Logo
Aktuell Justiz

Gesiebte Luft atmen

TÜBINGEN. Schwarz-weiß gestreifte Anzüge, Wasser und Brot, Ausbrüche, Schlägereien. So stellen sich viele ein Gefängnis vor. Ein ganzer Tag »Hinter den Mauern« und man weiß, wie es wirklich ist: Mit 61 Gefangenen, 34 Zellen und 36 Justizvollzieher wird die Justizvollzugsanstalt Tübingen noch als »klein« bezeichnet. Laut Vollzugsleiter Jürgen Wolf führen die Gefangenen, soweit es die Hartstahlgitter und Mauern zulassen, ein »ganz normales Leben«.

Der Tag bei einem Gefangenen besteht nicht nur daraus, in seiner Zelle zu sitzen und Däumchen zu drehen, sondern, so erklärte Jürgen Wolf, beginnt der Tag bereits um 7 Uhr mit dem Frühstück. Weiter geht es um 7.30 Uhr zur Arbeit. Die Gefangenen haben die Aufgabe, mechanische Federn in Kisten zu sortieren und sie gegebenenfalls zu verbiegen. Der Arbeitsbereich liegt im Untergeschoss, wo sich ebenfalls ein kleiner Teil von Arbeiterzellen befindet.

Hofgang vorgeschrieben

Bereits um 11 Uhr gibt es dann Mittagessen. Dies besteht aber nicht, wie viele denken, aus Wasser und Brot, sondern aus Hackbraten, Spaghetti und am Freitag auch mal Fisch. Die gesetzlich vorgeschriebene Mittagsruhe geht bis um 13 Uhr. Danach beginnt der schönste Teil des Tages für die Gefangenen: Sie haben die Möglichkeit, nach draußen zu gehen. Volleyball, Tischtennis zu spielen oder einfach nur Spazieren zu gehen sind zu dieser Zeit die Lieblingsbeschäftigungen eines Untersuchungshäftlings während des gesetzlich vorgeschriebenen Hofgangs. Freizeit - auch das ist ein wichtiger Punkt im Alltag eines Sträflings. Eineinhalb Stunden haben die Gefangenen Zeit, fast alles zu tun und zu lassen, was sie wollen.

Kaum vorstellbar, aber wahr: Um 16 Uhr heißt es für alle Insassen Abendessen. Dies wurde bereits einige Zeit vorher von der JVA Rottenburg angeliefert, da die Küche in Tübingen das Essen nicht selbst kocht. Ab 16.30 Uhr bis um 18.30 Uhr steht dann der Freizeitraum zur Verfügung, in dem die Sträflinge Karten spielen, malen oder reden können. Die Kreativität der Gefangenen hat keine Grenzen und so entstehen an den Wänden Sprüche wie: »Der Friede ist schwierig, aber nicht unmöglich« oder »Sie können uns lieben oder hassen, irgendwann müssen sie uns entlassen«, die einen zum Nachdenken bringen.

Aggressionen raus im Kraftraum

Sonntags finden dort auch evangelische und katholische Gottesdienste statt. Wegen der hohen Anzahl von Ausländern werden auch Deutschkurse angeboten. In der JVA Tübingen gibt es ebenfalls einen Kraftraum, da laut Vollzugsleiter Wolf die Gefangenen ihre Aggressionen besser abbauen können, und so keine Spannungen unter den Häftlingen entstehen.

Neben den Zellen, dem Freizeitraum und der Küche gibt es auch noch einen Zahnarztraum und einen Arztraum. Diese sind jeweils einmal in der Woche besetzt. Die Insassen können, für ihren eigenen Gebrauch, noch zwei Mal im Monat Lebensmittel oder andere persönliche Dinge einkaufen, indem sie auf eine Liste schreiben, was sie benötigen. Anschließend liefert ein Unternehmer diese Waren und teilt sie an die Häftlinge aus. Im Haupthaus befinden sich im Erdgeschoss und im Obergeschoss Zellen und der Verwaltungs- und Beamtenbereich. Durch den Vorhof wird das Besucherhaus vom Haupthaus getrennt.

Eine Stunde Besuch im Monat

Jeder Gefangene hat Anspruch auf eine Stunde Besuch im Monat. Diesen kann man sich aber in zwei mal 30 Minuten im Monat aufteilen. In den Besucherzimmern gibt es einen Tisch mit einer Glaswand dazwischen, da in einem unbeobachteten Moment Handys oder Ähnliches von Verwandten oder Freunden zum Gefangenen gereicht werden könnten. Es gibt ebenfalls noch zwei weitere Stühle für einen Justizvollzieher und wenn nötig einem Dolmetscher, da während der Besucherzeit nicht über den bevorstehenden Prozess geredet werden darf. Rechtsanwälte beziehungsweise Verteidiger haben keine begrenzte Besuchszeit.

Alle Inhaftierten sind Männer über dem 18. Lebensjahr und sie wurden alle noch nicht verurteilt, das heißt, sie haben ihr Gerichtsverfahren noch vor sich. In Untersuchungshaft ist man so lange, wie das Gerichtsverfahren dauert. Entweder sie werden von der Staatsanwaltschaft frei gesprochen, oder sie bekommen eine Haftstrafe auferlegt und kommen dann in ein Gefängnis, wo sie ihre Strafe absitzen müssen.

Nachdem ein Gefangener den größten Teil seiner Strafe abgesessen hat, besteht die Möglichkeit, dass er auf Bewährung frei kommt. Allerdings darf er in dieser Zeit nicht gegen das Gesetz verstoßen, da er sonst den Rest von der alten Strafe und die neue Haftstrafe absitzen muss. Jürgen Wolf erklärte, dass es kein Briefgeheimnis gibt, da sonst wichtige Zeugen beeinflusst werden könnten. Auch das Telefonieren ist strengstens verboten.

Mensch bleibt Mensch

Den Vollzugsleitern und Beamten ist es wichtig, dass die Bindung zwischen Außenwelt und JVA aufrechterhalten wird. Das Wichtigste aber ist: »Hier werden alle Gefangenen wie Menschen behandelt«, wie Jürgen Wolf erklärte. Nun wissen wir, dass der Alltag in einem Gefängnis nicht so trist ist, wie es sich viele vorstellen, oder wie es in den Medien manchmal dargestellt wird.

Vielen Dank an die JVA Tübingen, vor allem an Jürgen Wolf und Justizvollzieher Jürgen Aberle, für den Besuch und die aufschlussreiche Führung. (ZmS)

Stefanie Schmidt, Sandra Haas, Christina Fandrich, Dietrich-Bonhoeffer-Gymnasium Metzingen, Klasse 9b