REUTLINGEN. Wer schön sein will, muss schlank sein? Zumindest in der Modebranche gilt dieser Grundsatz immer noch. Ihre leidvollen Erfahrungen schildert Ex-Model Kera Rachel Cook (29). Die Böblingerin kämpfte mit Essstörungen.
Wann hast Du mit dem Modeln angefangen?
Kera Rachel Cook: Ich habe mit 15 mein erstes Angebot von einer Modelagentur bekommen, dann gab es immer mal wieder kleinere Fotoshootings. Dass ich wirklich einen Vertrag bei einer großen deutschen Modelagentur hatte, war erst als Plus-Size-Model, und das war mit 22.
Welchen Berufswunsch hattest Du davor?
Kera Rachel: Ich wollte ursprünglich Schauspielerin werden, Modeln war nur eine Möglichkeit, um ins Schauspielbusiness reinzukommen. Dann hatte ich das große Ziel, mit »Germany’s next Topmodel« im Jahr 2010 möglichst weit zu kommen. Ich hatten wahrscheinlich ein ähnliches Ziel, wie die meisten, die versuchen, als Model erfolgreich zu werden. Ich wollte immer auf Zeitschriftencover und zu Victoria’s Secret.
»Das Problem ist, dass es da nicht reicht, wenn man sich selber schön findet«
Du hattest eine Essstörung. Wie bist Du da reingerutscht?
Kera Rachel: Ich bin da reingerutscht mit der Anfrage einer Agentur, die mich unter Vertrag nehmen wollte – was aber an die Bedingung geknüpft war, dass ich abnehmen muss. Ich habe dann angefangen, Diät zu halten. Das habe ich immer weiter verschärft und bin so in die Essstörung reingerutscht.
Wie hast Du das gemerkt?
Kera Rachel: Ich hatte immer mal wieder kleine Fressanfälle, und wusste aber gar nicht so richtig was da mit mir passiert. Als ich dann auf einmal drei Packungen Eis in mich reingestopft habe, da war dann der Punkt gekommen, dass ich gemerkt habe, irgendetwas stimmt mit mir nicht. Ich brauche Hilfe.
Welche Art von Hilfe hast Du Dir dann geholt?
Kera Rachel: Zuerst war ich bei einer Jugendberatungsstelle in Böblingen, dort hatte ich dann alle drei Wochen ein Gespräch mit einer Therapeutin. Als ich dann in Hamburg war, hatte ich regelmäßig einmal in der Woche ein Gespräch, habe dann aber gemerkt, dass mir dass nicht reicht, und war dann in einer Klinik.
Welche Art von Essstörung hattest Du?
Kera Rachel: Ich hatte eine Form der Bulimie, bei der man Essattacken hat, aber nicht erbricht, sondern stattdessen als Gegenmaßnahme Appetitzügler und Abführmittel nimmt. Dann habe ich den ganzen Tag nichts gegessen, aber trotzdem viel Sport gemacht. Irgendwann, als ich dann im Plus-Size-Bereich tätig war, hat sich das in Binge Eating umgewandelt. Das heißt, ich hatte nur noch die Fressanfälle und hab dann aber keine gegensteuernden Maßnahmen mehr eingeleitet.
Du warst bei »Germany’s next Topmodel« dabei. Inwiefern hat das zur Essstörung beigetragen?
Kera Rachel: Dadurch dass die Jury mehrmals meine Figur kritisiert hat, und ich trotz meiner 1,83 Meter nur 66 Kilo gewogen habe, war für mich klar, irgendwas muss mit meiner Figur nicht stimmen. Als ich dann rausgeflogen bin, wollte ich beweisen, dass ich auch ohne »Germany’s next Topmodel« Model werden kann. So hat sich meine Essstörung verschlechtert und festgesetzt.
Wie denkst Du heute über die Show?
Kera Rachel: Ich finde sie schwierig, weil sie junge Frauen nur auf ihr Aussehen beschränkt. Da geht es um nichts anderes als ein schönes Gesicht und eine gute Figur. Das Problem ist, dass es da nicht reicht, wenn man sich selber schön findet. Sondern man muss den Menschen gefallen, die dir einen Job geben können.
Wie bist Du von der Essstörung weggekommen?
Kera Rachel: Durch verschiedene Dinge, zum einen durch die Klinikaufenthalte. Ich war zwei mal in einer psychiatrischen Klinik. Außerdem hat mir das Buch »Die Frau, die im Mondlicht aß« sehr geholfen und mir eine neue Lebensperspektive eröffnet. Ich habe mich mit mir selbst auseinandergesetzt, bis ich zu dem Punkt gekommen bin, mich so anzunehmen, wie ich bin. (ZmS)
Liv Unger, HAP-Grieshaber-Gymnasium Reutlingen, Klasse 9c