Logo
Aktuell Zeitung macht Schule

Reintegration ist das Ziel

ROTTENBURG. Nicht nur in Rottenburg, sondern in allen deutschen Justizvollzugsanstalten wird versucht, die Haftzeit dem Leben außerhalb der Gefängnismauern anzupassen. Der Insasse soll auf ein normales, von Straftaten freies Leben vorbereitet werden, erklärte uns der Justizvollzugsbeamte Rudolf Wurzinger. Er gab uns - vier Schülern des Isolde-Kurz-Gymnasiums - einen Einblick in die Justizvollzugsanstalt Rottenburg.

Der seit 23 Jahren dort in der Abschiebehaft Tätige erzählt, dass das Gefängnis mit rund 800 Gefangenen - ausschließlich erwachsene Männer und im Durchschnitt 30 Jahre alt - und zwei Außenstellen, darunter die Untersuchungshaft in Tübingen, die drittgrößte Anstalt in Baden-Württemberg ist. Bis jetzt konnten in Rottenburg nur Kurzzeithäftlinge, das heißt Straftäter mit einer Freiheitsstrafe von höchstens vier Jahren, untergebracht werden. Doch neuerdings werden dort auch Langzeithäftlinge, unter anderem auch die zu einer lebenslänglichen Gefängnisstrafe Verurteilten, aufgenommen.

Über die Hälfte wird rückfällig

Der Alltag in der Justizvollzugsanstalt in Rottenburg beginnt nach dem Wecken um 6 Uhr mit dem Frühstück um 7 Uhr. Mit einem durchschnittlichem Stundenlohn von 1,30 Euro fängt die Arbeit um 8 Uhr an. Sie dauert bis 15.15 Uhr, nur unterbrochen durch das Mittagessen. Nach der Arbeit haben die Gefangen dann eine Stunde Hofgang, in dem sie auf dem Gefängnishof frische Luft schnappen, Sport treiben und sich mit anderen Gefangenen ihres Blockes austauschen können.

Nach dem Aufenthalt im Hof gibt es Abendessen. Ab 17 Uhr werden die Zellen geöffnet, und die Insassen haben die Möglichkeit zu telefonieren, zu duschen oder auch persönliche Gespräche mit den Mitarbeitern der Anstalt zu führen. Zu diesen gehören die Justizvollzugsbeamten, Sozialarbeiter, Ärzte, Psychologen und Theologen, die sonntags den ökumenischen Gottesdienst gestalten.

Diese Mitarbeiter entscheiden auch, ob sich der Gefangene bewährt hat und Freigang bekommt. Das ist ein wichtiger Teil der Reintegration, denn so erprobt der Insasse ein Leben ohne Straftaten außerhalb der Mauern. Deswegen sollte die Arbeit der von uns aus oft nur als »Wächter« betrachteten Gefängnismitarbeiter nicht unterschätzt werden. Denn wenn die Aufgaben der Justizvollzugsbeamten wirklich nur in der Bewachung der Straftäter bestünde, wäre das für die Gesellschaft nicht tragbar.

Trotz großer Bemühungen und Anstrengungen liegt die Rückfallquote bei 60 Prozent. Denn oft schaffen es die ehemaligen Gefangenen nicht, in ein normales Leben zurückzukehren. Sie werden auf Grund ihrer Vergangenheit gesellschaftlich ausgestoßen, und ihnen wird nicht mehr vertraut. Also liegt es vielleicht nicht nur an den ehemaligen Strafgefangenen, dass diese rückfällig werden. Vielleicht sollten wir selbst unsere Vorurteile ablegen und unsere eigenen Erfahrungen sammeln, bevor wir urteilen. Zu unserer eigenen Sicherheit.

Es ist nach dem Gefängnisaufenthalt das Wichtigste, wie die Gesellschaft den ehemaligen Insassen aufnimmt. Dementsprechend ist die Chance auf ein gesetzestreues Leben höher oder niedriger.

Die Verhältnisse in der Vollzugsanstalt Rottenburg waren für uns persönlich sehr beeindruckend, weil wir einen sehr reellen Eindruck in das wirkliche Leben im Gefängnis bekommen haben. Wir haben erfahren, dass das Ziel der Justizvollzugsanstalt nicht nur darin besteht, die Straftäter für ihre Tat zu bestrafen, sondern auch darin, sie auf einem durchdachten Weg zu besseren Menschen zu machen. (ZmS)



Jürgen Gerber, Cagla Aydin, Steffi Gläser und Eva Hummel, Isolde-Kurz-Gymnasium, Klasse 10b