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Aktuell INTERVIEW

Kardiologe mit Herz

REUTLINGEN. Solange andere Kaffee trinken oder Zeitung lesen, rettet er Leben – und das schon seit 17 Jahren. Dr. Friedemann Weller ist Oberarzt in der Klinik für Gefäßchirurgie, Vaskuläre und Endovaskuläre Chirurgie im Reutlinger Krankenhaus am Steinberg. Jeden Morgen, nachdem der Kardiologe sich Hose und Arztkittel übergestreift hat, geht es für ihn um 8 Uhr los. Bis offiziell 16.30 Uhr führt er OPs durch und kümmert sich um seine Patienten. Wir haben den Oberarzt ganz persönlich zu Hause besucht und einiges über seinen Beruf erfahren.

ZmS: Was wollten Sie als kleines Kind einmal werden?

Friedemann Weller: Als kleines Kind? Das weiß ich eigentlich gar nicht mehr. Auf jeden Fall wollte ich während der Schulzeit Biologie und Sport studieren. Das hatte ich auch nach dem Abitur noch vor.

Wie kamen Sie zu dem Beruf Kardiologe?

Weller: Durch meinen Zivildienst im Krankenhaus habe ich Interesse an der Medizin gefunden und mir den Arztberuf vorstellen können.

»Als guter Kardiologe braucht man manuelles Geschick und die Ruhe in der Situation«
Was war das schlimmste und schönste Erlebnis in Ihrem Beruf?

Weller: Das schlimmste Erlebnis ist sicherlich leider auch schon öfters vorgekommen, wenn Menschen gestorben sind, vor allem jüngere Menschen, die vorher gar nicht krank waren. Zack – plötzlich aus dem Leben geschieden. Schön ist auf der anderen Seite, wenn man durch unseren Einsatz dafür sorgen kann, dass es den Menschen wieder besser geht oder sie vielleicht nicht sterben müssen.

Was macht einen guten Kardiologen aus?

Weller: Als guter Kardiologe braucht man manuelles Geschick und letztendlich die Ruhe in der Situation. Wir haben oft mit Notfallsituationen zu tun und dann muss man ganz ruhig bleiben. Nicht hektisch werden, sonst wird es chaotisch. Wichtig ist, dass man die Situation schnell erfasst. Manchmal muss man auch zusätzlich seinem Bauchgefühl folgen.

Haben Sie ein bestimmtes Ritual vor einer OP und wenn ja, welches?

Weller: Wenn man eine Operation durchführt, dann ist eigentlich das Wichtigste – wie es die Piloten ja auch machen: Kontrolle. In der Routine geht oftmals etwas unter durch Unaufmerksamkeiten. Ein Pilotenteam geht vor jedem Start eine Checkliste durch: Sind meine Kontrollsysteme in Ordnung? Habe ich genügend Sprit? Obwohl er weiß, es wurde gerade aufgetankt, schaut er noch mal nach und so ist es bei der Operation auch: Der Patient erhält eine Checkliste, darauf sind seine Daten vermerkt, die vorgesehene Operation. Wie waren die Laborwerte usw., und wenn er dann in den Operationssaal kommt, wird durch Fragen kontrolliert: Wie ist Ihr Name? Wann sind Sie geboren? Man fragt ihn nach dem geplanten Eingriff, z. B. Herzschrittmacher von der linken Seite. Das ist quasi ein Ritual, dass man das wirklich komplett durchgeht, auch wenn man das Gefühl hat, das ist jetzt eigentlich völlig sicher, es kann eigentlich gar nicht falsch sein.

Was machen Sie am liebsten nach einem harten Arbeitstag?

Weller: Es kommt ein bisschen darauf an. Sagen wir mal, etwas Schlimmes war dabei. Dann muss man schauen, dass man irgendwie abschaltet. Das Beste ist sich ein bisschen sportlich zu betätigen. Leider müssen wir abends oft noch etwas für die Fortbildung tun, Fachzeitschriften lesen oder dergleichen.

»Ich würde mir wünschen, dass alle bereit sind, die Gesundheitskosten zu zahlen«
Was sind die häufigsten Herzerkrankungen und wie kann man sich davor schützen?

Weller: Die Todesursache Nummer eins in zivilisierten Ländern sind Herz-Kreislauferkrankungen: Durchblutungsstörungen, welche unter anderem zu Schlaganfall und Herzinfarkt und Herzschwäche führen.

Wie kann man sich davor schützen?

Weller: Durch eine gesunde Lebensweise: ausgewogene Ernährung, Bewegung, Rauchen meiden, Alkohol mäßig, und wenn man eine Erkrankung hat, wie zum Beispiel Blutzuckerkrankheit oder Bluthochdruck: zuverlässige Tabletten-Einnahme.

Was würden Sie sich für die Medizin in den nächsten Jahren wünschen?

Weller: Ich würde mir wünschen, dass wir alle bereit sind, die Gesundheitskosten zu bezahlen. Die Lebenserwartung steigt ständig, die Menschen werden älter, kränker, die Behandlungskosten steigen. Wir in Deutschland haben einen hohen medizinischen Standard, der erst mal finanziert werden muss. Das Geld, das wir an die Krankenkassen zahlen, reicht dafür nicht aus. Deswegen schreiben viele Krankenhäuser keine schwarze Zahlen, machen Defizite finanziell. Nicht weil sie schlecht wirtschaften, sondern weil es nicht genügend vergütet wird. Ich würde mir wünschen, dass die Gesellschaft bereit ist, dies zu finanzieren – nur so kann man einen hohen Standard aufrecht halten. (ZmS)

Marie Hausner und Anna Schölpple, BZN-Gymnasium Reutlingen, Klasse 9a