TÜBINGEN. Nachhaltige Mode sieht aus, wie aus dem Altkleidersack? »Das ist längst Vergangenheit. Es gibt so viele tolle Firmen, die nachhaltig produzieren«, erklärt Robert Nedorna, Inhaber des Blauen Ecks in Tübingen. Im Gespräch mit den Mössinger ZmS-Reporterinnen Laura Geiger und Sarah Napp erklärt er, was es mit nachhaltigen Klamotten auf sich hat. ZMS: Was versteht man unter nachhaltiger Kleidung?
Roberto Nedorna: Nachhaltige Kleidung bezieht sich auf den Einsatz von ressourcenschonenden Rohstoffen. Im Vergleich zu herkömmlicher Baumwolle wird Biobaumwolle nicht unter Einsatz von Pestiziden angebaut und ist dementsprechend auch weniger schadstoffbelastet. Eine andere Möglichkeit wären Holzfasern wie Lyocell oder Tenzel, da man mit Holz einen schnell nachwachsenden Rohstoff hat.
»Der Grund allen Übels sind Gier und übertriebene Gewinnvorstellungen«
Wie kann man überprüfen, dass es sich um nachhaltige Kleidung handelt?
Nedorna: Am besten ist es, wenn man mit dem Einzelhändler ins Gespräch geht und nach den Zertifizierungen fragt. Bei uns im Laden sind die meisten nachhaltigen Marken nach GOTS oder Fairway Foundation zertifiziert. Direkt auf der Ware ist oft ein Hinweis, ob es sich um Biobaumwolle oder Lyocell handelt, das steht natürlich auch auf den Etiketten im Inneren der Ware.
Wie unterscheidet sich die Qualität von nachhaltiger und nicht nachhaltiger Kleidung?
Nedorna: Es ist tatsächlich so, das man immer wieder von Kunden hört, die eine Biobaumwolle anprobieren, wie angenehm dieser Stoff am Körper ist. Mir geht’s selbst auch so. Ich habe auch das Gefühl, wenn ich eine Biobaumwolle anhabe, dass es einfach ein viel angenehmeres Tragegefühl ist. Ob jetzt die nachhaltige Mode qualitativ besser ist, kann man nicht explizit sagen. Natürlich geht man davon aus, dass die Sachen für eine gewisse Langlebigkeit produziert werden. Bei nachhaltiger Kleidung ist es schon wichtig, das die Sachen lange halten.
Wo kaufen Sie Ihre nachhaltige und faire Kleidung ein?
Nedorna: Unsere nachhaltigen Marken kaufen wir direkt über die Firmen ein, die meistens Vertriebsmitarbeiter haben. Bei denen bestellt man die Ware, die dann ein halbes bis dreiviertel Jahr später ausgeliefert wird.
Wie viel verdienen ungefähr die Näherinnen bei nachhaltiger Kleidung?
Nedorna: Das ist eine sehr gute Frage, kann man aber leider nicht genau beantworten. Es ist sicherlich von Produktionsland zu Produktionsland verschieden. Man muss es natürlich auch ins Verhältnis setzen mit dem Durchschnittseinkommen in dem jeweiligen Land. Ich denke, dass es wichtig ist, dass die Näherinnen ihre Familien ernähren können, sie abgesichert sind und ihre Kinder nicht bei der Arbeit mithelfen müssen. Dass die Kinder hingegen in der Schule sind und Zugang zu Bildung haben, ist das Wesentliche.
Was sagen Sie zum Vorwurf, dass nachhaltige Klamotten so aussehen, als wären sie aus dem Altkleidersack?
Nedorna: Das ist schon längst Vergangenheit. Es gibt so viele tolle Firmen, die nachhaltig produzieren. Ganz im Gegenteil: Marken, die man schon 30 bis 40 Jahre kennt, sind da weitaus konservativer, als einige neue, nachhaltige, trendige Labels.
Laut Recherchen des WDR verdienen Näherinnen bei nachhaltiger Mode nur fünf Cent. Wie kann es dazu kommen?
Nedorna: Der Grund allen Übels sind im Grund genommen Gier und übertriebene Gewinnvorstellungen der Konzerne. Vor einigen Jahrzehnten hat man gesagt, man kann sehr günstig in der Türkei produzieren. Doch dann wurde das zu teuer. Danach ist man nach China gegangen. So zogen die Konzerne immer weiter über Indien nach Bangladesch, um dort noch weniger zu bezahlen und das bei eigentlich guten Verkaufspreisen in Deutschland. Bei uns ist der Kunde bereit, für Markenware mehr zu zahlen. Da ist einfach ein Fehler im System bei den großen Konzernen, in denen es nur noch um Profit geht.
Was kann jemand für Nachhaltigkeit tun, ohne viel Geld ausgeben?
Nedorna: Es gibt ganz viele Sachen, die man machen kann. Ich selber bin seit Jahren dabei. Es geht schon los am Gemüseregal, dass man keine Plastiktüten mehr benutzt. Man kann Leitungswasser trinken und weitere Kleinigkeiten in seinen Alltag mit einbauen, sodass man Ressourcen schont. Man kann einfach bewusst Kleidung einkaufen und nicht zum Beispiel bei Textil-Discountern versuchen, Schnäppchen zu machen. Man zieht es wahrscheinlich sowieso nicht oft an. Lieber auf ein Lieblingsteil sparen, das man dann lange und oft anzieht.
Welches Kundenklientel kauft bei Ihnen ein?
Nedorna: Bei uns in Tübingen sind es vom Studenten über den Arbeiter, Angestellten bis zum Lehrer alle. Wir haben Gott sei Dank kein bestimmtes Klientel. Wir haben alle Menschen bei uns im Laden, egal wie viel sie verdienen oder welche Nationalität. Darüber freuen wir uns.
Was wünschen Sie sich für die Zukunft?
Nedorna: Dass es zur Regel wird, dass Ware aus Biobaumwolle verkauft wird, dass die Textilindustrie umsteigt und irgendwann keine Baumwolle mehr unter Einsatz von Pestiziden angebaut wird. Das würde ich mir nicht nur für die Textilindustrie wünschen, sondern auch für die Landwirtschaft. (ZmS)
Laura Geiger und Sarah Napp, Evangelisches Firstwald Gymnasium Mössingen, Klasse 8
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