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Aktuell Soziales

Hinter schwedischen Gardinen

TÜBINGEN . Ein kleiner Raum, dickes Panzerglas, die Stimmung etwas bedrückend. Unsere Personalien werden gecheckt und wir müssen alle persönlichen Wertgegenstände einschließen: Handys, Geldbeutel, Schlüssel. Dann geht es durch zwei Sicherheitsbereiche. Nach der dritten Tür sind wir im Innenhof der JVA Tübingen, die eine reine Untersuchungshaftanstalt ist.

Überall sieht man Kameras und auf den Mauern Stacheldraht. Rechts von uns ist das Gebäude mit den Zellen, die Fenster sind alle mit Gittern versehen. Links von uns das Besuchergebäude. Wir sind Besucher, gehen aber in das Gebäude mit den Zellen.

Geregelter Tagesablauf

Zuerst besichtigten wir die Zelle eines Häftlings, der sehr kooperativ ist und dessen Zelle deshalb zeitweise offen steht. Die Häftlinge stehen unter Beobachtung. Sie werden jeden Morgen um sieben Uhr geweckt und bekommen ihr Frühstück. In ihren Zellen haben sie einen Fernseher, der nur durch Bezahlung funktioniert. Nach dem Mittagessen, um 11.30 Uhr, findet der Hofgang statt, danach können sich die Gefangenen mehrmals in der Woche mit einem evangelischen oder katholischen Seelsorger unterhalten.

Duschen können oder dürfen sie in der Woche maximal drei Mal. Zweimal im Monat können die Gefangenen innerhalb der Anstalt einkaufen, zum Beispiel Schokolade, Waschmittel, Tabak oder Dinge zur Unterhaltung, zum Beispiel Zeitungen. Es kommen aber auch soziale Gruppen von außen, die sich mit den Häftlingen beschäftigen. Die Häftlinge dürfen mindestens eine Stunde im Monat von Angehörigen besucht werden. Handys dürfen sie nicht besitzen. Wenn sie Post bekommen, wird diese meist zuvor vom Staatsanwalt durchgelesen. Es gibt auch einen Sozialarbeiter, der sich um die Insassen kümmert: Er redet mit ihnen, hilft bei Formalitäten rund um Wohnung und Finanzen oder organisiert die Versorgung von Haustieren.

Nachdem wir beim Sozialarbeiter waren, sind wir aus dem Gebäude mit den Zellen über den Hof, auf dem 1948 die letzte Hinrichtung in Deutschland stattgefunden hat, in das Besuchergebäude gelaufen. Im Besucherraum, in dem ein Angeklagter mit seinen Anwälten oder Angehörigen sprechen kann, befinden sich ein paar Bilder, ein paar Stühle und ein Tisch. In der Mitte des Tisches eine 25 Zentimeter hohe Glasscheibe, die die zwei Parteien voneinander trennt.

Es folgt wieder die Torwache. Wir bekommen unsere Ausweise zurück und dürfen unsere Wertsachen wieder entgegennehmen. Der Sicherheitsstandard der Panzerglaskabine ist hoch: »Die Kabine ist gegen Faustfeuerwaffen sicher«, erklärt Jürgen Aberle, Dienstleiter der JVA Tübingen. So weit, so gut, aber spielen Ausbruchversuche eine Rolle in Tübingen? »Ja, schon ein paar Mal. Es gab auch schon ein paar erfolgreiche Ausbrüche, aber diese waren im letzten Jahrhundert, da der Technikstandard noch nicht so hoch war.«

Damit endet unser Besuch in der JVA Tübingen und wir brechen ebenfalls aus – aber ganz legal. (ZmS)

Matthias Franz, Lena Jauss und Hannah Schaller, BZN Gymnasium Reutlingen, Klasse 9d