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Aktuell INTERVIEW

Immer in der ersten Reihe

REUTLINGEN. Mit vier Jahren schon ist ihm klar, was einmal aus ihm werden soll. Wer in ein Orchesterkonzert der Württembergischen Philharmonie Reutlingen geht, dem fällt sicher schnell dieser Geiger ganz außen in der ersten Reihe auf, der besonders engagiert und ausdrucksstark spielt: Fabian Wettstein, seit etlichen Jahren schon Konzertmeister dieses Orchesters. Die ZmS-Reporterinnen Hannah Wilkening und Viola Bürck aus der Klasse 9b des Wildermuth-Gymnasiums Tübingen haben mit ihm gesprochen.

Die Württembergische Philharmonie Reutlingen – vorne von links die Konzertmeister Timo de Leo und Fabian Wettstein – im Schulkon
Die Württembergische Philharmonie Reutlingen – vorne von links die Konzertmeister Timo de Leo und Fabian Wettstein – im Schulkonzert im Mai 2015 im Georgensaal in Reutlingen. GEA-ARCHIVFOTO: KNAUER
Die Württembergische Philharmonie Reutlingen – vorne von links die Konzertmeister Timo de Leo und Fabian Wettstein – im Schulkonzert im Mai 2015 im Georgensaal in Reutlingen. GEA-ARCHIVFOTO: KNAUER
ZmS: Möchten Sie sich zu Anfang kurz vorstellen?

Fabian Wettstein: Ich heiße Fabian Wettstein und bin am 5. Dezember 1979 in Furtwangen im Schwarzwald geboren, aber in Freiburg aufgewachsen. Ich komme aus einer sehr musikalischen Familie, meine Mutter spielt Geige und mein Vater Cello und Klavier. Meine beiden älteren Geschwister haben auch viel Musik gemacht und dadurch bin ich von klein auf in die Musik hineingewachsen.
»Ich habe so lange gequengelt, bis ich auch so ein Ding bekommen habe«
Und wie lief Ihre Karriere bis jetzt ab? Wie hat alles angefangen?

Wettstein: Mit vier Jahren wollte ich unbedingt Geige spielen lernen und ich habe dann so lange gequengelt, bis ich auch so ein Ding (lacht) bekommen habe. Die ersten acht Jahre wurde ich von meiner Mutter unterrichtet, bis ich mit zwölf Jahren zu einem Studienfreund von ihr, Riza Yildiz, gewechselt habe. Ich war in der Zeit sehr viel unterwegs, weil er ziemlich weit von mir entfernt wohnte. In dieser Zeit habe ich fast jedes Jahr bei »Jugend musiziert« mitgemacht und im Landes- und Bundesjugendorchester gespielt. Damals habe ich bereits gemerkt, dass mir das Musizieren als Konzertmeister viel mehr Spaß macht als das Spielen als Tuttist. Mit 18 Jahren kam ich dann in die Vorklasse von Rainer Kussmaul, der damals Konzertmeister der Berliner Philharmoniker war. Er hatte zu der Zeit eine Professur in Freiburg und bei ihm durfte ich nach dem Abitur auch gleich anfangen zu studieren. Am Ende des Studiums war ich noch drei Jahre lang in den USA, um Unterricht bei Miriam Fried zu nehmen. Ja, und dann kam ich nach Reutlingen.

Warum haben Sie sich für Reutlingen entschieden?

Wettstein: Ich habe mich auf rund 20 Konzertmeisterstellen in Deutschland beworben und in der Württembergischen Philharmonie Reutlingen habe ich ziemlich bald das Probespiel gewonnen. Vom Orchester wurde ich damals sehr herzlich aufgenommen und ich schätzte sofort die besondere Atmosphäre der WPR. Mit vielen Kollegen bin ich heute sehr gut befreundet. Außerdem habe ich im Orchester meine Frau kennengelernt. Und so bin ich hier geblieben.

Und was haben Sie nun als Konzertmeister für Verantwortungen zu tragen?

Wettstein: Also erst mal bin ich verantwortlich für die erste Geigengruppe und muss, was das Spielen angeht, ein Vorbild sein. Ich bin aber auch verantwortlich für die Striche – also die Strichrichtung der Bögen – aller Streichergruppen und bei der Probenarbeit so etwas wie das Verbindungsglied zwischen dem Orchester und dem Dirigenten. Als Konzertmeister kann man auch die Probenarbeit mehr beeinflussen, da ich im Orchester eher die Erlaubnis habe, andere zu kritisieren. Man sollte es natürlich nicht übertreiben (lacht). Außerdem ist der Konzertmeister bei Konzerten der Rettungsanker für die Kollegen, falls der Dirigent mal patzt ...
»Der Konzertmeister ist der Rettungsanker für die Kollegen, falls der Dirigent mal patzt«
Wie viel Zeit nimmt der Beruf durchschnittlich in Anspruch?

Wettstein: Also wir spielen etwa 70 bis 80 Konzerte im Jahr, die alle meistens zwei bis drei Stunden lang sind. Für jedes Konzert gibt es dann je nach Schwierigkeit vier bis sieben Proben, die jeweils ungefähr zwei bis drei Stunden in Anspruch nehmen. Wir müssen die Stücke natürlich auch alleine vorbereiten, damit wir uns in den gemeinsamen Proben mit dem Zusammenspiel und den musikalischen Dingen befassen können.

Hat das dann jetzt Auswirkungen auf Ihre Familie und Ihr Privatleben?

Wettstein: Es ist eben ein sehr unregelmäßiger Beruf. Aber dafür auch sehr abwechslungsreich. Ich bin oft wegen der Konzerte abends unterwegs, außer bei Matineen. Proben sind bei uns meistens vor- und nachmittags. Hin und wieder bin ich aber auch mehrere Tage am Stück weg, wenn wir auf Konzertreisen gehen.

Sind Sie auch solistisch tätig?

Wettstein: Ab und zu darf ich mit dem Orchester solistisch konzertieren. Zum Beispiel am 3. März 2016 mit den »Vier Jahreszeiten« von Vivaldi und Piazolla. Ansonsten mache ich gerne Kammermusik, trete gerne im Sreichquartett oder auch mit Klavierbegleitung auf.

Würden Sie nochmal für die Stelle vorspielen?

Wettstein: Ja, auf jeden Fall. Der Beruf macht sehr viel Spaß und ich kann jedem empfehlen, bereits in der Jugend viel Zeit in seine Vorhaben zu investieren. (ZmS)