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Interview mit dem Reutlinger Richter Sierk Hamann

Lena und Lilian haben mit Richter Sierk Hamann über seinen Beruf gesprochen. Er hat Eindruck hinterlassen

Richter Sierk Hamann hat Spaß bei der Arbeit. Er kann sich keinen anderen Beruf mehr vorstellen. FOTO: PIETH
Richter Sierk Hamann hat Spaß bei der Arbeit. Er kann sich keinen anderen Beruf mehr vorstellen. FOTO: PIETH
Richter Sierk Hamann hat Spaß bei der Arbeit. Er kann sich keinen anderen Beruf mehr vorstellen. FOTO: PIETH

REUTLINGEN. Als wir hörten, dass wir die Möglichkeit bekommen würden, das Reutlinger Amtsgericht zu besuchen und im Anschluss an eine Verhandlung den Jugendrichter Sierk Hamann zu interviewen, starteten wir direkt mit unseren Überlegungen, welche Fragen wir ihm stellen könnten und welche neuen Eindrücke wir bekommen würden.

Bei der Gerichtsverhandlung, welche wir am 29. November besuchten, wurde ein Fall der fahrlässigen Körperverletzung eineinhalb Stunden lang verhandelt. Danach durften wir den Richter interviewen. Im Folgenden stellen wir eine Auswahl unserer Fragen und seiner Antworten vor, und zwar die, welche für uns die bleibendsten Eindrücke hinterlassen haben.

Auf die Frage, ob Herr Hamann sein Beruf Spaß macht, meinte er, seine Arbeit sei die beste, die es gäbe und er würde sich auch für keinen anderen Beruf mehr begeistern lassen. Es gibt Fälle, die rechtlich gesehen sehr spannend sind. Er sagte, es sei wie bei Mathematikern, die sich freuten, eine knifflige Textaufgabe zu lösen.

»Ich bin in meinem Gerichtssaal sozusagen der Babo«

Wir fragten ihn nach der Sicherheit im Gerichtssaal, den schwersten und schlimmsten Fällen. Er antwortete darauf, ohne mit der Wimper zu zucken: »Ich habe alles, was ich brauche, ich bin in meinem Gerichtssaal sozusagen der ›Babo‹. Ich kann hier am Tisch, falls etwas schieflaufen sollte, auf einen Knopf drücken, dann stehen in zehn Sekunden drei muskelbepackte Justizwachtmeister hier im Raum. Wenn ich auf einen anderen Knopf drücke, stehen fast noch schneller drei Streifenwagen vor der Türe. Aber die beste Sicherheit, die es geben kann, ist einfach fair zu sein und anzuhören, was die Angeklagten und Opfer mir zu sagen haben. Das ist mir sehr wichtig.«

 

Nach kurzer Überlegung fügte er hinzu: »Momentan empfinde ich die Fälle, bei denen es um Gewalt gegen Frauen geht, am schwersten, aber genauso schwer finde ich die Gewalt an Kindern.« Außerdem interessierte uns, ob er auch manchmal Angst habe, falsche Entscheidungen zu treffen und ob er zu Hause mit den Fällen abschließen könne.

»Ich nehme alle Fälle irgendwie mit nach Hause«

»Ja, selbstverständlich! Ich habe immer Angst, aber das ist auch normal. Lehrer haben auch Angst, falsche Noten zu geben. Ich bin auch nur ein Mensch und Fehler sind menschlich. Ich nehme alle Fälle irgendwie mit nach Hause, sie bestimmen allerdings nicht mein Leben. Ein paar ehrliche Kollegen jedoch sagen offen, dass sie bei manchen Fällen noch im Bett darüber nachdenken. Sie beschreiben es dann so, dass sie das Gefühl hätten, der zur einer Freiheitsstrafe ohne Bewährung verurteilte Angeklagte stünde nachts neben ihrem Bett.«

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Richter Hamann äußerte auf eine unserer nächsten Fragen, er sei fest überzeugt, dass Sympathie für einen Angeklagten einen Richter immer beeinflusse, jedoch nicht beim Urteil. »Es ist ein wichtiger Bestandteil des Prozesses, den Angeklagten und den Opfern entgegenzukommen, also auf Augenhöhe zu vernehmen und trotzdem ernst genommen zu werden.« Das Wichtigste für Richter Hamann ist, dass die Würde eines Menschen für andere unantastbar bleibt, so wie es in unserem Grundgesetz steht.

Zweieinhalb Stunden dauerte unser Besuch im Amtsgericht, während der kurzen Pause vor der Urteilsverkündung wollte niemand aus unserer Klasse den Raum verlassen. An dieser Stelle möchten wir uns noch einmal herzlich bei Herrn Hamann für sein bereitwilliges Beantworten all unserer Fragen bedanken.

 

Lena Knupfer und Lilian Schwörer, Gymnasium Gammertingen, Klasse 10c

 

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