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Die ZmS-Reporterinnen Lisann und Pia haben die JVA Heilbronn besucht und mit dem Gefängnispfarrer gesprochen

ZmS-Reporterinnen mit Gefängnispfarrer Jochen Stiefel vor der Justizvollzugsanstalt Heilbronn.
ZmS-Reporterinnen mit Gefängnispfarrer Jochen Stiefel vor der Justizvollzugsanstalt Heilbronn. Foto: Gea
ZmS-Reporterinnen mit Gefängnispfarrer Jochen Stiefel vor der Justizvollzugsanstalt Heilbronn.
Foto: Gea

HEILBRONN. Mitten in der Innenstadt von Heilbronn steht die Justizvollzugsanstalt (JVA), in welcher sich ungefähr 350 inhaftierte Männer befinden. Wir haben mit dem dort angestellten Gefängnisseelsorger und Gefängnispfarrer Jochen Stiefel gesprochen.

Allgemein gibt es für alle Gefängnisse einen Vollzugsplan, an den sie sich halten müssen. Die Beamten wollen erreichen, dass die Häftlinge das Alltagsleben erlernen und nicht mehr gegen das Gesetz verstoßen. Dabei sind ungefähr um die 50 Prozent wieder rückfällig.

Die Häftlinge der JVA haben rund 35 verschiedene Nationalitäten, die meisten davon sind Deutsche (circa 50 Prozent) und Türken (circa 30 Prozent). Die Häftlinge sind in zwei unterschiedliche Kategorien eingeteilt. Einmal gibt es die Untersuchungshaft. Das sind die Leute, die noch kein Urteil haben, und das andere Mal die Strafhaft, das sind die, die schon ein Urteil bekommen haben. Die U-Häftlinge haben kein Kontakt zu den anderen Sträflingen und dürfen auch nur eine Stunde am Tag raus und sind somit 23 Stunden in ihren Zellen.

Eine Zelle, meistens sind es Einzelzellen, ist sieben Quadratmeter groß, in welcher sich ein Bett, eine Toilette, ein Waschbecken und ein Tisch befinden. Die Zelle wird regelmäßig durchsucht. Im Gefängnis gilt Tabak als Währung untereinander. Daraus kann man schließen, dass rund 97 Prozent der Häftlinge Raucher sind. Außenstehende können die Inhaftierten einmal im Monat mit höchstens 65 Euro unterstützen. Dieses Geld können sie zweimal im Monat bei einem Einkauf etwa für Kleidung, Essen oder Zeitschriften verwenden.

Eigene Taschen-Marke

Die Häftlinge haben oft keinen Schulabschluss, sie können aber im Gefängnis einen Hauptschulabschluss erlangen oder eine Ausbildung als Schreiner, Schlosser, Drucker, Stapelfahrer, Schweißer oder Logistiker erlernen. Bei der Ausbildung verdienen die Häftlinge ein bis zwei Euro in der Stunde. Es gibt auch im Gefängnis verschiedene Freizeitangebote wie Fitness, Tischtennis, Fußball, Badminton, Chor, Kunstgruppe, Skat, Dart oder auch Sprachkurse, die die Inhaftierten besuchen können. Als Resozialisierungsprojekt gibt es von der JVA Heilbronn Taschen zum Verkaufen, die die Häftlinge selber entworfen haben. Diese Marke heißt Jailers.

Die Inhaftierten dürfen dreimal im Monat Besuch empfangen. Für exakt eine Stunde und 20 Minuten. Längere Besuchszeiten sind nur möglich durch den Vater-Kind-Kurs oder bei einem Urteil von mindestens fünf Jahren. Bei Letzterem muss der Sträfling den Besucher schon vor dem Gefängnis gekannt haben. Dann dürfen die Häftlinge mit den Besuchern vier Stunden allein verbringen. Außerdem darf man mit einem Urteil von mindestens fünf Jahren einen Kanarienvogel in der Zelle besitzen.

Zweimal im Jahr gibt es einen gelockerten Ausgang für auserwählte Häftlinge mit einer Eins-zu-eins-Betreuung, zum Beispiel Wanderungen. Der Alltag besteht darin, dass es unter der Woche um sechs Uhr morgens und am Wochenende um acht Uhr morgens eine Lebenskontrolle gibt. Danach können die Häftlinge Arbeiten, in die Schule gehen, Freizeitaktivitäten ausführen oder einen Hofgang machen. Das Essen, welches ein Koch vorbereitet hat, wird in der Zelle eingenommen.

Bei Wahlen dürfen die Inhaftierten durch Briefwahlen mit abstimmen, natürlich nur die mit deutschem Pass. Zum Thema Homosexualität konnte Herr Stiefel uns sagen, dass sie dort nicht öffentlich preisgegeben wird, da es oft zu Hänseleien und dummen Sprüchen führen kann. Es gibt einen Häftling, bei dem jeder weiß, dass er homosexuell ist und der es auch öffentlich zugegeben hat. Aber es gab auch schon ein Pärchen, dass die Beziehung geheim gehalten hat.

Zur Frage an den Pfarrer, wie man sich als Häftling verhalten sollte, meinte er nur: »Kooperation mit den Angestellten ist wichtig und man sollte niemandem vertrauen. Aber es sei gut, ein oder zwei Personen zu haben, denen man ein wenig mehr erzählen kann.«

In der JVA Heilbronn gibt es 120 Beamte und 30 bis 40 Verwaltungsangestellte. 20 Prozent sind Frauen, die sich auch gut durchsetzen können. Die Schichten sind unterteilt in Früh-, Spät-, und Nachtschicht. Angestellte und Häftlinge haben sich gegenseitig zu siezen. Bei Gefahren haben die Beamten ein Notfallgerät, das sie betätigen können und nach spätestens zehn Sekunden mindesten fünf Kollegen vor Ort sind. Unter diesen Angestellten befindet sich auch der Pfarrer und Seelsorger Jochen Stiefel.

Mitgefühl für die Insassen

Er macht vor allem Sprechzeiten für Häftlinge, Angehörige oder auch Angestellte, die dafür einen Antrag, wie eigentlich für alles, stellen müssen. Er hat drei bis fünf Gespräche jeden Arbeitstag und steht unter Schweigepflicht, sogar vor Gericht. In Gesprächen geht es vor allem über Krisen von Beziehungen oder das Leben nach dem Gefängnis, da viele sich Gedanken machen, wie es für sie weiter geht. Nach Absitzen der Straftat können Inhaftierte mit einem schweren Urteil, wie Mord oder Vergewaltigung, eine ganz neue Identität zum Schutz beantragen. Außerdem gibt es den Sozialdienst, der beim Wiederaufbau des Lebens immer weiter helfen kann.

Immer sonntags kommen um die 30 bis 40 Häftlinge in Herrn Stiefels ökumenischen Gottesdienst. Dort kommen Häftlinge im Alter von 20 bis 60 Jahren, die entweder keiner oder allen möglichen Konfessionen angehören. Dabei wird auch wieder strikt getrennt zwischen U-Häftlinge und bereits Verurteilten. Weihnachten ist für Häftlinge die wichtigste Zeit, da sie da am liebsten bei ihren Familien sein würden. Deswegen gibt es die sogenannte Weihnachtsamnestie, bei der Häftlinge schon im Dezember entlassen werden, obwohl ihre Strafe erst etwas später enden würde. Pfarrer Stiefel organisiert jedes Jahr Weihnachtspäckchen für die Häftlinge im Wert von vier Euro. In diesem befinden sich ein kleiner Stollen, ein Jahreskalender, Mandarinen und Nüsse.

Stiefel selbst empfindet oft Mitgefühl und kann manche Gründe für Kriminalität auf eine gewisse Art und Weise nachvollziehen. Sein persönliches Ziel ist es, in Krisenzeiten eine Begleitung und Hilfe zu sein und den Glauben zu stärken. Außerdem möchte er auch Trost spenden und Hoffnung geben. Wir persönlich sind sehr beeindruckt, wie hart und schwierig das Leben in einem Gefängnis ist, es aber sehr gut finden, dass Jochen Stiefel sich dafür einsetzt, den Häftlingen ihren Aufenthalt ein wenig besser zu gestalten. (ZmS)

 

Lisann Hüttl und Pia Rümmelin , Dietrich-Bonhoeffer-Gymnasium Metzingen, Klasse 9d

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