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Erschreckende Grausamkeiten

Theresa Schöck hat in Hohenschönhausen mit einem ehemaligen Stasi-Gefangenen gesprochen

Was Arno Drefke zu berichten hat, bedrückt seine Zuhörer sichtlich. Der Rundgang durch den ehemaligen Stasi-Knast Hohenschönhaus
Was Arno Drefke zu berichten hat, bedrückt seine Zuhörer sichtlich. Der Rundgang durch den ehemaligen Stasi-Knast Hohenschönhausen hinterlässt ein beklemmendes Gefühl und macht nachdenklich. FOTOS: PRIVAT
Was Arno Drefke zu berichten hat, bedrückt seine Zuhörer sichtlich. Der Rundgang durch den ehemaligen Stasi-Knast Hohenschönhausen hinterlässt ein beklemmendes Gefühl und macht nachdenklich. FOTOS: PRIVAT

BERLIN/REUTLINGEN. Kahle Wände, ein fensterloser Raum, beißendes Licht und bis auf das Klappern der Türspione war kein Laut zu hören. Der heute 83-jährige Arno Drefke saß fast zehn Jahre in der DDR im Gefängnis. Seine Untersuchungshaft verbrachte er in Berlin-Hohenschönhausen. Arno Drefke, geboren 1934 in Wittstock, plante als 19-jähriger Junge eigentlich, in der Zukunft einmal die Drogerie seines Vaters zu übernehmen. Er engagierte sich im »Bund deutscher Jugend«. Dies war ein westlich orientierter Zusammenschluss, der sich gegen den Kommunismus positionierte. Wegen dieser Aktivitäten verhaftete die »Staatssicherheit« Drefke 1953.

Perfide Verhörmethoden

Ich besichtigte das Stasi-Gefängnis Hohenschönhausen, das heute eine Gedenkstätte ist, und war sprachlos. Es ist erschreckend, welche Grausamkeiten und ausgefeilte, psychologische Methoden die Häftlinge dort erfahren mussten. In einem Interview sprach ich mit dem Zeitzeugen Arno Drefke darüber. Drefke wurde wegen des Vorwurfs von »Spionage und Verbindung zu West-Berliner Dienststellen« festgenommen. Er kam in Hohenschönhausen in Untersuchungshaft. Dort galten äußerst strenge Regeln. Die Häftlinge durften nicht viel in ihren etwa drei Quadratmeter großen Zellen. Zum Beispiel war es ihnen verboten, sich an die Wand zu lehnen oder jegliche Geräusche zu machen. Nachts mussten sie in einer bestimmten Schlafhaltung liegen, die Hände mussten auf der Bettdecke bleiben. Da das im Schlaf kaum möglich ist, wurden die Inhaftierten immer wieder aufgeweckt, sobald sie sich drehten.

Die Zellen beinhalteten eine Pritsche, einen Kübel, der als Toilette dienen musste, und eine Lampe, die Tag und Nacht brannte. Die Wände waren kalkweiß gestrichen. Die Häftlinge erhielten kein Buch, keine Zeitung und auch keinen Brief ihrer Familie. Vor Langeweile und, da die Farben, die Drefke sah, nur aus Weißtönen bestanden, schmerzten ihm nach einiger Zeit die Augen. Er sehnte sich nach Farbe und Ablenkung: »Man wollte bunte Bilder sehen, was aber da nicht möglich war.«

Das Schlimmste aber war für Drefke die Isolation. Die Häftlinge durften weder sprechen oder singen noch Klopfzeichen geben. Und da sie alle in Einzelzellen untergebracht waren, hatten sie überhaupt keine Kommunikationsmöglichkeit. Drefke erzählte mir, dass er unbedingt mit jemandem sprechen wollte, doch dies war, außer mit seinem Vernehmer, nicht möglich.

Kaum zu ertragende Isolation

Während der Untersuchungshaft hatte Drefke keinen Kontakt zu seiner Familie. Seine ersten Verhöre fanden nachts statt. Tagsüber durfte er sich nicht hinlegen. Somit schlief er an den ersten drei Tagen jede Nacht nur für eine Stunde. Danach hatte ihn die Stasi so weit, dass er alles gestand, was ihm vorgeworfen wurde, auch wenn es dafür keinerlei Beweise gab.

Und wie lief der Prozess ab? Auf meine Frage, ob er einen Anwalt gehabt habe, erwiderte Drefke ein klares Nein. »Theoretisch hatte ich einen Pflichtverteidiger, mit dem ich aber nicht ein einziges Wort sprechen konnte.« Die Richter verurteilten Arno Drefke im Alter von 19 Jahren zu einer lebenslänglichen Haftstrafe, die später allerdings verkürzt wurde.

Ich fragte mich, was ihm die Kraft zum Überleben gegeben hatte und er meinte: »Der Gedanke: Ich will hier raus!« Ein halbes Jahr nach seiner Entlassung heiratete Arno Drefke seine Frau Brunhilde. Die beiden sind bis heute glücklich verheiratet und inzwischen feierten sie schon ihre goldene Hochzeit. (ZmS)

Theresa Schöck, HAP-Grieshaber-Gymnasiums Reutlingen, Klasse 9a