherecke die Prozentzahl von rauchenden Schülern merklich verkleinern? Oder würden sich die Raucher in die nahe Umgebung flüchten und somit eine Gesundheits- und Schmutzbelastung für die Stadtbewohner hervorrufen? Um Näheres darüber zu erfahren, wie das Konzept »Rauchfreie Schule« aussieht, haben wir mit Rektor Linsenbolz gesprochen.

ZmS: Sie sind jetzt seit März 2003 Rektor am Friedrich-List-Gymnasium. Was hat Sie dazu bewogen, die Schule zu einer rauchfreien Zone umzugestalten?

Reiner Linsenbolz: Am Anfang war ich sehr skeptisch, doch mittlerweile bin ich sehr bemüht, das List-Gymnasium in eine rauchfreie Zone umzugestalten. Denn ich finde, dass es die Aufgabe der Schule ist, die Schüler, die nicht rauchen, vor dem Rauch und Gestank zu schützen. Mit ausschlaggebend war auch, dass im letzten Jahr erstmals vehemente Gegenstimmen zu einer Raucherecke in der Schule laut wurden. Und zudem bin ich der Meinung, dass es ebenfalls die Aufgabe der Schule ist, den Jugendlichen zu vermitteln, dass Rauchen nicht chic ist und dass es nicht lobenswert ist, zu der Gruppe der Raucher zu gehören. Denn zu meiner Schulzeit und auch jetzt noch, galt und gilt es als chic und als Ausdruck seiner eigenen Unabhängigkeit, bei den Rauchern zu stehen oder gar dazuzugehören. Und an dieser Einstellung muss etwas geändert werden. Außerdem erhoffe ich mir auf langjährige Sicht mehr Sauberkeit auf dem Schulgelände, weniger Gestank, weniger rauchende Schüler, weniger Belästigung der Nichtraucher durch Rauch und dadurch mehr gesündere Nichtraucher.

»Rauchen gilt immer noch als chic. Das sollte sich ändern«

Warum unterstützen Sie das Projekt »Rauchfreie Schule« so sehr?

Linsenbolz: Weil ich der Meinung bin, dass wir Lehrer es zwar leider nicht schaffen, rauchende Schüler davon zu überzeugen, dass Rauchen überhaupt nicht chic ist, aber dass wir dann wenigstens alles tun müssen, um zu verhindern, dass noch mehr Schüler durch ihre rauchenden Mitschüler in der Schule zum Rauchen verführt werden. Wenn deswegen in jedem Schuljahr auch nur ein paar wenige Schüler nicht mit dem Rauchen anfangen, haben wir schon etwas erreicht.

Was genau ist Ihre Aufgabe in der Ausführung zu einer rauchfreien Schule?

Linsenbolz: Meine Aufgabe ist es, den korrekten formalen Ablauf des Beschlusses zu sichern. Dazu gehört, nach einer angemessenen Diskussion, die Zustimmung von Gesamtlehrerkonferenz und Schulkonferenz einzuholen, und dafür zu sorgen, dass auch an Maßnahmen gedacht wird, Problemen, die sich aus dem Beschluss ergeben können, entgegenzuwirken. Positiv wäre eine möglichst breite Zustimmung in der ganzen Schulgemeinde.

Was muss allgemein getan werden, bis wir bei einer rauchfreien Schule angekommen sind?

Linsenbolz: Nachdem die Eltern und die Lehrer sich mit großer Mehrheit für eine rauchfreie Schule ausgesprochen haben, kommt es darauf an, auch eine große Mehrheit von den Schülern dafür zu gewinnen. Das wird aber sehr schwierig, weil unter den Oberstufenschülern leider viele Schüler rauchen und diese oft nicht bereit sind, darauf zu verzichten - geschweige denn ganz aufzuhören.

Was denken Sie, mit welchen Folgen wir rechnen müssen, wenn das List-Gymnasium rauchfrei ist?

Linsenbolz: Wenn die Schüler auf dem Schulgelände nicht mehr rauchen dürfen, werden sicher manche Schüler der Oberstufe das Schulgelände in den Pausen verlassen, um rauchen zu können. Daraus werden sich möglicherweise Probleme mit unseren Nachbarn ergeben, wenn zum Beispiel Kippen achtlos weggeworfen werden.

Da es aber den attraktiven Rauchertreffpunkt, die Raucherecke, nicht mehr geben wird, wird es hoffentlich im Laufe der Zeit nicht mehr in dem Maße, wie es jetzt der Fall ist »cool« sein, Raucher zu sein.

»Das Wichtigste ist, dass die Schüler mitziehen«

Das List-Gymnasium wird ja erst im kommenden Schuljahr eine rauchfreie Schule. Warum erst dann?

Linsenbolz: So eine Angelegenheit darf man nicht überstürzen. Denn das Wichtigste daran ist ja auch, dass die Schüler mitziehen.

War der Suchtpräventionstag eine erste Annäherung zu diesem Thema?

Linsenbolz: So ein Suchtpräventionstag ist eine freiwillige Sache, die jede Schule selbst entscheiden kann, ob und wie sie diese gestaltet. Daher gesehen ist es zwar eine Aktion, die gerade sehr gut in das Konzept »Rauchfreie Schule« gepasst hat, jedoch nicht extra dafür geplant wurde. In erster Linie galt es, die Schüler ausreichend aufzuklären, was meiner Ansicht nach sehr wichtig ist.

Warum haben wir dann noch eine öffentliche Raucherecke, wenn die Schule rauchfrei werden soll?

Linsenbolz: So einfach ist das mit dem Abschaffen der Raucherecke nicht. Das muss die Gesamtlehrerkonferenz und die Schulkonferenz entscheiden und genehmigen. Und es wurde beschlossen, dass es sinnvoller ist, die Raucherecke im jetzt schon laufenden Schuljahr noch zu genehmigen.

Aber dies darf nicht als Rückschritt angesehen werden, denn: Es muss alles eins nach dem anderen passieren. Und was dazu als sehr fortschrittlich zu betrachten ist, ist das nicht mehr vorhandene Raucherlehrerzimmer. Das heißt, dass die Lehrer keine Möglichkeit mehr haben, in der Schule zu rauchen. Doch bis das Gymnasium endlich eine rauchfreie Schule ist, müssen die Nichtraucher dieser Schule jeden Tag durch die Raucherecke hindurchgehen, wenn sie die Schule in Richtung Lederstraße verlassen wollen, und sich auf diesem Weg ihre Kleidung und ihre Lungen verpesten lassen. (ZmS)

Rebecca Renz und Jana Lang, Friedrich-List-Gymnasium, Reutlingen, Klasse 9 e