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Aktuell INTERVIEW

Ein Weltmeister aus Reutlingen

REUTLINGEN. Michael Krumm, geboren am 19. März 1970 in Reutlingen, ist Rennfahrer und Gewinner der FIA-GT1-Weltmeisterschaft 2011. Drei Schüler vom Isolde-Kurz-Gymnasium Reutlingen haben ihn zum ZmS-Interview getroffen.

Michael Krumm ist Reutlinger, Nissan-Werksfahrer und FIA-GT1-Weltmeister 2011.  FOTO: PR
Michael Krumm ist Reutlinger, Nissan-Werksfahrer und FIA-GT1-Weltmeister 2011. FOTO: PR
Michael Krumm ist Reutlinger, Nissan-Werksfahrer und FIA-GT1-Weltmeister 2011. FOTO: PR
ZmS: Herr Krumm, Sie haben mit 14, also 1984, im Kartsport angefangen. Was hat Sie dazu bewegt?

Michael Krumm: Mein Vater war Amateurrennfahrer und hat mich als Kind immer auf die Rennstrecke mitgenommen. Da war ich vier, fünf Jahre alt. Ich war praktisch immer dabei, wenn mein Vater ein Rennen gefahren ist. Mit vier durfte ich dann schon bei ihm auf dem Schoß sitzen und lenken. Das hat mich so fasziniert, dass ich das Lenkrad nicht mehr loslassen wollte. Ich habe früher auch im Fernsehen Formel 1 geschaut und mir war klar: Ich möchte unbedingt Rennfahrer werden. Mein Vater hat mir dann die Möglichkeit gegeben, Kart zu fahren.

1988 haben Sie in der Formel Ford gleich nach Einstieg den fünften Platz belegt und 1989 sogar gewonnen. 1990 folgte dann der Sieg in der Formel Opel Lotus. Ein beeindruckender Karrierestart! Haben Sie viel dafür getan oder hatten Sie auch ein bisschen Glück?

Krumm: Glück gehört natürlich immer dazu, um eine Meisterschaft zu gewinnen. Man muss, um überhaupt Profi zu werden, einige Meisterschaften gewinnen. Formel Ford, Formel Opel, Formel 3 - das sind die Vorraussetzung für alles weitere. Trotzdem kann man sich natürlich nicht allein aufs Glück verlassen. Man muss auch hart dafür arbeiten. Jeden Tag habe ich trainiert, bis ich mich fast übergeben musste - nicht nur im Auto, sondern auch im Fitnessstudio, um das Beste aus mir herauszuholen.

»Das Leben, das ich führe, ist auf jeden Fall ein Traumleben«
Nun sind Sie sogar noch Weltmeister in der FIA-GT1-Weltmeisterschaft geworden. Kann man diese Weltmeisterschaft mit für Laien bekannteren Meisterschaften vergleichen?

Krumm: Die meisten Leute kennen nur die Formel 1 oder hier in Deutschland die DTM. Aber die Meisterschaft, die ich gewonnen habe, ist auch etwas ganz Besonderes, weil sie eben den offiziellen Weltmeisterschaftsstatus hat. Es träumt jeder davon, einmal Weltmeister zu werden, man muss eben erst einmal die Chance dazu haben! Die FIA, das heißt Fédération Internationale de l'Automobile, veranstaltet vier Meisterschaften. Die FIA-Formel 1, die FIA-Rallye, die FIA-GT1 und die FIA-Tourenwagen-WM. Die GT1-Rennserie gibt es seit zwei Jahren.

Wie viele Kilometer fahren Sie im Jahr ungefähr mit dem Auto - sowohl auf der Rennstrecke mit dem Rennauto als auch im Straßenverkehr in einem Straßenfahrzeug?

Krumm: So viele Kilometer, wie man denkt, sind das gar nicht! Ich bin nur zwölf Rennen gefahren dieses Jahr, früher waren es bis zu 28 im Jahr, natürlich in verschiedenen Kategorien. Wie viele Kilometer ich auf der Rennstrecke zurücklege, kann ich gar nicht so genau sagen. Aber im normalen Straßenverkehr fahre ich auch noch sehr viel, da ich von Rennen zu Rennen fahre. Das sind circa 50 000 Kilometer im Jahr. Der Rest ist nur mit dem Flugzeug zu schaffen.

Sie haben vier Mal am 24-Stunden-Rennen von Le Mans teilgenommen, zwei Mal sehr erfolgreich (1998 Rang 5, 2002 Rang 3), die anderen beiden Male war wegen Motorschadens Schluss. Wie kommt man an eine Teilnahme bei einem solch weltbekannten Rennen?

Krumm: Man braucht auch da ein bisschen Glück! Als Profi bin ich in Deutschland für Nissan Tourenwagen gefahren, davor auch in Japan. Nissan hat neun Fahrer für Le Mans ausgewählt. Einer von ihnen hat sich zwei, drei Wochen vor dem großen Rennen im Training die Hand gebrochen und fiel aus. Also haben sie einen weiteren Fahrer gebraucht. Ich habe das Angebot bekommen und angenommen. Das war praktisch Zufall. Nissan hat nach dem ersten Rennen dort gemeint: »Toll, der ist schneller als alle anderen, den wollen wir behalten.«

Wenn Sie fast Ihr ganzes Leben mit Motorsport verbringen: Was fahren Sie denn für (ein) Auto(s) im Straßenverkehr?

Krumm: Man bekommt ja in vielen Berufen von der Firma, für die man arbeitet, einen Firmenwagen gestellt. Das Glück hat man als Profi-Rennfahrer auch. Der Hersteller gibt mir das Auto, von dem er will, dass ich es fahre. Ich nehme das natürlich an. Im Moment ist es der Nissan GT-R mit über 500 PS.

Machen Sie außer Rennsport noch andere Sportarten oder haben Sie noch andere Hobbies?

Krumm: Meine Frau ist Tennisprofi, deswegen spiele ich auch sehr gerne Tennis. Ansonsten gehen wir laufen. Ich fahre sehr gerne Rad, was sich ja auch gut als Training eignet.

Wie viele Sprachen sprechen Sie?

Krumm: Vier. Englisch, Französisch, Japanisch und natürlich Deutsch. Oder fünf - mit Schwäbisch (lacht).

Was waren Ihre größten Tiefpunkte in der Motorsportkarriere?

Krumm: Es gibt viele Tiefpunkte. Im Grunde jedes Mal, wenn ich nicht gewinne. Man versucht immer zu gewinnen, aber wenn das nicht klappt, ist die Frustration natürlich riesig. Von 2004 bis 2010 habe ich kein Rennen gewonnen. Das war eine harte Zeit. Viel Pech ist auch dabei. Ich habe zum Beispiel oft geführt, aber dann war am Auto irgendetwas kaputt oder die Mechaniker haben einen Fehler gemacht. Wie fast überall braucht man Glück. Das hatte ich eben diese sechs Jahre lang nicht. Das Wichtigste ist eigentlich, dass, wenn man verliert, man sich nicht sofort vor den Zug wirft, sondern überlegt, was man falsch gemacht hat, was man verbessern kann. Man muss seine Fehler analysieren und an ihnen arbeiten. Das ist hart, aber enorm wichtig, daraus zu lernen. Umso schöner ist es, wenn man wieder gewinnt - vor allem, wenn man so lange schon nicht mehr gewonnen hat.

Was waren die größten Erlebnisse privat und im Rennsport?

Krumm: Im Rennsport war es dieses Jahr der Weltmeistertitel, das war das Highlight meiner Karriere. Das war die sechste Meisterschaft, die ich gewonnen habe, aber auch die größte. 2002 waren wir mit Audi in Le Mans auf dem dritten Platz, natürlich war das auch ein sehr großer Erfolg. Privat war mein größtes Erlebnis meine Hochzeit 2001.

Was hat der Sport für Sie für Folgen? Eine körperliche Belastung dürfte das ja schon sein!

Krumm: Für den Rücken ist das sehr schlecht. Man bekommt immer wieder Schläge auf die Wirbelsäule, hinzu kommt die gekrümmte Haltung. Deswegen ist es wichtig, dass man viel Ausgleichssport macht. Mit Verletzungen hatte ich aber Glück. Ich hatte zwei sehr schwere Unfälle, bei denen ich dachte, jetzt ist es aus. Aber mit viel Glück bin ich dann wieder aus dem Krankenhaus herausgekommen. Andere haben dieses Glück nicht.

Sie pendeln zwischen Japan, Deutschland und Monaco. Was führen Sie dabei für ein Leben?

Krumm: Nach einem Rennen gehe ich nach Monaco, wo im Moment mein Hauptwohnsitz ist. Aber ich habe in Tokio noch eine Firma, die Lackschutzprodukte für Autos herstellt. Das mache ich mit meinem Schwager zusammen. Die Meetings halten wir meistens über Skype, da ich im Jahr nur ein bis zwei Monate dort bin. Mein Tagesablauf ist so, dass ich morgens ein paar Stunden arbeite und mittags dann trainiere. Wenn ich Rennen in Europa habe, dann fahre ich gerne hier in Reutlingen vorbei. Dort ist meine Familie, dort sind meine Freunde. Das ist dann wie Heimat, ich bin ja auch hier aufgewachsen.

»Schade ist, dass ich meine Frau nur circa sechs Mal im Jahr sehe«
Was würden Sie am liebsten für ein Leben führen?

Krumm: Das Leben, das ich führe, ist auf jeden Fall ein Traumleben. Es ist toll, dass ich es mir frei einteilen kann, was ich mache oder wann ich in den Urlaub gehe. Aber: Die Verträge gelten immer nur für ein Jahr, man hat keine Sicherheit - weder Arbeitslosenversicherung noch Rente. Man hängt jedes Mal von seiner eigenen Leistung ab. Für nächstes Jahr habe ich zum Beispiel noch keinen Vertrag. In meinem Alter kann es auch sein, dass alles auf einen Schlag vorbei ist. Vielleicht denke ich irgendwann einmal, dass ich doch lieber mein Physikstudium hätte weitermachen sollen. Auch bei einer Verletzung ist alles vorbei. Und schade ist, dass ich meine Frau nur circa sechs Mal im Jahr sehe.

Wir bedanken uns für das nette Interview und wünschen Ihnen noch weiterhin viel Erfolg! Wer mehr über Michael Krumm wissen möchte, findet viele Infos im Internet unter: http: www.techniq-group.co.jp/mk/ //

Lorenz Letsche, Michael Rollmann und Paul Stingel, Isolde-Kurz-Gymnasium, Reutlingen, Klasse 9 a