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Aktuell INTERVIEW

Das Erbe der Herren von Steußlingen

SCHELKLINGEN-TALSTEUSSLINGEN. So ruhig und idyllisch ist das Schmiechtal. Es hat große, saftige Wiesen und Felder. Sogar die Landwirtschaft wird heute noch betrieben. Auch in Talsteußlingen. Der Ort hat viele Attraktionen, wie das sechs Tonnen schwere Wasserrad an der alten Getreidemühle oder auch das große Schloss Neusteußlingen, das auf einem Bergrücken über dem Tal thront. Sogar ein bekannter Dichter namens Victor von Scheffel machte hier in Tal-steußlingen, im Gasthaus zum Löwen, Urlaub. Hinauf führt eine Straße und ein schmaler, steiler Weg für Wanderer und Mountainbiker. Das Schloss ist umgeben von Laubbäumen, Tannen und Fichten. Auch heute noch finden direkt auf und im Schloss noch große Feuerwehrübungen statt. Aber jetzt zum Schloss und zu seiner Geschichte. Vermutlich um 1200 wurde es als Steußlinger Ministerialenburg erbaut. 1385 wurden die Freiherren von Freyberg Besitzer der Burg. Nachdem die Linie von Freyberg 1581 ausgestorben war, ließ Herzog Ludwig von Württemberg die Burg abreißen. 1582 folgte der Wiederaufbau als Renaissance-Schloss durch die Herren von Steußlingen. 230 Jahre später wurde das Schloss für 4 225 Gulden verkauft und zum zweiten Mal abgebrochen. 1897 kaufte der Ulmer Dr. Eugen Nübling die Ruine samt Schlosswald, Äckern und Wiesen für 20 000 Mark und baute das Schloss auf dem alten Grundriss wieder auf. Heute i st das Schmiechtal ein beliebtes Ausflugsziel für Touristen. Das Schloss ist immer noch im Besitz der Familie Nübling und somit das Erbe der Herren von Steußlingen. Als jemand, der in Talsteußlingen aufgewachsen ist, interessierte ich mich schon immer für das Schloss Neusteußlingen und seine Geschichte. Die ursprüngliche Burg Steußlingen auf jenem Felsen, der heute das Haupthaus trägt – die alte Schildmauer ist in seine Fundamente einbezogen – wird in das 9. Jahrhundert datiert. Das heutige Schloss ist ein schmuckes und liebevoll restauriertes Anwesen. Das große, massive Eingangstor ist immer noch an derselben Stelle wie vor rund 800 Jahren. Der Burggraben wurde zwischenzeitlich aufgefüllt und ist mit einer Vielzahl von Sträuchern und Bäumen gesäumt. Wer über die halbhohe Burgmauer blickt, erkennt das mehrstöckige, imposante Wohngebäude und die Dächer von einigen, im Fachwerkstil gebauten, Nebengebäuden. Heute habe ich die Möglichkeit, mit der Eigentümerin des Schlosses ein Interview zu führen. Durch das einladend geöffnete Tor betrete ich den Schlosshof und bin schon jetzt ganz aufgeregt. Wenig später empfängt mich Lore Nübling sehr freundlich und führt mich etwas herum, während ich meine Fragen stellen darf.

§§ »Wenn meine Enkel von der Schule kommen, erwacht das Schloss zum Leben«

ZmS: Gibt es einen Schlossfriedhof?

Lore Nübling: Ja, aber es ist ein Privatfriedhof, auf dem alle Vorfahren unserer Familie in Urnen beigesetzt sind. Auch mein Mann ist dort bestattet worden.

Finden in der Schlosskapelle St. Georg noch Gottesdienste statt?

Nübling: Ja, jedes Jahr zu Weihnachten. Für Einheimische und Familienmitglieder wurden dort auch Taufen und Hochzeiten gefeiert.

Wie fühlt es sich an, in einem solchen Schloss zu wohnen?

Nübling: Diese Frage ist etwas schwierig zu beantworten. Es fühlt sich strapaziös an. Denn man muss jeden Tag die ganzen Treppen laufen. Das ist eine Strecke wie zwei Mal auf das Ulmer Münster hinauf und wieder hinunter.

Machten Sie schon Bekanntschaft mit Schlossgeistern?

Nübling: Nein. Ich hatte noch nie das Vergnügen.

Wie viele Zimmer hat das Schloss?

Nübling: Es ist ein reines Wohnhaus. Das Schloss hat 15 Zimmer, 80 Fenster und 45 Türen.

Gibt es eine alte Folterkammer?

Nübling: Nein, nein (lacht), aber es gibt ein altes Verlies. Vor ein paar hundert Jahren wurde es als Gefängnis genutzt – wenn auch nur selten. Heute befindet sich darin ein Teil der Haustechnik.

Wie heizen Sie das Schloss im Winter?

Nübling: Ich heize das Schloss mit einer Holz- und Ölheizung.

Gibt es Kronleuchter in den Räumen?

Nübling: Nein, es gibt keine Kronleuchter. Wie schon erwähnt, es ist ein reines Wohnhaus. Die Inneneinrichtung entspricht dem heutigen Standard.

Darf ich Ihnen eine persönliche Frage stellen?

Nübling: Ja, gerne. Leg nur los.

Wie viele Kinder und Enkel haben Sie?

Nübling: Ich habe vier Kinder und über zehn Enkel.

»Der riesige Schloss-garten war wie ein Abenteuerspielplatz für meine Enkel« §§ Sind die alle hier auf dem Schloss?

Nübling: Aber nein, nur zwei meiner Kinder leben mit ihren Familien hier auf dem Schloss. Aber an Familienfesten ist hier natürlich viel mehr los.

Es ist gerade so ruhig hier, ist das immer so?

Nübling: Oh nein. Wenn meine Enkel von der Schule nach Hause kommen, erwacht das Schloss erst so richtig zum Leben.

Wird ihnen das alles nicht ab und zu zu viel?

Nübling: Nein. Das hilft mir, jung zu bleiben. Ich habe sehr gerne junge Menschen um mich herum. Früher, als meine Enkelkinder noch klein waren, gab es keinen besseren Platz zum Spielen und Toben. Der große Schlossgarten war wie ein riesiger Abenteuerspielplatz. Zum Glück ist nie etwas passiert. Die Arbeit geht mir ebenfalls nicht aus. Den Garten und das Wohnhaus in Schuss zu halten – das bedeutet eine Vielzahl von Aufgaben und das zu jeder Jahreszeit.

Mich würde interessieren, wer Ihnen bei dieser Vielzahl von Aufgaben hilft.

Nübling: Hier wohnt auch ein Hausverwalter-Ehepaar mit Familie. Kleinere Reparaturen und Gartenarbeiten erledigen aber meine Kinder. Um die Blumen kümmere ich mich selbst, weil das seit jeher ein Hobby von mir ist.

Ich danke Ihnen herzlich für dieses interessante Gespräch, Frau Nübling. (ZmS)

Lukas Kleinert, Gustav-Mesmer-Realschule Münsingen, Klasse 8b