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Gefangen am 3. Oktober 1944

GOMADINGEN. Rund elf Millionen deutsche Kriegsgefangene sind nach 1945 nach Hause zurückgekehrt und haben über die Erlebnisse berichtet. Einer davon ist Martin Wagner, denn ich für ZmS interviewt habe, um mehr über seine Kriegsgefangenschaft zu erfahren.

ZmS: Wann wurdest du zum Kriegsdienst einberufen?

Martin Wagner: Ich war 18 Jahre alt und erhielt den Einberufungsbefehl am 3. Mai 1944 in die Hindenburg-Kaserne nach Reutlingen zur Ausbildung zum Panzergrenadier.

Wann bist du an die Front gekommen?

Wagner: Nach vier Monaten Ausbildung war die Lage an der westlichen Front so schwierig, dass wir in Reutlingen ausgerüstet wurden zum direkten Einsatz nach Frankreich.

Wie bist du in Gefangenschaft geraten?

Wagner: Nach verlustreichen Einsätzen kam ich mit wenigen Überlebenden am 3. Oktober 1944 in amerikanische Gefangenschaft.

»Immer wieder die Ungewissheit, was der nächste Tag bringen wird«

Wie kamst du nach Amerika?

Wagner: Auf offenen Lkw wurden wir nach Marseille transportiert und von dort auf ein Truppentransportschiff verladen. Nach 18-tägiger Schifffahrt kamen wir in Norfolk/Virginia an. Nach weiteren fünf Tagen im Zug kamen wir im Baumwolllager in Neu Mexiko an.

Kamst du nach deiner Rückkehr von Amerika nach Hause?

Wagner: Das dachten wir erst alle, als wir auf das Schiff stiegen, dass es jetzt heimwärts geht. Doch wir kamen am 8. März 1946 nach Belgien in ein weiteres Lager. Dort waren wir aber nur zwei Monate, dann sind wir am 8. Mai 1946 nach England gebracht worden.

Was musstest du in der englischen Kriegsgefangenschaft machen?

Wagner: Wir wurden laufend in Arbeitskommandos eingeteilt und mussten auf vielen Farmen Arbeiten verrichten.

Wann bist du wieder nach Hause gekommen?

Wagner: Ich bin am 18. Juli 1947 von England nach Hause gekommen.

In wie vielen Lagern warst du als Kriegsgefangener insgesamt?

Wagner: In etwa 22 Lagern in vier verschiedenen Ländern.

Was hat dich in der Gefangenschaft am meisten geplagt?

Wagner: Immer wieder die Perioden des Hungers. Immer wieder die Ungewissheit, was der nächste Tag bringen wird. Besonders schlimm der Sommer 1945, nach Kriegsende. Wir mussten in Neu Mexiko täglich neun Stunden arbeiten auf dem Baumwollfeld bei 40 Grad Hitze und schlechter Ernährung.

Gab es auch gute Erfahrungen als Kriegsgefangener?

Wagner: Das Erlebnis, rund um die halbe Welt transportiert zu werden und dabei viele Fremdes erlebt und gesehen zu haben. Weihnachten 1946 - wir durften in England das Lager verlassen und in die Stadt gehen. Dabei hat uns ein Engländer als Gäste eingeladen, der während des Krieges in Deutschland fünf Jahre in deutscher Kriegsgefangenschaft war. (ZmS) Michael Rippel, Gustav-Mesmer-Realschule Münsingen, Klasse 8 a