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Kung Fu Fighting in Reutlingen

REUTLINGEN. Hinter den Türen des etwas abgelegenen Fabrikgebäudes der ehemaligen Firma Gustav Wagner geht es hoch her. Dort befindet sich das Kampfkunstzentrum der Fechtgesellschaft in Reutlingen, das immer wieder ein Reiseziel für Kampfsporttreibende aus dem In- und Ausland ist und mit zu den bekanntesten in Europa zählt.

Die Fechtgesellschaft ist ein gemeinnütziger Verein und wurde 1995 von einer Gruppe Reutlinger Schwarzgurte und Kampfsportinteressierter mit dem Ziel gegründet, die Verteidigungskunst auf höchstem Niveau zu trainieren und auch den Kontakt zur Kultur der jeweiligen Kampfkünste zu pflegen. Der Name Fechtgesellschaft wurde damals gewählt, weil die philippinische Kampfkunst Kali in dem Verein eine zentrale Rolle spielt.

Natürliche Einheit

Diese ist eine natürliche Einheit aus Boxen, Ringen, Treten und Fechten. Der Name Fechtgesellschaft wurde auch gewählt, um zwielichtige Gestalten, die einfach nur mal schnell »Schlägern« lernen wollen, herauszufiltern.

Im Reutlinger Kampfkunstzentrum der Fechtgesellschaft gibt es jeden Tag Kurse - morgens und abends. Unter den aktiven Trainern nimmt Uli Weidle eine besondere Rolle ein. Er ist als Experte für realistische Selbstverteidigung in ganz Europa bekannt und geachtet. Uli ist der leitende Trainer für die philippinische Kampfkunst Pekiti-Tirsia Kali in Europa, und seine Anwesenheit macht Reutlingen für Interessenten der Selbstverteidigung zu einer Art Mekka der philippinischen Kampfkünste.

Philippinischer Mentor

Der heute um die 40-jährige Uli Weidle widmet sich seit seinem zehnten Lebensjahr intensiv dem Kampfsport und der Selbstverteidigungskunst. Er trainierte beziehungsweise trainiert die Kampfkunst bei Lehrern in Deutschland, den USA, Hong Kong und auf den Philippinen. Über die Hauptstationen Karate, Boxen und Ving Tsun führte ihn sein Weg zur philippinischen Kampfkunst Pekiti-Tirsia Kali, auf die er sich heute konzentriert. Zweimal im Jahr besucht Uli Weidle seinen Mentor, den weltweit respektierten Kali Großmeister Leo T. Gaje auf den Philippinen, um dort seine sportlichen Fertigkeiten und kulturellen Kenntnisse zu vertiefen.

Die philippinische Kampfkunst Kali ist eine realitätsnahe, dynamische und vor allem praxiserprobte Selbstverteidigungskunst. Sie bereitet die Übenden auf die »Realität unserer Straßen« vor. Im Kali ist alles vertreten, sowohl Techniken ohne Waffen, als auch Boxen, Ringen und die Verteidigung mit und gegen Waffen (Messer, Stöcke). Auch situationsgerechtes Verhalten ist ein wichtiges Thema im Training.

Kali ist ein ausgereiftes System, das nicht erst vor kurzem zusammengefügt wurde, sondern seit Jahrhunderten von Generation zu Generation weitergegeben und dabei immer wieder überprüft und verfeinert wurde. Typisch für Kali ist das Training mit zwei armlangen Rattanstöcken als Übungswaffen. Durch dieses Training werden Kraft, Geschwindigkeit, Timing, Mut und Entschlussfreudigkeit schneller gestärkt als bei herkömmlichen Übungsmethoden. Ebenfalls ein wesentlicher Bestandteil des Pekiti-Tirsia Kali ist die lebensbejahende positive Philosophie. Deren Schlüsselbegriffe sind das Leben, die Gesundheit und der Erfolg. Mit dem Verstehen der Ziele entwickelt sich auch das volle Verständnis für diesen Kampfstil.

Waffenlos und wirkungsvoll

Neben Kali wird im Kampfkunstzentrum auch die chinesische Kampfkunst »Ving Tsun« angeboten. Diese ist bekannt für ihre äußerst wirkungsvollen Verteidigungsmethoden im waffenlosen Bereich. Die gelernten Techniken ermöglichen einem, auch unter realistischen Verhältnissen einen körperlich überlegenen Gegner zu besiegen.

Da der Übungsweg des »Ving Tsun« äußerst sanft beginnt, bietet er ideale Möglichkeiten, entspannt und angstfrei zu lernen. Je länger man dabei ist und trainiert, desto besser bekommt man ein Gefühl für die realistische Härte von Schlägen bei Angriff und Verteidigung. Mit dem progressiven System des »Ving Tsun« ist die Selbstverteidigungskunst für jeden zu meistern.

Um Kondition und Ausdauer zu entwickeln, bietet der Verein für seine Mitglieder verschiedene Kurse im Bereich der Kampfsport-Fitness an, die nicht nur gnadenlos zum Schwitzen bringen, sondern auch noch Spaß machen. Drei Mal im Jahr findet im Kampfkunstzentrum auch ein spezielles Training zum Thema »Sicherheit aus eigener Kraft« für Frauen und Mädchen statt.

Trainiert wird an drei Samstagen in Folge. Die Teilnehmerinnen lernen dabei Situationen richtig einzuschätzen, sich in kritischen Situationen zu behaupten und ihre Kraft wirkungsvoll einzusetzen. Geleitet werden die Kurse von den Trainern Nicole Linke und Achim Weidle (dem Bruder von Uli Weidle).

Nicole war lange Zeit im Kickboxen und Vollkontaktkarate (Kyokushinkai/Shidokan) aktiv. Sie war als Wettkämpferin so erfolgreich, dass sie der deutschen Damen-Nationalmannschaft angehörte und 1997 neben der Bayerischen Meisterschaft im Kyokushinkai auch die Deutsche Meisterschaft im Kickboxen gewann. Heute konzentriert sie sich darauf, andere zu unterrichten und ihre Fähigkeiten im waffenlosen Kampf zu verbessern.

Geduldiger Trainer

Achim Weidle widmet sich genau wie sein Bruder seit seiner Jugend der Kampfkunst und Selbstverteidigung. Er trainierte bei vielen Lehrern aus der ganzen Welt. Englisches Boxen, Ving Tsun, Lung Ying (Drachen Kung Fu) und olympisches Freistilringen sind nur ein paar der Kampfsportarten, die er gelernt hat, nun ausübt und in seiner freundlichen und geduldigen Art seinen Schülern beibringt.

Kurse für Jugendliche und Kinder stehen beim Kampfkunstzentrum mit auf der Tagesordnung. Die Kleinen werden auf sanfte und spielerische Art auf Gewaltsituationen vorbereitet. Ihnen wird nicht nur erklärt, wie sie sich wehren, sondern auch wie sie Raufereien aus dem Weg gehen können. (ZmS)

Alisa Sakkaravej und Sarah Zubeil, Graf-Eberhard-Gymnasium Bad Urach, Klasse 10b