Schon draußen stoßen wir auf ein Sammelsurium an künstlerisch einmaligen Gegenständen: ein Pharao neben Engeln, Gnomfratzen, Fröschen, Schildkröten, wunderschön verzierten Brunnen und sonstigen steinernen Skulpturen.
Natürlich sind auch glasgeblasene Figuren vertreten. Ein Hexenmärchen? Nein, wohl eher der Schaffens- und Lebensbereich kreativer Menschen, der sich drinnen genau so variantenreich fortsetzt und sich durch seinen sehr eigenständigen Stil wunderbar ins Bild einfügt.
Che Guevara an der Wand
Orgel, Klavier, Empore mit Musikecke, altes Mobiliar, selbst kreierte Möbelstücke und zahlreiche selbst gemalte Bilder - in einem steckt noch ein aufgeprallter Dartpfeil drin - gemütlicher Bollerofen, also ein Heim, in dem man sich rundum wohlfühlen kann. Ein Geräusch - ich schau aus dem Fenster und traue meinen Augen kaum: Ein »Waldschrat« braust auf seinem Elektroroller an! Bin ich im falschen Film? Nun erkenne ich ihn: Volki F., ein Stützpunkthalter des Hauses braust heran. Liebevoll streichelt er seine vielen »Hexenkatzen«, während er an seiner Pfeife nuckelt. Volki: »Jetzt aber hurtig ins Haus!«
Die Grundreinigung des Körpers ohne fließend Wasser und mit vollem Elan nach getaner künstlerischer Arbeit steht an. Dann geht\qs an die Hausarbeit: Malen ist die eine Sache, das Schnippeln und Köcheln die andere.
Doch ein wahrer Meister der Kunst ist auch hier in seinem Element. Nacheinander entstehen akkurat zugeschnittene Maultaschenquatrate. Noch ein paar Zwiebeln und ein würziges Sößchen, »hmmm ...« - und das Dinner ist perfekt.
Schon trudeln die ausgehungerten Mitkünstler Geri, Steffen und andere ein. Und auf dem alten massiven Holztisch stehen bald wie von Geisterhand etliche Teller mit köstlich duftenden Dampfwolken.
Von der Wand schauen Che Guevara und Jesus mit seinen Jüngern auf die lebenslustige Runde. Das positive Lebensgefühl der Maler, Bildhauer, Kunst- schmiede und Glasbläser erfüllt den Raum. Die Gespräche drehen sich um Kunst - egal ob es um ein selbst geblasenes Glas für ein Mitglied einer Rockergruppe geht oder es sich um den Auftrag für den Grabstein einer älteren Dame handelt.
Alle sind flexibel und weltoffen. Jeder bemüht sich, eine produktive Idee einzubringen. Ein bereits Gesättigter holt aus dem Tank im Keller Wasser zum Spülen. Dieses gute Werk wird mit dem Zusammentreffen eines Salamanderpärchens belohnt. Das Wasser wird auf dem Herd erwärmt.
Unser »Waldschrat« hat nun frei und genießt seinen Feierabend auf dem Trampolin im Außenbereich. Etwas Besseres kann man sich gar nicht vorstellen. Volki : »Juhuh, ich liebe das Kultivierte, das Feiern, ich liebe nicht das Primitive.« Einige gehen im Wald spazieren. Eine andere kleine Gruppe verbrennt im Kollektiv einen alten, ausgedienten Sessel auf der zwei Meter großen Feuerschale - sehr zum Bedauern der Anwesenden.
Auf dem Hausdach tanzt Feuerkünstlerin Annette mit Fackeln und erhellt die Stimmung. Alle klatschen und jubeln durcheinander »Hurra, das war fantastisch!« - Ein harmonisches Leben in Gemeinschaft pur. Selbst das mit Gießkannen betriebene Klo, ist durch das wunderschöne selbst gestaltete Mosaik-Gebilde eine Sehenswürdigkeit.
Harmonie und Gemeinschaft pur
»Mein Leben ist wie auf einer Datscha, hier kann ich relaxen«, betont Volki genüsslich immer wieder. Geri meint: »Der Zufallsfaktor hat uns zusammengefügt, doch wie der Amerikaner so richtig sagt: Purpose is God - glauben wir nicht an den Zufall.« Dabei schmunzelt er verschmitzt.
Und wo findet man diese Idylle? Im Märchenbuch? Nein, sie ist Realität! Auf dem Schindhau in Tübingen, einem ehemaligen Militärübungsgelände. Ob dort damals schon Jesus auf die Waffenarsenale gelächelt hat? Ein Blick auf dieses liebenswerte Häufchen von Individualisten lohnt sich. (ZmS)
Katharina Turak, Kepler-Gymnasium Tübingen, Klasse 8a